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Ausgabe:

Oktober/1996

Spalte:

993–995

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Rodriguez, Pedro (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Ecclesiología 30 años después de "Lumen Gentium". Pueblo de Dios –­ Cuerpo de Cristo –­ Templo del Espiritu Santo –­ Sacramento –­ Comunión

Verlag:

Madrid: Ediciones Rialp 1994. 311 S. gr. 8°. ISBN 84-321-3066-4

Rezensent:

Miguel Mª Garijo-Guembe Ý

Bei dem zu besprechenden Werk handelt es sich um eine Dokumentation eines Symposions, das von der Theologischen Fakultät der Universität von Navarra organisiert wurde und dessen Thema die Ekklesiologie ­ 30 Jahre nach der Konstitution Lumen Gentium [LG] ­ war.

Der erste Teil enthält zwei Arbeiten, in denen das Thema historisch-theologisch betrachtet wird. G. L. Müller (München) schreibt über das trinitarische Verständnis der Konstitution (17-38) und stellt zuerst Grundlinien der Entwicklung der Ekklesiologie seit der Gegenreformation bis zum 2. Vatikanum dar. J. A. Dominguez (Sevilla) behandelt das Thema der nachkonziliaren Interpretationen (39-87). Seine Grundthese lautet: In der nachkonziliaren Zeit hat man sich übermäßig auf den Begriff "Volk Gottes" konzentriert, ein Begriff, der als die ekklesiologische Kategorie des 2. Vatikanums gesehen wurde, und das sei falsch (46). Diese Richtung ist s. M. n. in den Werken von L. Boff, J. M. Castillo (Granada), R. Velasco (Madrid), J. A. Estrada (Granada) zu finden. Der Begriff "Volk Gottes" wurde häufig als Kirche des Volkes verstanden. Die Kirche wird oft als Emanation einer autonomen Basis [des Volkes], ohne andere strukturierende Prinzipien als die soziologischen Gesetze (50) gesehen. Der Vf. konstatiert "eine mariologische Lücke" in der nachkonziliaren Ekklesiologie (612 ff.). Mir ist nicht klar, worin diese Lücke auf ekklesiologischer Ebene besteht.

Ein zweites Thema wird vom Vf. analysiert und zwar, wie das pneumatologische Prinzip der Kirche zu verstehen ist. Repräsentative Autoren sind seiner Meinung nach H. Küng, J. L. Gonzalez Faus (Barcelona), L. Boff, J. A. Strada (Granada) und E. Schillebeeckx. Das Problem ist von besonderer Bedeutung für die katholische Ekklesiologie. Die historisch-kritische Methode spricht von verschiedenen Strukturen innerhalb der früheren Schichten des NT.

Der genannte Frühkatholizismus drückt aus, daß Strukturen, die sich in der Zeit nach dem NT in der Kirche durchgesetzt haben, schon in den letzten Schichten des NT wenigstens als Andeutungen erschienen. Eine seriöse Ekklesiologie soll dieser Tatsache Rechnung tragen. Mit Recht weist der Vf. darauf hin, daß man hier nicht mit dem Prinzip des sola scriptura zu arbeiten hat, sondern auf die Tradition verweisen muß. Wenn man von nachkonziliaren Tendenzen spricht, hätte man auch von den Schwierigkeiten sprechen müssen, die Hierarchie in ontologischer Verbindung mit dem ganzen Volk Gottes darzustellen (Konziliarität­ sobornost).

In einem zweiten Teil wird das Thema theologisch-systematisch betrachtet: A. Aranda (Rom), Christus und die Kirche. Die trinitarische Bedeutung des Geheimnisses der Kirche als Leib Christi (91-120); J. Doré (Paris), Von dem ekklesialen Leib zur christologischen Rede (121-132); A. M. Triacca (Rom), Der Heilige Geist und die Kirche. Zu einem neuen Verständnis der Kirche als Tempel des Hl. Geistes (133-174); P. Rodriguez (Pamplona), Das Volk Gottes. Elemente für die christologische und pneumatologische Betrachtung (175-210).

Aranda untersucht die ekklesiologische Grundfrage: Was ist die Kirche? Oder mit anderen Worten: das Warum und das Wie der Kirche als communio aus der Sicht der drei Antworten: die Kirche ist das Volk Gottes, der Leib Christi und der Tempel des Hl. Geistes (91). Leitmotiv seiner Reflexion ist Eph 1,22. Die Kirche ist der Ort der Vollkommenheit Christi, in dem der ewige Wille Gottes und die Betrachtung der Schöpfung und der ganzen Geschichte schon verwirklicht ist und sich zu erkennen gibt (98). In der Kirche und aus ihr entfaltet sich der ewige Heilswille Gottes (103). Die Arbeit von J. Doré ist christologischer Art. Seiner Meinung nach ist dieser Zugang von Bedeutung, denn die Kirche kann zum Geheimnis dessen, der sein Haupt ist, beitragen (132). Es ist nicht einfach, den Artikel von A. M. Triacca, einem Liturgiker, zu lesen. Ich war nicht in der Lage, die Richtung dieser Arbeit zu verstehen. P. Rodriguez plädiert für die Notwendigkeit, den Begriff "Volk Gottes" als grundsätzlichen Begriff für das Verständnis der Kirche wiederzugewinnen (175). Die Kirche ist das "Volk Gottes", dessen Geheimnis darin besteht, Leib Christi und Tempel des Geistes zu sein. Die Begriffe communio und sacramentum sollen nicht als alternative ekklesiologische Modelle erscheinen (176).

Thesenartig: 1. Die Kirche als "Volk Gottes" kann nur im Rahmen der Thematik "Mysterium der Kirche" betrachtet werden. Dieses Thema umfaßt das Thema "Volk Gottes" (178). 2. Der Begriff "Volk Gottes" soll trinitarisch verstanden werden ­ Volk des Vaters wie Leib Christi und Tempel des Hl. Geistes (181) ­ und sagen, daß das "Volk Gottes" seinen Ursprung beim Vater hat, bedeutet den Ursprung in der Sendung des Sohnes und in der Sendung des Geistes zu haben. Der Vf. reflektiert über die moderne Art und Weise, wie die Kirche in Verbindung mit Jesus Christus zu sehen ist. Nach Meinung des Vf.s sollte die Dogmatik sagen: Christus ist nicht nur der Begründer, sondern auch das Fundament der Kirche. M. a. W.: Christus steht nicht nur in dem historischen Ursprung der Kirche, sondern Er ist deren bleibendes Fundament (200). Insofern Christus seinen Geist zum Wort und zu den Sakramenten schickt, ruft und versammelt Er konkrete Menschen und erweckt das neue "Volk Gottes" in einer doppelten Perspektive: als fructus salutis und als medium salutis (203). Der Hl. Geist ist in der Kirche das principium unitatis und das Prinzip der Vielfalt (206).

Der dritte Teil des Buches ist der ökumenischen Dimension gewidmet. Mons. E. F. Fortino (Einheitssekretariat, Rom) beschreibt die Bedeutung und den Inhalt des Dialoges zwischen der Orthodoxen Kirche und der Römisch-Katholischen Kirche (212-235). J. R. Villar (Pamplona) stellt die orthodoxe Theologie der lokalen Kirche (238-262) dar. Es handelt sich um eine sehr gut dokumentierte Arbeit. Der katholisch-evangelische Dialog wird von H. Meyer (Straßburg) und A. Gonzales-Montes (Salamanca) analysiert. Die Arbeit von Meyer heißt: Die Ekklesiologie der Reformation und deren Verständnis der Bilder über die Kirche (265-278). Es handelt sich um eine kritische Darstellung der evangelischen Ekklesiologie von seiten eines Lutheraners. Der Vf. stellt zuerst fest, daß das Bild "Volk Gottes" in der Reformation vorherrscht (269). Das Bild "Leib Christi" wird nicht so oft verwendet und durch die Idee, daß Christus das Haupt der Kirche ist, ergänzt. So erscheint das spezifische Interesse der Reformation: "ihre Hervorhebung des Gegenübers Christi zur Kirche" (271). Nach Meinung des Vf.s soll man das Risiko beachten, das die Integration der drei Bilder in die reformatorische Ekklesiologie enthält: "die Kirche verliert die konstitutive Funktion für die religiöse Beziehung" (273). Der Vf. fragt, ob die evangelische Kirche ein so tiefes Verständnis über die Kirche wiedergewinnen wird. Gonzales-Montes (Salamanca) analysiert die Bilder über die Kirche in den Dialogdokumenten zwischen Katholiken und Anglikanern einerseits und zwischen Katholiken und Lutheranern andererseits (279-286).

Das Buch ist interessant. M. E. sind die Arbeiten von Rodriguez und Meyer die besten, da sie in eine konkrete Richtung weisen. Andere Autoren aus Spanien, Frankreich und Italien hätten bestimmte Aspekte anders ­ sogar ganz anders ­ formuliert.