Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | Juli/August/2009 |
Spalte: | 854–856 |
Kategorie: | Praktische Theologie |
Autor/Hrsg.: | Goder-Fahlbusch, Sigrid |
Titel/Untertitel: | Weiterbildung: Management in der Diakonie.Führungskompetenz zwischen Komplexität und der Suche nach Gewissheiten. |
Verlag: | Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2008. 283 S. m. 1 Abb. 8° = Veröffentlichungen des Diakoniewissenschaftlichen Instituts an der Universität Heidelberg, 35. Kart. EUR 20,00. ISBN 978-3-8253-5430-5. |
Rezensent: | Eberhard Hauschildt |
Diese Veröffentlichung geht zurück auf einen Projektauftrag der Stiftung der Evangelischen Kreditgenossenschaft Kassel vom Herbst 2001 an das Diakoniewissenschaftliche Institut an der Universität Heidelberg, mit dem die erziehungswissenschaftlich ausgebildete Vfn. betraut wurde. Es ging darum, »Elemente für Studium, Fort- und Weiterbildung zu entwickeln, die flexibel einsetzbar sind« (11), und dabei auf den Bedarf in der Diakonie an Managementausbildung zu reagieren. Über den Zeitpunkt des Projektendes finden sich keine Angaben.
Nach einer Einleitung diskutiert das zweite Kapitel die Grundbegriffe »Management« und »Organisation«, ein weiteres Fragen des Verhältnisses von Kirche und Diakonie sowie Diakonie und Management. Die Literaturbasis ist schmal, hat ihren Schwerpunkt gegen Ende der 1990er Jahre und reicht in einzelnen Titeln bis zum Jahr 2003 (vielleicht Zeitpunkt des Projektendes?). Es folgt ein Kapitel über die Mitarbeitenden in der Diakonie (Professionalität, Frauen in der Diakonie, Ehrenamtliche), in dem auch etwas jüngere Literatur berücksichtigt ist. Am Schluss dieser drei Kapitel wird eine jeweils kurze »Zusammenfassung« formuliert, die die Relevanz der Erkenntnisse für die Weiterbildung festhalten soll: Kapitel 2: Management und Organisation sind »Schlüsselbegriffe«; ein Managementkonzept sollte »das Ganze in den Blick nehmen« (43). Kapitel 3: »[Z]entrales Anliegen« ist »die gleichwertige Auseinandersetzung mit dem theologischen Reich der Diakonie und dem weltlichen der Ökonomie, um diese in einem nächsten Schritt und für Diakonie identitätsfördernd miteinander zu verknüpfen« (92). Kapitel 4: Die »Suche nach Werten« einerseits und Dilemmata des Burn-outs kennzeichnen die Situation des Personals (156).
Am ausführlichsten ist Kapitel 5: »Die empirische Untersuchung« (158–216). Nach Erörterung der methodischen Grundfragen im Anschluss an Mayring und Lamnek werden drei moderierte Gruppendiskussionen mit dem Führungspersonal von je einer Einrichtung präsentiert – einer »diakonische[n] Einrichtung in den neuen Bundesländern, die von einer im sozialpädagogischen Aufgabenfeld qualifizierten Frau geführt wird«, einem »Landesverband in den Altbundesländern, der von einem Theologen geführt wird«, und »eine[r] diakonische[n] Einrichtung in den Altbundesländern mit juristisch-wirtschaftlich qualifiziertem Leiter« (178). Den Gruppen wurde die Aufgabe gestellt, Kompetenzen für Führung in Diakonie zu formulieren und im Anschluss daran hierarchisierte Kriterien für die Ausbildung dazu zu finden. Im Ergebnis zeigte sich eine große Kohärenz der drei Gruppen bei der Bestimmung von sieben Kompetenzbereichen (184–187). Interessanter ist die typisierte Darstellung der Unterschiede in den drei Diskussionen in Hinsicht auf maximalen Kontrast (187–205). Auf so schmaler Datenbasis die durchaus interessanten Beobachtungen zu Unterschieden nach Geschlechtern, nach Berufsgruppen und Alt- und Neubundesländern (202–216) als »Typisierung« zu verstehen, halte ich für methodisch gewagt. Das Ergebnis der empirischen Untersuchung ist »weder völlig neu noch spektakulär« (215). Überrascht hat die Vfn., dass der »Begriff und die Tätigkeit des Führens ... weit weniger problematisch als angenommen« sind (ebd.). Sie hält es für ein Ergebnis, dass vorzugsweise »rezeptive Wissensvermittlung« nicht weiterführt und »selbstreflexiv« am »eigenen Führungsstil [zu] arbeiten« erforderlich sei.
Kurz werden in Kapitel 6 »Erkenntnisse aus Theorie und Empirie« (217–225; Meifferts Leadership-Dreieck, Überlegungen zum Autoritätsbegriff) dargeboten. Ausführlicher ist die Darstellung wieder in Kapitel 7: »Das Weiterbildungsprogramm Management in der Diakonie« (226–258). Nach Aussagen zum Pädagogikdiskurs über Weiterbildung (227–232) werden als Rahmenbedingung der Weiterbildungselemente »Teilnehmerorientierung und Zeitstruktur«, »[d]ie Einführung von Ritualen« und »Methodenvielfalt« angesprochen (232–240). Dann folgt ein Weiterbildungsprogramm mit Nennung aller Teilziele und Teilinhalte der fünf »Weiterbildungselemente« »Theologisches und diakonisches Grundlagenwissen und Handeln«, »Kommunikation, Motivation und Konfliktmanagement«, »Betriebswirtschaftlich Denken und Handeln«, »Führung und Organisationsstrukturen«, »Sich und andere führen«.
Kapitel 8 als abschließender »Ausblick« über »[z]ukünftige Entwicklungen und Herausforderungen« (259–264) plädiert für runde Tische und lebenslanges Lernen. Hier kommt auch zum Ausdruck, wie die Vfn. grundsätzlich Theologie im Verhältnis zu einer »konstruktivistischen Pädagogik« positioniert, wenn es heißt: Es »können Theologie und Diakonie für die erforderlichen Gewissheiten sorgen, während der Konstruktivismus vor dem Hintergrund dessen, dass er Lebenswelt als zukunftsoffenen Prozess lebenslangen Lernens versteht, auf die Erfordernis des Wandelns verweist.« (261) Theologie schlicht und einfach als Normierung zu behandeln (vgl. neben 15 vor allem 224: » Normativ müssen in einer Fortbildung für Mitarbeitende der Diakonie christliche Wertehaltungen und ein christliches Menschenbild gesetzt werden, wie in Kapitel 3 in dieser Studie erörtert.«), halte ich für fahrlässig unterkomplex. Auch wird im glatten Widerspruch zum im Ausblick vertretenen konstruktivistischen Ansatz an anderer Stelle schlicht auf »das Menschenbild in der Pädagogik (vgl. Kapitel 3.4.2)« verwiesen und dies zur »Basis des Weiterbildungskonzeptes« gezählt (226).
Was ist das Ziel des Buches? Es berichtet von einem Projekt zum Aufbau eines Weiterbildungsstudiengang-Modells. Eine umfassendere Darstellung zur Weiterbildung für Managementaufgaben in der Diakonie – deren Theorie wie deren praktische Realisierung (an der Bonner theologischen Fakultät gibt es einen entsprechenden interdisziplinären Studiengang seit 2001) –, die man auch unter dem Titel erwarten könnte, bietet es nicht. Auch als wichtigen Beitrag zum diakoniewissenschaftlichen Theorie-Diskurs kann ich es nicht einschätzen. Am verdienstvollsten ist die Realitätsnähe der ausführlichen Beschreibung der drei unterschiedlichen Gruppendiskussionen. Die Theoriebildung zu Nonprofit-Organisationen ist so gut wie nicht im Blick. So bleibt auch das, was das Buch im Jahr 2008 zum Verhältnis von Ökonomie und Theologie sagt, weit hinter dem Stand der Debatte zurück, wenn es heißt: »Ziel des Weiterbildungselementes [betriebswirtschaftliches Denken und Handeln] ist es, die vielerorts beklagte Unvereinbarkeit zwischen Theologie und Ökonomie zu minimieren, ohne dabei die wirtschaftswissenschaftliche Theorie jener der Theologie überzuordnen.« Dass für eine Ausbildung für Führungskräfte an den Bachelorlevel gedacht wird (244), überrascht. Die Praxis z. B. des jüngst reakkreditierten Masterstudiengangs »Unternehmensführung im Wohlfahrtsbereich« am Diakoniewissenschaftlichen Institut in Heidelberg ist über das, was das Buch bietet, längst hinausgegangen – nicht zuletzt in erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Hier wird der Aufbau der Weiterbildungsmodule natürlich aus den zu vermittelnden Kompetenzen selbst entfaltet.