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Ausgabe:

Dezember/1996

Spalte:

1140 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wenham, Gordon J.

Titel/Untertitel:

Word Biblical Commentary. 2: Genesis 16–50

Verlag:

Dallas: Word Books Publ. 1994. XXXVIII, 517 S. gr. 8. ISBN 0-8499-0201-0

Rezensent:

Hans-Jürgen Zobel

Die grundsätzlichen Bemerkungen zum WBC durch den Hg., die einführenden Darlegungen zur Kommentierung der Genesis durch den Autor und die Einschätzung des ersten Bandes in der ThLZ 115, 1990, 580-582 gelten auch hier.

Zunächst ist hervorzuheben, daß der Vf. die "Introduction" aus Bd. 1 fortsetzt und im einzelnen abhandelt: Historical Setting of the Patriarchs (XX-XXV), The Egyptian Background of the Joseph Story (XXV-XXVIII), The Chronology of the Patriarchs (XXVIII-XXX), The Religion of the Patriarchs (XXX-XXXV) und History, Theology, and the Commentator (XXXV-XXXVIII). Im einzelnen ist hervorzuheben, daß die Zeit der Erzväter das frühe zweite Jahrtausend ist, in das auch die Religion mit El (ohne Baal) und einem gewissen "air of ecumenical bonhomie" paßt, daß die Joseph-Erzählung in ihrer Letztgestalt in die Zeit nach der Landnahme oder auch die frühe Königszeit gehört und daß die sog. "suprahistorical biblical interpretation of history"doch eben die Geschichte voraussetzt.

Was den eigentlichen Kommentar angeht, so ist zunächst die Grobgliederung der Genesis-Erzählungen bemerkenswert. Die noch im ersten Band begonnene Behandlung der Abraham-Erzählungen wird nun bis 25,11 weitergeführt, gefolgt von The Family History of Ishmael (25,12-18). Dann kommen The Story of Isaac (25,19-35,29), The Family History of Esau (36,1-37,1) und schließlich The Joseph Story (37,2-50,26). Das macht auf etwas Besonderes an diesem Kommentar aufmerksam. Während man sonst eher geneigt ist, neben den Abraham-Erzählungen kaum noch die Isaak-Erzählungen, sondern nur die Jakob-Erzählungen gelten zu lassen, sind hier Ismael und Esau aus dem Schatten getreten, die Isaakerzählung gleichrangig neben die Erzählungen über Abraham und Joseph gestellt und damit Jakob als Namensgeber für einen Erzählungskreis ausgeblendet worden. In den auf die Textübersetzung folgenden Bemerkungen Form/Structure/Setting vermißt man denn auch Hinweise etwa auf Gattungseinheiten oder auf die Überlieferungs- und Traditionsgeschichte der Texte.

Das sei an ein paar Beispielen kurz erläutert. Der Vf. betrachtet Gen 16,7-14 als eine Erzähleinheit. Damit wird die Differenz zwischen El-Aussagen der ursprünglichen Ismael-Überlieferungen und ihrer jahwistischen Interpretation zwar gesehen, aber wegen der Ausrichtung der Kommentierung auf die Endgestalt der Erzählung nicht weiter verfolgt. ­ Noch eindeutiger äußert sich der Vf. hinsichtlich der Einheit von Gen 22. Er lehnt nicht nur alle Versuche, einen gewissen Textanteil dem E zuzuweisen, ab, sondern will auch V. 15-18 nicht als eine späte Hinzufügung zur ursprünglichen Erzählung verstanden wissen. ­ Die inhaltlichen Abweichungen des Isaak-Segens von den eigentlichen Segensinhalten der Erzvätererzählungen erklärt der Vf. mit dem Hinweis, dieser Segensspruch habe nicht Jakob, sondern von Haus aus Esau gegolten; außerdem sei er kein vaticinium ex eventu, sondern blicke in eine ferne Zukunft von Israels Siegen bei der Eroberung des Landes oder auch zur Zeit des frühen Königtums, also immerhin fünf Jahrhunderte voraus. ­ Schließlich fragt der Vf. ­ um noch dieses Beispiel vorzuführen ­ bei der Erzählung von Juda und Tamar in Gen 38 nicht nach ihrer ursprünglichen Selbständigkeit, sondern zeigt auf, daß diese Erzählung ­ übrigens genau wie der Jakob-Segen in Gen 49 ­ für das Verständnis der Joseph-Erzählung unverzichtbar sei. Die eigentliche Absicht des Vf.s hinsichtlich der angesprochenen Problematik von Überlieferungs-, Traditionsgeschichte und Literarkritik läßt sich in den Sätzen wiederfinden, mit denen er die grundsätzlichen Überlegungen zu Gen 28 beschließt: "Among modern critics there is thus a wide diversity of approach to this passage, reflecting their different methodological presuppositions. Though I am in most sympathy with de Pury and Wiseman´s approach, I am more cautious than they are in distinguishing earlier and later elements within the narrative and will concentrate on seeing this passage in the total context of the Jacob cycle and the work of J."(221)

Was die Kommentierung der Texte angeht, so gebührt dem Autor uneingeschränkt Lob und Anerkennung. Bei strittigen Texten unterrichtet er den Leser knapp und doch sorgfältig über alle wesentlichen Lösungshypothesen und trägt abschließend sehr behutsam seinen eigenen Interpretationsvorschlag vor. Auffällig ist, daß überdurchschnittlich häufig August Dillmann zitiert wird; und das gereicht dem Kommentar auch nicht zum Schaden!

So kann man abschließend diesen neuen Genesis-Kommentar begrüßen und wünschen, daß er von vielen herangezogen wird, die Texte der Genesis dem heutigen Verständnis zu erschließen.