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Ausgabe:

November/1996

Spalte:

1026–1028

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Heubach, D. Joachim]; Hrsg. von B. Hägglund u. G. Müller

Titel/Untertitel:

Kirche in der Schule Luthers (Festschrift für D. Joachim Heubach)

Verlag:

Erlangen: Martin-Luther-Verlag 1995. 462 S. 8°. Kart. DM 58,­. ISBN 3-87513-100-2.

Rezensent:

Joachim Rogge

Sit venia verbo: In mancher Hinsicht ist die Festschrift für Joachim Heubach zu seinem 70. Geburtstag der Jubilar selbst! Die Themen seines Lebens werden referiert, viele seiner Thesen rezitiert, wichtige Stationen seines Lebens, Bereiche seines Wirkens rekapituliert. Das ist interessant zu lesen und stellt einen Menschen intellektuellen, ja geistlichen Reichtums vor. Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe hatte wichtige Nebenämter, hat sie z. T. noch. Die leitenden Vertreter von zwei intensiv durch Heubach begleiteten Institutionen haben sich zusammengetan, um den Jubilar zu ehren. Der Präsident der Luther-Akademie Ratzeburg und des Martin-Luther-Bundes hat für beide Institutionen eine Vielzahl von Innovationen und Wegemarkierungen entwickelt, die mit Sicherheit weiterwirken werden. Davon berichten B. Hägglund, S. Siegert, G. Müller und R. Keller in einem kurzen, aber inhaltsreichen Geleitwort. (9 f.) "Zusammen mit Theologen aus Finnland und Skandinavien war es Ihre Idee, eine Stätte der Forschung und Begegnung zu schaffen, die besonders den Kontakt zu Theologie und Kirche in den nordischen Ländern halten sollte...".

Neben den Aufgaben in seiner Landeskirche, in der Lutherischen Liturgischen Konferenz und der Seelsorge im Bundesgrenzschutz übernahm Heubach 1985 auch noch die Präsidentschaft des Diasporawerkes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, so daß die Ausdehnung seines Wirkens auch noch Teile Osteuropas, u. a. Siebenbürgens und des Baltikums, einbezog. Umfang und Inhalte weiter Reisen auch in das heutige Rußland hinein zeichnen sich durch die Inhalte der Beiträge in der vorliegenden Festgabe ab, wenn etwa der Bischof der evangelischen Gemeinden im Osten mit einem geradezu riesigen Wirkungsgebiet, Georg Kretschmar, in einem der längsten Beiträge über Kriterien von Kirche und Bischofsamt auf dem Hintergrund reformatorischer Theologie handelt. (231-279, s. besonders 277 f., Anm. 78)

Die Festschrift ist sechsfach gegliedert: Lutherforschung, Systematische Theologie, Historische Theologie, Praktische Theologie, Ökumene, Erinnerungen sind die Leitbegriffe, deren Sortierung von der Themenfolge her nicht ganz strikt durchgehalten wird. Lutherrezeption, Lutherforschung erscheint in dem vorliegenden Band als absolute Dominante und nicht nur sub voce "Lutherforschung". Auf dem Hintergrund der Theologie und Lebensleistung Luthers geben fast alle Beiträge wieder, was "Möglichkeiten und Aufgaben lutherischer Kirche heute" sind (Untertitel des Aufsatzes von G. Müller, 175). Das alles entspricht weitestgehend nicht nur gelegentlichen Arbeitsvorhaben des Jubilars, sondern reflektiert positiv weiter, was buchstäblich seinen Lebenstrend ausmachte.

Der Band enthält 33 Beiträge von ebenso vielen Vff. Ausnahmslos alle sind Joachim Heubach auf seinem Lebenswege theologisch, kirchlich, menschlich nahegekommen, und wir haben hier in der Tat in großer Zahl "Zeichen der Dankbarkeit und Hochschätzung" (9) vor uns, die inhaltlich deutlich begründet und richtungsmäßig relativ homogen angelegt sind. Das alles im einzelnen aufzuzeigen, übersteigt den hier gebotenen kleinen Raum einer Rezension.

Es ist beeindruckend, daß in einer Zeit auch pluralistischer Diffusion in den theologischen Aussagen und Haltungen die Geschlossenheit einer lutherischen Position auch im Blick auf Zukunft in einem Band vorgetragen wird. Liebe und Wertschätzung greifen dabei terminologisch sehr hoch, und sie sind wohl nur erklärbar aus der Begegnung mit einer profilierten Persönlichkeit, deren Konturen immer eindeutig in der ekklesiologischen Landschaft erkennbar waren. Der Schwede Berglund kann Heubach denn auch als "lutherischen Katholiken" (455) bezeichnen, der in wichtigen Phasen theologischer Auseinandersetzung "die Stimme der Kirche" war. (460) Die Zurückhaltung Heubachs im Blick auf die 1973 beschlossene Leuenberger Konkordie wie die Reserve gegenüber der Frauenordination (R. Slenczka, 185-198) wie manche andere Eckposition Heubachs in der heutigen theologischen Auseinandersetzung werden in einer Reihe von Beiträgen aufgenommen, zustimmend, je das eigene Ambiente berücksichtigend, so daß man trotz der Vielzahl der Aufsätze sagen kann: Die Festschrift ist aus einem Guß und schwerlich vergleichbar mit vielen anderen Festgaben, die ­ ad bonam partem sei´s gesagt ­ ein Sammelsurium von Themen und Thesen zum Inhalt haben.

Der Rez., der seine eigene Wertschätzung für das Lebenswerk Heubachs gern bekennen möchte, sieht sich außerstande, den großen Rahmen des hier Vorgelegten angemessen und ausreichend zu referieren geschweige denn zu würdigen. Die Geschlossenheit des Ganzen hat ihre Weite und ihre Enge, was die reflektierten Diskussionsgegenstände für manche notvollen und gar nicht eindeutig geklärten Themenbereiche in Theologie und Kirche angeht. Es ist in dem vorgegebenen Rahmen nicht anders zu machen, als daß im folgenden Stichworte die Relevanz, aber auch die Eindeutigkeit des Verhandelten zumindest kennzeichnen:

1. Lutherforschung: Luther als Prediger (U. Asendorf); Scholion Luthers zu Ps 110, 1-2 (K. Bornkamm); Trostbriefe Luthers an Leidtragende (G. Ebeling); Der "character indelebilis" der Taufe (E. Huovinen); Seelsorge und theologische Beratung für Diasporagemeinden (R. Keller); Die göttliche Eigenschaft der Freiheit in Luthers Theologie (T. Mannermaa); Luthers Verständnis des Begriffs "öffentlich" (B. T. Oftestad).

2. Systematische Theologie: Jesu Auferstehung als Ausgangspunkt der Christologie (T. Austad); Disputationskunst und Seelsorge ­ mein Weg in der Schule Luthers (O. Bayer); Vom Entstehen der Eschatologie und des Wortes Gottes (F. Beißer); Das Leben bedarf der Lehre (H. C. Knuth); Erwägungen zum Lehramt in der evangelischen Kirche (E. Lohse); "Credo... ecclesiam sanctam catholicam" ­ Ein lutherisches Bekenntnisdefizit? (P. Lønning); Freimut und Gelassenheit ­ Möglichkeiten und Aufgaben lutherischer Kirche heute (G. Müller); Ist die Kritik an der Frauenordination eine kirchentrennende Irrlehre? (R. Slenczka).

3. Historische Theologie: Der unbegreiflich hohe Gedanke der Stellvertretung (J. Glenthøj; Von der wahren Kirche ­ Eine Diskussion in der nachreformatorischen lutherischen Theologie (B. Hägglund); Die Beauftragung zum geistlichen Dienst in den lukanischen Schriften (H. Klein); Die Wiederentdeckung der "Apostolischen Sukzession" im Umkreis der Reformation (G. Kretschmar); Bugenhagens De coniugio episcoporum et diaconorum (M. Schild).

4. Praktische Theologie: Welche Funktion hat die systematisch-theologische Reflexion für die Predigtvorbereitung? (F. Hauschildt); Glauben lernen ­ mit der Familie (K. Hauschildt); "Miteinander reden" ­ Bibelarbeit über Gen 13, 1-13 (H. Herrmanns); Die reformatorische Neuordnung der geistlichen Kleidung in der siebenbürgisch-sächsischen Kirche (C. Klein); Ein fast vergessenes Fest ­ Predigt zur Darstellung Christi am 2. Februar (Lk 2,22-40) (C. Möller); Überlegungen zu einem zeitgenössischen Werktagslektionar als Perikopenbuch zur Ordnung der Predigttexte (A. Völker).

5. Ökumene: Lutherisch-Anglikanische Gemeinschaft (L. Grönvik); Das Land der Lebenden ­ Grundtvigs Gedicht von 1824 (T. Jørgenesen); Herausforderungen, Grenzen und Chancen der theologischen Ausbildung in der Evang.-Luth. Kirche in Ungarn nach 1989 (A. Reuss); Der europäische Luther ­ Der Beitrag der Reformation zum Reichtum der Vielfalt (H. Roser); Diaspora ­ ein theologischer Begriff (P. Schellenberg); Lajos Ordass, Herausforderer des totalitären Staates ­ ein Schüler E. Berggravs? (L. G. Terray).

6. Erinnerungen: Ein lutherischer Katholik (S.-O. Berglund). Die Summe des Ganzen ist einfach zu benennen: Ein Buch, mit Liebe zum Evangelium, mit Engagement für die Kirche, mit bewahrendem Grundtenor für lutherische Theologie geschrieben. Wer es anders will, wird sich nach der je eigenen bewahrend-hilfreichen Theologie und Ekklesiologie befragen lassen müssen. Der Jubilar und die Vff. der Beiträge in dieser Festschrift haben ihre Antwort auf die Fragen der Zeit gesagt!