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Ausgabe:

November/2009

Spalte:

1268–1270

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Mendl, Hans

Titel/Untertitel:

Religion erleben. Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht. 20 Praxisfelder.

Verlag:

München: Kösel 2008. 440 S. gr.8°. Kart. EUR 22,95. ISBN 978-3-466-36811-2.

Rezensent:

Erhard Holze

Ist der Begriff des Performativen Religionsunterrichts wohl erstmals von dem katholischen Religionspädagogen Rudolf Englert gebraucht worden, der Ansatz des Performativen Religionsunterrichts wiederum maßgeblich von evangelischen Religionspädagogen vorangetrieben worden (Thomas Klie, Bernhard Dressler, Silke Leonhard) und in der evangelischen Religionspädagogik zugleich umstritten (Michael Domsgen, Christian Grethlein), erfährt die Diskussion um den sog. Performativen Religionsunterricht nun durch das Werk des katholischen Religionspädagogen Hans Mendl aus Passau neue Impulse. Er legt »ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht« vor, das in seinem ersten Teil den Versuch einer theoretischen Fundierung und Positionsbestimmung unternimmt (11–86), um in einem zweiten Teil 20 Praxisfelder darzustellen. Mit dieser Zweigliedrigkeit setzt M. das um, was er zu Beginn postuliert: »Theorie ohne Praxis ist leer, freilich ist … die Theorie ohne Praxis blind« (7).

Im Blick auf den faktischen Befund, der die religionspädagogische Theorie wie Praxis gegenwärtig prägt, stellt M. die Frage: »Wie können Schülerinnen und Schüler, die mehrheitlich in der Glaubenstradition der eigenen Kirche nur wenig verwurzelt sind, die Erfahrungen dieses für sie häufig so fremden Glaubens verstehen?« (77) Angesichts der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche über immer weniger religiöse Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, ist das bisherige Vorgehen des Religionsunterrichtes, in der Schule über bereits außerschulisch gemachte Erfahrungen zu reflektieren und eine entsprechende Deutungskompetenz zu entwickeln, fraglich geworden. Wie sollen im Religionsunterricht Reflexion und Deutung noch möglich sein, wenn kaum mehr religiöse Erfahrungen vorliegen?

Vor dieser Problemlage plädiert M. für »eine stärkere Erfahrungsorientierung im Religionsunterricht« (12), für »Kontaktzonen mit konkreten Erfahrungsräumen des Religiösen« (13). Zugleich ist sich M. der möglichen Missverständnisse und Gefahren eines solchen erfahrungs- und praxisorientierten Unterrichts bewusst und warnt vor einem »Rückfall in längst überwundene katechetische oder missionarische Zeiten des Religionsunterrichts« (12). Da aber »das Trauma des ›materialkerygmatischen Religions­unterrichts‹ im katholischen und der ›Evangelischen Unterweisung‹ im evangelischen Religionsunterricht« bis heute nachwirke (317), markiert M. »deutliche Grenzen zwischen Re­ligionsunterricht und Katechese« (79) und stellt unmissverständlich fest: »Der Religionsunterricht hat keine katechetische Funktion und auch keine katechetische Dimension« (20). Noch deutlicher: »Die Beheimatung in der eigenen Religion … fällt in das Aufgabenfeld der gemeindlichen Katechese.« (81)

Positiv verortet M. sein performatives Plädoyer in der Nähe »eines pädagogischen Konstruktivismus« (34) und der »alteritätsdidaktischen Entwürfe« (34.57 ff.). Es geht M. mithin um Unterricht, der konstruktivistisch und nicht instruktivistisch angelegt ist (314), nicht um eine »Behauptungsdidaktik« (318), sondern um eine »Er­möglichungsdidaktik« (ebd.), bei der den Schülerinnen und Schülern »Auseinandersetzung mit dem Fremden« und »Erfahrung als Differenzerfahrung« (34) ermöglicht wird. Sind also Konstruktivismus und Alteritätsdidaktik für M. »zentrale theoretische Eckpfeiler« (35.57 ff.), plädiert er ausdrücklich nicht für ma­terialkerygmatische Unterweisung oder für reine abstrakte kognitive Reflexions­leis­tung, sondern in Anknüpfung an Dieter Benner für »begrenzte punktuelle Teilhabe an Elementen der eigenen Religion« (81.85).

Vor diesem theoretischen Hintergrund beschreibt M. im zweiten Teil seines Buches insgesamt 20 Praxisfelder: von dem Erkunden des Kirchenraumes über das Wahrnehmen von Zeiten bis hin zu Gebet, Liturgie und Naturerfahrung; von Bibel »handgreiflich« über interreligiöse Begegnung bis zur Macht der Bilder wird ein weiter Bogen gespannt, der durch seine theoretischen Differenzierungen ebenso wie durch seine praktischen Konkretionen lebendig und gewinnbringend ist. Die Praxisfelder »Kunst und Religion« sowie »Musik und Religion« und schließlich »der Glaube im Computer« runden den Theorie- und Praxisbogen ab.

In diesem weit gefächerten Themenspektrum werden jeweils performative »Elemente« (251.328.342), »Methoden« (262 f.), »Ausdrucksformen« (264), »Unterrichtsformen« (269), »Handlungsformen« (279) und »Lernformen« (359) aufgezeigt. Solche Formen als performative »Handlungsvollzüge« zu bezeichnen (276 f.), ist ge­wiss stimmig; wenn aber darüber hinaus im Rückblick grundsätzlich von dem »in diesem Buch vertretenen Konzept eines performativen Religionsunterrichts« (400) die Rede ist, bleibt kritisch zu fragen, ob die vielen Überlegungen und Praxisbeispiele tatsächlich schon ein »Konzept« bilden können.

Obwohl es in den »zusätzlichen Anregungen« im Anhang des Buches (414 f.) zu einer Häufung spezifisch katholischer Beispiele kommt (Weihwasser, Rosenkranz, Monstranz, Eucharistiefeier, Marienaltar), ist das angezeigte Werk so angelegt, dass es für die Religionspädagogik in Fakultäten und Studienseminaren beider Konfessionen als gehaltvoll und reich an Anregungen empfohlen werden kann.