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Ausgabe:

November/2009

Spalte:

1199–1200

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Preetz, Melanie

Titel/Untertitel:

Abigajil, die Prophetin: Mit Klugheit und Schönheit für Gewaltverzicht. Eine exegetische Untersuchung zu 1Sam 25.

Verlag:

Würzburg: Echter 2008. XII, 276 S. gr.8° = Forschung zur Bibel, 116. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-3-429-02962-3.

Rezensent:

Melanie Köhlmoos

Die Arbeit stellt die Druckfassung einer Dissertation dar, die unter der Betreuung von Burkhard M. Zapff angefertigt und 2007 von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt angenommen wurde. Gemäß dem Untertitel handelt es sich um eine Untersuchung der Erzählung von David, Nabal und Abigajil 1Sam 25,1–44. Hierbei präsentiert P. in einem ersten Teil die Forschungsergebnisse zum Text (»Forschungsgeschichtliche Orientierung«: 1–23), daraus abgeleitete Fragestellungen und das zu Grunde gelegte methodische Vorgehen (24–30). Der zweite Teil bietet eine Übersetzung und Gliederung des Textes (33–48). Den Schwerpunkt der Arbeit bildet der dritte Teil »Einzelanalyse«, eine sorgfältige Wort-für-Wort-Untersuchung des gesamten Textes (49–206). Ihre Ergebnisse werden im vierten Teil knapp zusammengefasst (207–232), dem schließen sich eine Schlussreflexion, die den programmatischen Titel der Arbeit aufgreift (233–238), sowie eine Zusammenfassung in Thesen an (239–244).

P. will einem bislang monographisch nicht gewürdigten Text die ihm gebührende Aufmerksamkeit widmen und so auch zur Bekanntheit dieser durchaus bemerkenswerten Erzählung beitragen. Im Hauptteil der Arbeit verfolgt P. diese ihre Ziele in Form einer ungewöhnlich genauen und detaillierten Analyse, die formal und im Umfang den Anforderungen eines Kommentars genügt. Die angezielten Kontextbezüge macht P. in der Erhebung der semantischen Bezüge nahezu des gesamten Wortbestandes deutlich, wobei sich sehr schnell herausstellt, dass 1Sam 25 lexikalisch und inhaltlich dicht an weisheitlichen Texten des Sprüchebuches sowie an Gen 30–32 ist. Daneben würdigt P. ausführlich die literarische Raffinesse der Erzählung, die in den Versen 12–13 und 14–19 zwei gleichzeitige Szenen (107–109) und in den Versen 21–22 eine Rückblende enthält (131 f.). Es gelingt ihr außerdem, das spannungsgeladene Dreieck Nabal – Abigajil – David herauszuarbeiten.
Als Ergebnis der Untersuchung hält P. fest, dass 1Sam 25 ein kohärenter Text ist, der keinen Anlass zu diachronen Schichtungen gibt, und dass die Erzählung zweifach in der Davidserzählung kontextualisiert ist: Einerseits gehört Nabal durch seine Wahrnehmung Davids als Rebell gegen Saul (V. 10) gewissermaßen auf die Seite der Saulsympathisanten, so zeigt sich auch an Nabal, dass der zukünftige Herrscher David sich trotz seiner Salbung nicht am Inhaber des Amtes vergreifen darf (vgl. 211–215). Andererseits schließt Abigajil mit ihrer 2Sam 7 vorwegnehmenden Verheißung an David (V. 28–10) die »Prophetenlücke«, die nach dem Tod Sa­muels entstanden ist (vgl. 219 f.). Dies muss als ansprechende Hypothese betrachtet werden. Abigajil ist demzufolge eine Prophetin, gleichzeitig eine Frau, die dem weisheitlichen Ideal im Allgemeinen (218 f.) und Prv 31 im Besonderen entspricht. Literarhistorisch verortet P. 1Sam 25 im »Höfischen Erzählwerk« in der Nachfolge Dietrichs und Willi-Pleins, das sie in das 8. Jh. datiert (221– 232). Über diese exegetischen Einzelheiten hinaus unterstreicht P., dass 1Sam 25 wie kaum ein anderer Text ein Plädoyer für einen theologisch verantworteten Gewaltverzicht darstellt (233–237).

Für Einzelheiten muss auf die Arbeit selbst verwiesen werden. In diesem Detailreichtum liegt zugleich der Gewinn der Untersuchung wie ihre Schwäche. Die semantischen und intertextuellen Analysen der Einzelverse sind eine Fundgrube für alle, die sich intensiv mit 1Sam 25 befassen wollen, gleichzeitig wird aber häufig nicht deutlich, welcher semantische Bezug und vor allem welcher intertextuelle Horizont wirklich erzählerseitig gewollt ist und wo P. selbst den Schwerpunkt der Bezüge sieht. Gerade in der Analyse werden Befunde gesammelt, die erst nach 150 Seiten zu einem Ergebnis aufsummiert werden. Da P. die einzelnen Bezüge von 1Sam 25 zu anderen Texte nicht diachron differenziert, wird nicht klar, in welchem chronologischen Verhältnis 1Sam 25 zu spätweisheitlichen (Prv 9: 102.123.126; Hiob: 77–79) und anderen späten Texten steht. Die vielfachen (sachgemäß herausgestellten) Bezüge von 1Sam 25 zum Buch Ester (71–73.84.93.123.191 u. ö.) bedürfen einer Klärung, wenn 1Sam 25 wirklich ein Text aus dem 8. Jh. sein soll. Auch eine methodisch klarere Scheidung zwischen literarisch-formalen und inhaltlichen Analysen wäre wünschenswert gewesen, um den Überblick zu erleichtern.
Das Buch ist gleichwohl eine anregende Studie zu einem auffälligen Text des Alten Testaments und kann vor allem für Studierende sehr hilfreich sein. – Ein Literaturverzeichnis und ein Stellenregister schließen den Band ab.