Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2009

Spalte:

954–956

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Specht, Heidemarie, u. Ralph Andraschek-Holzer [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Bettelorden in Mitteleuropa – Geschichte, Kunst, Spiritualität. Referate der gleichnamigen Tagung vom 19. bis 22. März 2007 in St. Pölten.

Verlag:

St. Pölten: Diözesanarchiv St. Pölten 2008. 774 S. m. zahlr. Abb. gr.8° = Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs, 15. Lw. EUR 39,90. ISBN 978-3-901863-29-5.

Rezensent:

Hubertus Lutterbach

Dieser Sammelband wird von zwei Bibliothekaren herausgegeben, die auch für die im Hintergrund stehende Tagung 2007 verantwortlich waren: Ralph Andraschek-Holzer leitet die Topographische Sammlung der Niederösterreichischen Landesbibliothek, Hei­demarie Specht ist Archivarin im Diözesanarchiv von St. Pölten.

Innerhalb des äußerst allgemein betitelten Gesamtwerkes wird das Gebotene verschiedenen Rubriken zugeordnet: »Die Orden im Einzelnen«, »Mendikanten in Stadt und Land«, »Die Rolle der Zäsuren«, »Kunst und Wissenschaft« und »Geistigkeit«. Unter jeder Rubrik folgen zwischen vier und zehn verschiedene Aufsätze. Um einen zumindest überblicksartigen Eindruck von der Vielfältigkeit der behandelten Einzelthemen zu vermitteln, seien die Aufsätze der einzelnen Rubriken (mit Autor/Autorin und Titel) aufgerufen.

Unter der Rubrik »Die Orden im Einzelnen« finden sich folgende Beiträge: Johann Tomaschek, »Die Admonter Benediktiner und der ›Ordo Praedicatorum‹ im 13. Jahrhundert«; Roman Reisinger, »Francesco d’Assisi und seine vehementen Predigten gegen den Bürgerkrieg zwischen italienischen Städten«; Marcin Bukala, »Mendicant Friars and Medieval Notions and Ideas of Economic Life«; Ulrich Knapp, »Bettelorden im Spannungsfeld der Macht«; Stephan Panzer, »Die Geschichte der Karmeliten im Mittelalter – Schwerpunkt Oberdeutsche Provinz«; Marianne Sammer, »Ideengeschichtliche Aspekte karmelitischer Marienverehrung«; Edeltraud Klueting, »›Historiam provinciae et conventuum tenere‹. Zur Geschichtsschreibung des Karmeliterordens (O. Carm.)«; Carlos Watzka, »Der Hospitalorden des Heiligen Johannes von Gott in der Habsburgmonarchie 1605–1781«; Elisabeth Pauli, »Der Orden der Allerheiligsten Dreifaltigkeit von der Erlösung der Gefangenen und seine Tätigkeit in den habsburgischen Ländern (1688–1783)«.
In der zweiten Rubrik »Mendikanten in Stadt und Land« folgen diese Beiträge: Anne Müller, »Lokale Grenzen universaler Expansion. Fallstudien zu Geltungskämpfen zwischen Franziskanern und Benediktinern in der mittelalterlichen englischen Stadt«; Susanne Fritsch, »Augustiner in der Stadt. Ansiedlung, Position und Aufgabe der Augustinerklöster in spätmittelalterlichen Städten«; Jure Volcjak, »Das Dominikanerinnenkloster Velesovo/Mi­chel­stetten im Laufe seines Bestehens«; Iris Holzwart-Schäfer, »Körperlich eingeschlossen, aber geistig frei? Handlungsspielräume religiöser Frauengemeinschaften in der Reichsstadt Esslingen am Neckar (13.–16. Jh.)«; Maximilian G. Kroiß, »Die Einnahmen und Ausgaben des Abensberger Karmelitenkloster im 18. Jahrhundert«; Christian Plath, »Die Bedeutung der Thüringischen Franziskanerprovinz für das religiöse Leben im 17. und 18. Jahrhundert«.
Die dritte Rubrik (»Die Rolle der Zäsuren«) umfasst nur vier Aufsätze: Gabor Sarbak, »Der Paulinerorden an der Schwelle der Neuzeit«; Tomas Cernusak, »Die Dominikanerklöster in Mähren in nachjosephinischer Zeit«; Mary Anne Eder, »Die Zentralklöster der Bettelorden zwischen Säkularisation und Konkordat«; Jiri Mihola, »›Nutzlose und gefährliche Untertanen‹. Zur Aufhebung der Paulanerkonvente der deutsch-tschechisch-ungarischen Provinz in den Jahren 1784–1803«.
Die vierte Rubrik (»Kunst und Wissenschaft«) bündelt diese Beiträge: S. Adam Hindin, »Gothic Goes East. Mendicant Architecture in Bohemia and Moravia (1226–1278)«; Markus Thome, »Die gerade geschlossene Halle als Kirchenraum bei Bettelorden und Zisterziensern im ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhundert«; Barbara Schedl, »Herzogshof und Frauenkloster. Repräsentative Bettelordensarchitektur im Herzogtum Österreich«; Ingonda Hannesschläger, »Konvente der Dominikanerobservanten in Norditalien, c. 1390–1550. Neue Aspekte zu Architektur und Ausstattung«; Stefan Bürger, »Die Franziskanerklosterkirchen von Kamenz und Torgau und ihr Verhältnis zur Architektur der Pfarrkirchen um 1500«; Christine Andrä, »Buchmalerei für die Regensburger Dominikanerinnen. Das Lektionar von Heilig Kreuz«; Susanne Hehenberger, »Der kaiserliche Schatz bei den Kapuzinern in Wien. Zur materiellen Kultur habsburgischer Frömmigkeit«; Rainer Paulus, »Der kaiserliche Schatz bei den Kapuzinern in Wien. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte eines habsburgischen Sakralschatzes«; Walpurga Oppeker, »Barocker Bücherwurm auch bei den Bettelorden?«; Ralph Andraschek-Holzer, »Klosteransichten aus Herzogs Franziskanerkosmographie. Typologie und Quellenwert«.
Unter der Überschrift »Geistigkeit« bietet die fünfte Rubrik folgende Aufsätze: Karl Brunner, »Theorie als Praxis, Praxis als Theorie. Humbert von Romans und Thomas von Aquin«; Sonja Reisner, »Konkurrenz auf dem ›geistigen Markt‹. Dominikanische Wunder- und Mirakelbücher des 13. Jahrhunderts im Lichte neuer motivgeschichtlicher Forschungen«; Zdenek Uhlir, »Heinrich Bitterfeld aus Brieg/Brzeg OP und sein Abschlusstraktat im Rahmen seiner Re­form­tätig­keit«; Carola Jäggi, »Gräber und Memoria in den Klarissen- und Dominikanerinnenklöstern des 13. und 14. Jahrhunderts; Annette Löffler, »Wissenschaft und Spiritualität im Lichte des Buchbesitzes der Franziskanerkonvente in Leipzig und Chemnitz am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit«; Pierantonio Piatti, »Die Seelsorge der Augustiner als ›cura monialium‹ zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit«; Andreas H. Scholten, »›Ende als alle die werelt gherne soude ten dansse gaen, dat wij dan sullen in ons gebeth gaen!‹ Entzifferung eines verlorenen Sprechkontextes anhand einer spätmittelalterlichen Predigthandschrift aus dem Karmelitinnenkloster ›Onze Lieve Vrouw van Troost‹ in Vilvoorde bei Brüssel«; Norbert Medgyesy-Schmikli, »Franziskanische Spiritualität am Beispiel der barocken Mysterienspiele von Csiksomlyo«.


Tatsächlich ist die Fülle des Gebotenen beeindruckend, selbst wenn die Zuordnung der Einzelbeiträge zu den Rubrikenüberschriften oftmals keinesfalls zwingend, stattdessen bisweilen eher willkürlich wirkt. Allzu vielfältig sind die behandelten Themen, die einbezogenen Bettelorden und die berücksichtigten Epochen. Deutlicher noch: Der Titel des Sammelbandes ist ebenso wenig konturiert wie die Betitelung der Einzelrubriken. Unter den Aufsätzen, die spiritualitätsgeschichtliche Zugänge ebenso berücksichtigen wie ökonomiegeschichtliche, architekturgeschichtliche ebenso wie musikgeschichtliche, religionsgeschichtliche ebenso wie sozialgeschichtliche, regionalgeschichtliche ebenso wie landeskundliche, buchgeschichtliche ebenso wie kunstgeschichtliche, beziehen sich manche Beiträge auf das Hoch- und das Spätmittelalter, andere auf die Frühneuzeit und die Neuzeit; einige legen den Akzent auf das östliche Mitteleuropa, andere auf das westliche Mitteleuropa, wieder andere sind von überregionaler Reichweite.
Wenn die Herausgeber in ihrem »Vorwort« die inhaltliche Breite der Beiträge so charakterisieren, dass »die Strenge des einstigen Konzepts durch die Vielfalt der vorgeschlagenen Themen glücklicherweise gemildert« wird, dann kann Derartiges nur als Verschleierung eines entweder nie vorhanden gewesenen Gesamtkonzepts oder eines zwischenzeitlich verloren gegangenen Basisplans gedeutet werden. Jedenfalls ist es bedauerlich, dass auf diese Weise beachtenswerte Bausteine für die Rekonstruktion des Bettelordenswesens in Mitteleuropa beinahe wie eine Nadel im Heuhaufen versteckt werden. Ebenso ist es den Herausgebern anzulasten, dass sie nicht einmal die zentralen Stichworte des Gesamttitels in ihrem »Vorwort« plausibel erläutern und eingrenzen sowie zu Leitkate­gorien der einzelnen Rubriken erheben. Da der Verlag zudem auf jede Art von Register verzichtet, bleibt der Leser auch in diesem Punkt auf sich allein gestellt.
Immerhin hätte das Archiv- und Bibliotheksmetier, dem die beiden Herausgeber beruflich verbunden sind, die Chance für einen womöglich buchgeschichtlichen oder archivgeschichtlichen Zugang zu den Bettelorden in Mitteleuropa geboten. Diese Möglichkeit wurde mit der vorliegenden Publikation vertan. Anzuzeigen ist somit ein kaum geordnetes Sammelsurium verschiedenster Beiträge. Der Leser, der sich trotz dieses Grunddilemmas die Mühe macht, den Sammelband zu konsultieren, wird freilich durch manch lesenswerten Beitrag belohnt. Zu den besonderen Früchten dieses Bandes dürften die Überlegungen von Johann Tomaschek zum Thema »Die Admonter Benediktiner und der ›Ordo Praedicatorum‹ im 13. Jahrhundert« sowie Anne Müller mit ihrem Beitrag zu den »Geltungskämpfen zwischen Franziskanern und Benediktinern in der mittelalterlichen englischen Stadt« gehören; denn beide Beiträge erheben religions- und sozialgeschichtliche Perspektiven zu Leitkategorien ihrer Beiträge, und beide charakterisieren das Bettelmönchtum durch einen Vergleich mit Ausprägungen des weltabgewandten Mönchtums.