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Ausgabe:

Februar/2009

Spalte:

170-172

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bell, Richard H.

Titel/Untertitel:

Deliver Us from Evil. Interpreting the Redemption from the Power of Satan in New Testament Theology.

Verlag:

Tü­bingen: Mohr Siebeck 2007. XXIV, 439 S. gr.8° = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 216. Geb. EUR 99,00. ISBN 978-3-16-14452-9.

Rezensent:

Marius Reiser

In exegetischer Hinsicht befasst sich der Autor, Dozent an der University of Nottingham, hauptsächlich mit den Exorzismen Jesu und Erlösungskonzeptionen bei Paulus, im Epheser-, Kolosser- und im Hebräerbrief. Der Hauptteil des Buches ist aber philosophischer Natur. Seine Leitfrage lautet: Wie ist es zu verstehen, dass die Austreibung mythischer (oder mythologischer) Figuren wie Dä­monen sich in Form von Heilungen auf die physische Welt auswirkt? Wie ordnen wir das Mythische in eine philosophische Weltanschauung ein? R. Bultmanns Programm der Entmythologisierung ist unbefriedigend. Den Schlüssel zur Antwort findet B. stattdessen bei Arthur Schopenhauer.
Das Korpus des Buches umfasst acht Kapitel. Das erste Kapitel bietet einen knappen Überblick über das biblische und außerbiblische Material zu teuflischen und dämonischen Figuren (10–23). Dann geht es um das Thema »Mythos« (23–65). Dabei fällt auf, dass der Begriff selbst nirgends problematisiert wird. B. scheint davon auszugehen, dass alle antiken und modernen Autoren darunter dasselbe verstehen.
Das 2. Kapitel ist den Exorzismen Jesu gewidmet (65–114). Nach B. spricht der Befund für ihre Historizität. Damit stellt sich die philosophische Frage, welchen ontologischen Status sie haben. Die Antwort findet B. im 3. Kapitel (115–188) mit Kant, Schopenhauer und vielen anderen Denkern, die irgendwie herangezogen werden. Für Schopenhauer selbst lässt sich B. von Bryan Magee leiten. Zu­nächst unterscheidet er »the phenomenal world and the noumenal world« (135). Während es nun nach Kant von der Welt der Erscheinungen zum Ding an sich (»Noumenon«) keinen Zugang gibt, meint Schopenhauer doch einen gefunden zu haben: die Kunst. Diesen Weg ergänzt B. nun durch den des Mythos. »Myth pene­trates/represents this Schopenhauerian noumenal world« (171). Die Kapitel 4–6 (189–318) behandeln die Frage der Partizipation am Erlösungswerk Christi. Hier kommen auch Taufe und Eucharistie zur Sprache. Das 7. Kapitel (319–340) behandelt »The Truth of the Myth of Redemption from Satan«. Die Exorzismen Jesu deutet B. als Sprechakte, die Erfolg haben »because of who he is« (339). Nur der Glaube kann die Wahrheit des Mythos erkennen (340).
Das 8. Kapitel bietet »Conclusions« (341–360). B. schreibt: »One of the things I have attempted to do in this work is to replace the old nature/supernature dichotomy with a world of phenomena and noumena (or noumenon) on the one hand and God on the other. The devil, demons, angels and souls all belong to the world, albeit the noumenal world. But God transcends this world of phenomena and noumena. Essentially I am demoting Satan to a mythical figure which, according to the biblical tradition, is where he belongs. This I think is a healthy counterbalance to some modern popular evangelical thought (and, as we shall see, some sixteenth century thought), which credits Satan with dignity, viewing him as ›His Infernal Majesty‹ or something similar« (352).
Der Rezensent hat den Eindruck gewonnen, dass der gesamte etwas dilettantisch wirkende Aufwand an Philosophie in diesem Buch am Ende doch Flitterwerk ist, um eine aufs Ganze gesehen traditionell christliche Weltanschauung etwas moderner erscheinen zu lassen. Brauchen wir wirklich einen so sehr gegen den Strich gebürsteten Schopenhauer, um »mythische« Elemente in der Bibel zu verstehen? Auch wenn sich Rudolf Bultmanns Entmythologisierungsprogramm als Holzweg herausgestellt hat: B.s Ansiedlung der Teufel und Dämonen im Raum der Noumena führt wohl kaum weiter. Was man am meisten vermisst, ist eine Begriffsklärung dessen, was B. unter »Mythos« versteht. Leider ist ihm G. B. Cairds Buch »The Language and Imagery of the Bible« (London 1980) nicht in die Hand gefallen, obwohl er drei andere Werke dieses Autors anführt. Darin hätte er das Fehlende finden können. Caird nimmt nämlich die notwendigen Begriffsdifferenzierungen vor und versteht den Mythus, zumal in der Bibel, als eine besondere Form der Metapher (a. a. O., 219–242). Mit diesem Ansatz lassen sich B.s Sachprobleme ohne allzu gewagte Philosophoumena lösen, und es bleibt auch dann bei Hamlets Weisheit, mit der B. schließt: »There are more things in heaven and earth, Horatio,/Than are dreamt of in your philosophy.«