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Ausgabe:

Dezember/2009

Spalte:

1404–1406

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Sattler, Dorothea, u. Gunther Wenz [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge. III. Verständigungen und Differenzen. M. Beiträgen v. Ch. Axt-Piscalar, A. Gerhards, Ch. Grethlein, M. Hein, U. Kühn, O. H. Pesch, D. Sattler, P. Walter, G. Wenz. Hrsg. f. d. Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen.

Verlag:

Freiburg i. Br.: Herder; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008. 310 S. gr.8° = Dialog der Kirchen, 14. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-3-451-29943-8 (Herder); 978-3-525-56936-8 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Günther Gaßmann

Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) hat von 2002 bis 2008 den Themenbereich »Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge« mit eingehenden exegetischen, historischen, systematischen und zuletzt auch praktisch-theologischen Studien untersucht. Die auf den Tagungen des ÖAK vorgetragenen und diskutierten Referate wurden bisher in den Bänden I und II über »Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge« veröffentlicht (vgl. ThLZ 130 [2005], 846–848; ThLZ 132 [2007], 875–877). Nun liegt der den Abschluss des Projekts dokumentierende dritte Band vor. Er enthält neun Einzelbeiträge und den »Abschließenden Bericht« zum Studienprojekt. Äußerst hilfreich sind die ausführlichen Personen- und Sachregister (39 S.) zu den drei Bänden.

Im ersten Beitrag über »Der lebendige Erinnerer an das apostolische Erbe« untersucht Dorothea Sattler »Pneumatologische Argumentationen in den ökumenischen Gesprächen über das Amt«. Sie plädiert dafür, die Amtsträger/Amtsträgerinnen anderer Kirchen als geistbegabte Zeugen für das eine Evangelium anzuerkennen. In »Die apostolische Amtssukzession im ekklesiologischen Kontext der Apostolizität der Kirche« geht Christine Axt-Piscalar vom um­fassenderen Zusammenhang der Apostolizität der Kirche aus und legt eine »evangelische Verständigungsperspektive« zum Amt in apostolischer Sukzession vor. Martin Hein behandelt, leider ohne ökumenische Bezüge, in »Evangelische Kirchenleitung – Verfassungsanspruch und Wirklichkeit« die häufig anzutreffende Diskrepanz zwischen Verfassungsvorgaben und institutioneller Realität.

Gunther Wenz befasst sich in »Rite vocatus/a« mit dem bereits im Berichtsband II des ÖAK-Projekts heftig kritisierten Entwurf einer Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD von 2004 zu »Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis«. Dem Sondervotum von Dorothea Wendebourg zum Entwurf folgend wendet sich Wenz gegen die Unterscheidung zwischen Beauftragung und Ordination zum »Amt der öffentlichen Verkündigung« und plädiert für die m. E. theologisch konsequente Lösung einer Ordination aller Personen, die die öffentliche Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung hauptamtlich, nebenamtlich oder ehrenamtlich wahrnehmen sollen (besonders 83–85). Es ist schade, dass Wenz keinen Kommentar zur endgültigen Fassung der bischöflichen Empfehlung von 2006 hinzugefügt hat mit Hinweisen darauf, inwieweit die Kritik aufgenommen worden ist.

In seinem Beitrag »Sacramenti Ordinis defectus (UR 22,3)« referiert Peter Walter die Dissertation von P. Cipriani (2000/2001) zu dieser Aussage des 2. Vaticanums. Mit Cipriani bekräftigt Walter (ge­gen »Dominus Iesus«), dass mit »subsistit in« wie mit »sacramenti Ordinis defectus« »nach vorn offene Formulierungen gewagt« worden sind. In »Wortgottesdienst, Eucharistiefeier und der Auftrag des kirchlichen Amtes« reflektiert Ulrich Kühn über die für evangelische Theologen delikate Frage nach einem »Mehr« des Sakraments gegenüber dem Verkündigungswort. Für ihn kann es hier nicht um ein »Mehr der Gnade als solcher« gehen, sondern um ein »Mehr« in der Verbindlichkeit der göttlichen Zusage und der bekennenden menschlichen Antwort sowie die gesamtkirchliche Dimension der Sakramente. Darum muss die Feier der Sakramente von ordinierten Amtsträgern geleitet werden.

Albert Gerhards behandelt in »Episkopat und Presbyterat« liturgiegeschichtliche Aspekte zum Verhältnis dieser beiden Ämter. Die dabei festgestellten Entwicklungen, Veränderungen und Rück­xyschritte mahnen im Blick auf die kirchlichen Ämter »ein Spektrum von Möglichkeiten nebeneinander stehen zu lassen«. In ähnlicher Weise fordert Christian Grethlein dazu auf, die »Veränderungen in den Rollen liturgischer Kommunikation« der kirchlichen Amtsträger mit ihren oft gemeinsamen, konfessionsübergreifenden Elementen im ökumenischen Gespräch über das Amt stärker zu berücksichtigen.

Otto Hermann Pesch, ein unermüdlicher ka­tholischer Advokat engerer katholisch-evangelischer Gemeinschaft, drängt auf kirchliche Rezeption der Arbeitsergebnisse des ÖAK in seinem Beitrag »Auf dem Weg zu einer ›Gemeinsamen Erklärung zum kirchlichen Amt in apostolischer Nachfolge‹ – Ein Plädoyer«. Dabei betont er, dass die Apostolizität des Amts nicht von einer Kette der Handauflegung herzuleiten sei, sondern von der Nachfolge der Kirche in der apostolischen Lehre. »Diese aber ist durch die ›Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre‹ von 1999 gegenseitig anerkannt, so dass es in dieser Hinsicht keinen defectus gibt« (162). Daher liegt im grundlegenden Verständnis des kirchlichen Amtes in apostolischer Nachfolge ein »differenzierter Konsensus« für eine internationale Gemeinsame Erklärung vor.

Peschs Text ist ein Präludium zu »Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge. Abschließender Bericht«. Dieser umfangreiche (100 S.) instruktive Bericht ist angesichts der Fülle des in den drei Berichtsbänden vorgelegten Materials äußerst hilfreich. Er wurde 2007 bei nur drei Enthaltungen vom ÖAK gutgeheißen und referiert zusammenfassend in vier zum Teil ausführlicheren Abschnitten die biblisch-exegetischen, kirchengeschichtlichen, praktisch-theologischen und systematischen Arbeitsergebnisse des ÖAK. Dabei wird methodologisch die interdisziplinäre Arbeitsweise des ÖAK und deren Verbindung zur umfassenderen ökumenischen Amtsdiskussion unterstrichen. Inhaltlich werden immer wieder und nachdrücklich der Ausgangspunkt bei der Apostolizität der Kirche – und nicht bei der Sukzession, die Berufung aller Getauften zur apostolischen Nachfolge, die Unterscheidung zwischen dem materialen Gehalt der apostolischen Sukzession und ihren vielfältigen formalen Gestalten sowie die Verbindung zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« von 1999 als einem entscheidenden Kriterium der Apostolizität der Kirche herausgestellt. Ab­schließend wird das Vorhaben des ÖAK vorgestellt, mit der Methode des differenzierten Konsenses eine gemeinsame Erklärung zu den erreichten Konvergenzen und verbleibenden Kontroversen in der Ämterfrage vorzubereiten und zu begründen, dass die apostolische Sukzession in der römisch-katholischen Kirche und in den Reformationskirchen gegeben ist.

Trotz mancher neuer »Stolpersteine« (u. a. Dominus Iesus) liegen für eine solches Projekt, ähnlich wie bei der Erklärung zur Rechtfertigungslehre, inzwischen drei ekklesiologisch umfassende ökumenische Konvergenz-Studien zur Amtsfrage vor: 1. die in den drei Bänden und im »Abschließenden Bericht« vorliegenden Ar­beitser­gebnisse des ÖAK samt der vorgesehenen Erarbeitung einer Ge­meinsamen Erklärung, 2. der Bericht »Die Apostolizität der Kirche« der internationalen »Lutherischen/Römisch-katholischen Kom­mission für die Einheit« (Frankfurt und Paderborn 2008) und 3. die ausführliche Gemeinsame Erklärung des offiziellen katholisch-lutherischen Dialogs in den USA »The Church as Koinonia of Salvation. Its Structures & Ministries« (Washington D. C. 2005).
Die drei Bände des ÖAK mit ihren 35 Beiträgen und dem abschließenden Bericht repräsentieren mit ihren 1220 Seiten die bisher wohl um­fangreichste und gründlichste Bearbeitung der ökumenischen Diskussion zum kirchlichen Amt, speziell zur apostolischen Sukzession. Hier liegt reichhaltiges Material für weitere Studien sowie für aufzugreifende theologische Überlegungen und Anstöße vor, die Wege aus der innerevangelischen und evangelisch-katholischen Sackgasse in der ökumenischen Amtsdiskussion eröffnen könnten.