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Ausgabe:

Dezember/2008

Spalte:

1387–1389

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Wirz, Stephan

Titel/Untertitel:

Erfolg und Moral in der Unternehmensführung. Eine ethische Orientierungshilfe im Umgang mit Ma­nagementtrends.

Verlag:

Frankfurt a. M. u. a.: Lang 2007. 297 S. 8° = Moderne Kulturen, Relationen, 9. Kart. EUR 51,50. ISBN 978-3-631-56371-7.

Rezensent:

Andreas Pawlas

In seiner Luzerner theologischen Habilitationsschrift möchte W. nicht nur einen analytischen Beitrag zu einer Ethik der Unternehmensführung leisten, sondern auch »interessierten Management-Vertretern eine ethische Orientierungshilfe anbieten im Umgang mit Managementtrends« (272). W. geht deshalb zunächst auf die ethischen Defizite exemplarischer Managementkonzepte ein und gibt sodann »philosophisch- und theologisch-ethische Anregungen … für ein umfassenderes Verständnis unternehmerischen Handelns« (15).
Seine Analyse beginnt er mit dem Blick auf den »Menschen in der Produktion« (17 ff.), so bei Max Weber (20 ff.) und F. W. Taylor (34 ff.), J. Roethlisberger (48 ff.), D. McGregor (51 ff.), F. Herzberg (55 ff.) und K. Blanchard (58 ff.). Sodann schaut W. auf den Menschen »innerhalb der Unternehmensorganisation« (63 ff.) und stellt die Konzepte von H. Fayol (63 ff.), T. E. Deal/A. A. Kennedy (69 ff.) sowie J. A. Conger/R. N. Kanungo (75 ff.) vor. Dabei bezeichnet er es als »neomechanistische bzw. autoritäre Wende«, wenn Mitarbeiter un­ter dem Deckmantel einer Unternehmenskultur einem »Leader« unbedingten Gehorsam zu leisten hätten (63). Dagegen versteht er die Konzepte von C. Argyris (80 ff.) und R. Likert (86 ff.) als Beiträge zu einer Kultur mündiger Mitarbeiter (90 f.). Anschließend analysiert W. sechs weitere im Spannungsfeld »zwischen Gewinnmaschine und »Corporate Citizen«« (92 ff.) angesiedelte Managementkonzepte, und zwar die von M. Friedman (93 ff.), A. Rappaports (96ff.), R. Eells (101 ff.), H. Ulrich (111 ff.), S. Schmidheiny (118 ff.) und schließlich F. Malik (122 ff.).
Auf Grund seiner Untersuchung meint W. sog. »Minima moralia« für die unternehmerische Verantwortung feststellen zu können, und zwar die vier Eckwerte Funktionalität (129 ff.), Mensch (131 ff.), Gesellschaft (134 f.) und Ökologie (135 f.). Diese gehen ein in seine Anforderungen an die Unternehmensführung aus ethischer Sicht (143 ff.) im Hauptteil des Buches, in dem er die anthropologischen, funktionalen, sozialen und ökologischen Aspekte zusam­menbindet (145 ff.).
Breiten Raum widmet er seinen Ausführungen zur »anthropologische[n] Dimension« und zur »Sonderstellung des Menschen« (146 ff.). Hier entfaltet er zunächst als »Bausteine der philosophischen Anthropologie« die Aspekte der »Positionalität und Exzentrizität« (149 ff.), der »Weltoffenheit, Plastizität und Selbstexpansion« (154 ff.) sowie der Menschenrechte (163 ff.). Er geht katholischer Tradition entsprechend davon aus, dass die menschliche Vernunft die Persönlichkeit zu bilden und (durch »Askese«) Tugenden zu entwickeln habe (160 f.). Daraufhin folgen seine »Bausteine der theologischen Ethik« (166 ff.), wo er angelehnt an W. Korff »Unternehmerisches Handeln im Horizont des Schöpfungs- und Heilshandelns Gottes« nachzeichnet. So etwa folge aus der »imago dei«-Vorstellung, dass Arbeitsplatz, Tätigkeitsprofil usw. entsprechend kreativ zu sein hätten (175). Und ferner erinnert W. zu Recht daran, dass der Erfolg menschlichen Handelns und überhaupt die Welt unter dem eschatologischen Vorbehalt stehen (179 ff.). Dennoch habe die Entfaltung des Menschen sowie die Erhaltung und Erschließung der Schöpfung nicht nur innerweltliche, sondern auch überzeitliche Bedeutung, nämlich im Hinblick auf die »von Gott bewirkte Vollendung« (180 f.). Damit werde den Führungskräften und Mitarbeitern in den Unternehmen »ein Sinnhorizont eröffnet« (182), wobei der Hinweis auf die Endlichkeit jeder Verabsolutierung (der Wirtschaft, des Unternehmens, einer Führungskraft oder eines »Er­folgsrezepts«) entgegenwirke. Dennoch bestehe für den Menschen der Auftrag, im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zur Vollendung der Menschheit und der Welt zu leisten, »ohne sich die Erlösung selbst zumuten zu müssen« (183). Dabei ist schade, dass hier kein Bezug zur lutherischen Berufskonzeption gesucht wird.
Was die konkrete Unternehmensordnung angeht, so will W. sie an die Prinzipien der Personalität, Solidarität und Subsidiarität binden (183 ff.). Es ist zu begrüßen, dass W. hier aus dem Subsidiaritätsprinzip (194) nicht nur wie üblich den Aspekt der Dezentralisierung und eines partnerschaftlichen Führungsverständnisses entwi­ckelt, sondern auch ein »Kompetenzwegnahmeverbot« (193). Wenn W. dann dem Management zum Zwecke des Vorbilds die altbekannte »Mimesis« bzw. »Nachfolge Christi« anbietet, so sei das nicht im Sinne einer Kopie gemeint, sondern als »situations- und zeitgerechte conformitas Christi« (197), und zwar als »ein Leben im Horizont der Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe« (199). Und das sei nicht nur von religiöser Bedeutung, sondern es fördere Charaktereigenschaften, die für die Unternehmensführung als besonders tauglich einzustufen seien (202). Hinsichtlich der funktionalen Dimension plädiert er etwa mit J. Messner dafür, die funktionale Nutzung des Leis­tungsprinzips »aufgrund der dem Gemeinwohl dienlichen Folgewirkungen« ethisch zu rechtfertigen (209), wobei er etwas zu leicht über die durch den Marktmechanismus vollzogene Überführung des »Eigennutzens« in das »Allgemeinwohl« hinweggeht. Fragen des Marktversagens, weshalb Ethik gefordert sei (217), werden nicht ausgiebiger diskutiert. Zur sozialen Dimension rechnet W. sowohl die Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit des Unternehmens (219 ff.), die Führung der Mitarbeiter (221 ff.), auf die er recht ausführlich eingeht, als auch die ökologische Dimension, wobei er sich an dem Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert (244 ff.).
Alle Überlegungen münden schließlich in ein »Ethische[s] Plädoyer für eine nachhaltige moralische Qualität der Unternehmensführung« (260 ff.). Die will er nach dem »Retinitätsprinzip«, das eine Gesamtvernetzung der Managementdimensionen fordert (261 ff.), und dem Prinzip der Equilibration bestimmen, das eine nachhaltige Positionierung des Unternehmens in einem »Korridor des ethisch Verträglichen« bewirken soll (264 ff.). W. stellt am Ende einen dreidimensionalen »Strategie-Kubus« vor, innerhalb dessen es nun Aufgabe der Unternehmensführung sei, die »funktionalen, sozialen und ökologischen Aspekte so zu gewichten und auszubalancieren, dass das Unternehmen nachhaltig in diesem »Korridor« positioniert werden kann« (268). So könnten Führungspersonen angeregt werden, ihre schöpferischen, unternehmerischen Kräfte dafür einzusetzen, die »Symbiose von Erfolg und Moral immer wieder neu zu finden« (274).
Nun hat W. sein Wissen um das Vollendungshandeln Gottes (179 ff.) und damit um die Erkenntnis, dass Erfolg letztlich nicht machbar, sondern Gabe Gottes ist, genügend belegt. Insofern hätte man eigentlich mehr Zurückhaltung bei seiner Rede von einer »Symbiose von Erfolg und Moral« erwarten können. Wie dem auch sei, seine Anregungen bleiben interessant und hilfreich, und deshalb ist dem Werk eine weite Verbreitung in Ökonomie und Theologie zu wünschen.