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Ausgabe:

März/2009

Spalte:

324-325

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron unter d. Leitung v. R. Gryson.

Verlag:

Bd. 7/3: Hester. Hrsg. v. J.-C. Haelewyck. Fasc. 4: Est 4,7–6,2. Freiburg: Herder 2008. S. 241–320. 4°. Kart. EUR 64,00. ISBN 978-3-451-00294-6. Fasc. 5: Est 6,3 – fin. Corrections et complements. Tables. Freiburg: Herder 2008. S. 321–440. 4°. Kart. EUR 96,00. ISBN 978-3-451-00295-3.

Rezensent:

Gert Haendler

Der letzte Bericht über das Unternehmen Vetus Latina in ThLZ 133 (2008), 1211, stellte fest, dass 2007 keine Lieferung erschienen war. Jetzt gibt es einen erfreulichen Fortschritt: Jean-Claude Haelewyck (Louvain-La-Neuve) legte die Lieferungen 4 und 5 des Bandes 7/3 mit dem Text des Buches Esther vor, der dadurch abgeschlossen wurde. In der Lutherbibel steht das Buch Esther in einer Kurzform in den Apokryphen: sieben Kapitel »Stücke zu Esther. Aus der griechischen Übersetzung des Buches Esther«. Die Fassung der Vetus Latina führt bis Kapitel 11, doch ist die Zählung der Kapitel in den verschiedenen Überlieferungen unterschiedlich.
Kapitel 1 beschreibt 20 Handschriften mit altlateinischen Textformen des Buches Esther. Freilich bieten nur vier Handschriften den ganzen Text (10–17). Haelewyck hält sich an das Verzeichnis der Vetus Latina in der 4. Auflage von Frede 1995, die 5. Auflage von Gryson 2007 war damals noch im Entstehen. Kapitel 2 erörtert die Prologe und Summarien (18–27). So bezeichnete Hieronymus eine Übersetzung als »Librum Hester variis translationibus« und schreibt 404, er habe das Buch »de archivis Hebraeorum elevans verbum e verbo« übersetzt (19). Es gab also damals eine hebräische Fassung. Besonders gründlich geht Haelewyck auf die cassinensische Kapitelreihe ein, »car elle ne cadre pas totalement avec le texte vulgate« (15).
Kapitel 3 nennt historische Werke in lateinischer Tradition, die eine verschieden lange Darstellung der Esther-Geschichte bringen. Die Chronik des Sulpicius Severus war kurz nach 400, der Liber de promissionibus des Quodvultdeus zwischen 445 und 451 entstanden. Hier wird in Esther bereits »une figure de l’Église« gesehen (28). Kapitel 4 berichtet über Esther in der Liturgie. Die Gebete von Mardochai und Esther wirkten auf die mozarabische Liturgie und gelangten von da aus auch in die Liturgie von Mailand und Rom. Die aus dem Buch Hester gewonnenen Antiphonen enthalten auch altlateinische Lesarten (31–33).
Größte Bedeutung kommt Kapitel 5 zu: Les types de texte (34–69). Esther-Zitate lateinischer Kirchenväter sind selten. Zitate von Rufin, Hieronymus und Augustin werden untersucht (34–40). Es fällt auf, dass Zitate der sonst für den Vetus-Latina-Text so wichtigen älteren nordafrikanischen Kirchenväter Tertullian und Cyprian nicht überliefert sind. Die Untersuchung der Augustin-Zitate zeigt jedoch, dass in Nordafrika in der ersten Hälfte des 5. Jh.s ein Esther-Text im Umlauf war, der sich von den europäischen Texten deutlich unterschieden hat (39). Die große Mehrheit der Überlieferungen stammt aus dem merowingischen Gallien.
Den ältesten Text überliefert Textform R, speziell Manuskript VL 151 von Corbie (40–46). Es folgen VL 155, der Papyrus von Antinoopolis, und VL 130, ein Manuskript in München (46–51). Auch für den Texttyp I werden drei Manuskripte beschrieben, darunter VL 123, der Text von Vercelli (51–56). Die Textform R bietet eine europäische Überlieferung, die Textform I eine italienische Überlieferung. Als Textform J wird die Lyoner Handschrift VL 146 genannt, die auf eine ältere lateinische Übersetzung zurückgeht. Als Textform F kommt die Überlieferung in der Bibel von Alcala (VL 109) in den Blick, die Prosper von Aquitanien und Sulpicius Severus benutzten und die 370/75 auch in Rom bekannt war (64).
Eine feste Größe seiner Edition war für Haelewyck der griechische Text des Buches Esther, den Robert Hanhart 1983 für die Septuaginta-Ausgabe der Göttinger Akademie der Wissenschaften als Band VIII/3 vorgelegt hatte. Dieser Text bietet zwei Versionen, die Hanhart als Lesarten L und o’ unterschieden hatte (70–72). In der Vetus-Latina-Ausgabe stehen sie als oberste Zeilen. Diese doppelte Textform hatte zu der Vermutung geführt, dass der Vetus-Latina-Text des Buches Esther eine ältere griechische Form durchschimmern lasse, die in der direkten Tradition nicht erhalten sei (85). Dazu formuliert Haelewyck seine Sicht mit der Teil-Überschrift: Le modèle grec de la vetus latina est la première forme grecque du livre (84–95). Auch die Vulgata, deren editio Romana in Band 9 (1951) das Buch Esther enthält, bietet das Buch Esther in zwei Überlieferungen unter den Buchstaben H und O (64 f.). Zwischen der Septuaginta und der Vulgata stehen die verschiedenen altlateinischen Überlieferungen.
Diese Zusammenhänge hatte Haelewyck in der Einführung dargestellt. Ab S. 101 folgte der Abdruck der Texte. Die letzte Lieferung trägt nur wenige Korrekturen und Ergänzungen nach (436). Ein Index der Manuskripte und Autoren beschließt den Band (437–440). Man kann dem Unternehmen nur wünschen, dass weitere Bücher so zügig erscheinen mögen wie der jetzt abgeschlossene Band 7/3.