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Ausgabe:

Oktober/1996

Spalte:

928–930

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Toorn, Karel van der, Becking, Bob and Pieter W. van der Horst [Eds.]

Titel/Untertitel:

Dictionary of Deities and Demons in the Bible (DDD)

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1995. XXXVI, 1774 Sp., 19 S. Index gr.8o. geb. hfl. 225.-. ISBN 9004103139

Rezensent:

Hartmut Gese

Von Michael Stone (Jerusalem) erging an den Verlag E. J. Brill die Anregung, ein religionsgeschichtliches Wörterbuch über das altorientalische Umfeld der Bibel zu publizieren, ein sicherlich höchst wünschenswertes Projekt, das zwischen den zusammenfassenden und grundlegenden Realenzyklopädien der Einzeldisziplinen und den gerade in der Beschreibung religionsgeschichtlicher Beziehungen eher kargen Bibellexika zu stehen hätte. Aber dieser Plan erwies sich als zu umfangreich, und so entstand daraus das jetzt vorliegende 942 S. umfassende Großlexikon "Dictionary of Deities and Demons in the Bible", herausgegeben von van der Toorn (Leiden), Becking (Utrecht) und van der Horst (Utrecht), die zusammen mit einem fast hundertköpfigen internationalen Kreis von Fachgelehrten die 437 Artikel des Werkes verfaßten. Als Berater fungierten H. D. Betz, A. Caquot, J. C. Greenfield, E. Hornung, M. Stone und M. Weippert, von denen sich Betz und Greenfield auch als Autoren betätigten.

Wie der Titel des Werkes anzeigt, beschränkte man das religionsgeschichtliche Material auf die Namen der Gottheiten und der göttlichen oder vergöttlichten Wesen, der Personen und Hypostasen, soweit sie in der Bibel vorkommen, versuchte hier aber den weitesten Umfang zu erreichen, d.h. es wurden nicht nur die Namen berücksichtigt, soweit sie an sich biblisch vorkommen, sondern auch als theophore Elemente in Personen- und Ortsnamen und auch dann, wenn ein göttlicher Charakter nur hypothetisch ist. Selbstverständlich finden sich Artikel zu Henoch, Noah, Mose, Elia, Jesus, Maria usw. und sogar zu "Jephthah’s daughter". Die Bibel wurde dabei umfangmäßig auf das Alte und Neue Testament mitsamt der Septuagintatradition festgelegt (die Septuaginta auch inhaltlich im Falle abweichender Übersetzung), so daß die atl. Apokryphen einbezogen sind, nicht aber die Pseudepigraphen. Innerhalb der gegebenen Artikelbegrenzung wird selbstverständlich auch von dem religionsgeschichtlichen Material der Pseudepigraphen, der Qumranliteratur, der Targume, von Josephus und Philo weitester Gebrauch gemacht.

Diese hier versuchte Eingrenzung hat natürlich etwas Mechanisches und Zufälliges an sich. Wichtige, für die Nachbarreligionen Israels charakteristische Gottheiten können keinen Artikel erhalten, weil sie nun einmal biblisch nicht namentlich belegt sind, auch nicht in der versteckten Form eines theophoren Elements oder sekundär in einer Konjektur. Trotzdem ist es erstaunlich, wie weit das Panorama reicht.

So verdankt man z.B. dem Ortsnamen Pithom Ex 1,11 einen zehnspaltigen ausführlichen Artikel über Atum oder dem Namen des gelähmten Äneas aus Apg 9,33 eine Behandlung des für römisches Selbstverständnis grundlegenden Heroenmythus. Im übrigen muß das 57spaltige Register weiterhelfen, wo die inhaltliche Reichhaltigkeit des Lexikons sich auch bei den nichtartikelfähigen fremden Gottheiten erweist. Schwierig gestaltet sich die Abgrenzung bei den vergöttlichten Wesen, sei es daß der Grad der Vergöttlichung zweifelhaft ist, sei es daß die Bezeugung einer solchen Anschauung mehr oder weniger weit von der biblischen Überlieferung entfernt ist. So wird Abel wegen einer in der längeren Rezension des Abrahamtestaments belegten Engelvorstellung aufgenommen, Ananke, weil sie in einem jüdischen Gebet in einem Zauberpapyrus personalisiert zu sein scheint, usw. ; aber man wundert sich, daß bei so weitem Rahmen David, bzw. der davidische König, oder Johannes der Täufer (aus der Sicht der Täufersekten) ausgeschlossen werden. Ja man wünschte sich, daß auch die heiligen Dinge wie Altar und Tempel, Lade und Zelt berücksichtigt wären, deren Analoga im religionsgeschichtlichen Umfeld Israels durchaus göttlichen Rang erhalten können.

Auf der anderen Seite führt das streng gehandhabte Auswahlprinzip zur Aufnahme von Artikeln, die man kaum erwarten wird.

So gibt es z.B. eine nur einmal beiläufig erwähnte Gottheit Armada, mit der man nichts anderes anzufangen gewußt hatte, als sie möglicherweise mit dem Namen des Stadtstaates Arvad zusammenzustellen, so daß man nun unter "Arvad" (dankenswerterweise nicht unter dem Namen der Gottheit wie sonst) den Fall abgehandelt sieht. Oder Dahood hat hinter dem Text von Ps 57,3 die Existenz einer Rachegottheit Gomer-El zu erkennen gemeint, und diese Hypothese wird im Artikel "Avenger" (ablehnend) besprochen. Für Fälle wie den letzteren, oder wenn z.B. in Hiob 42,14 LXX Amaltheia oder in Jer 46,15 LXX Apis erwähnt wird, würde ein Bibelstellenverzeichnis, das nur diejenigen Stellen sammelt, die für solche Artikel von maßgeblicher Bedeutung sind, eine große Hilfe sein. Bei der von vornherein nicht leichten Übersicht über die tatsächliche Artikelauswahl erspart wenigstens die einfache Zusammenstellung der "entries" auf S. XXXI-XXXVI vieles Nachschlagen.

Die Artikel selbst werden in den allermeisten Fällen vierfach gegliedert, so daß nach Name und Verbreitung erst die Bedeutung der Gottheit im ursprünglichen religiösen Kontext, sodann im biblischen Rahmen besprochen wird, während eine sorgsame Bibliographie (bisweilen mit Hervorhebung des besonders Wichtigen und des Bibliographischen) den Abschluß bildet. Der Konzentration auf die jüngste Literatur wird man dankbar sein. Durchweg sind die Artikel, die ja hinsichtlich des Umfangs in diesem Speziallexikon weitgehend großzügig zugeschnitten sind, höchst detailliert und darum von großem Informationswert, zumal der Raum auch die Darstellung abweichender Ansichten erlaubt. Wie nicht anders zu erwarten, spiegeln die Beiträge auch die unterschiedliche Entwicklung der Disziplinen wider. Während z. B. im Artikel "Jesus" eine sehr kritische historische Sicht obenan steht (natürlich kein irgendwie geartetes messianisches Selbstverständnis, auch bei den jüdischen Autoritäten eine Verurteilung nur wegen der Ablehnung des gegenwärtigen Tempelkults, in der Umgebung dagegen das Aufkommen eines messianischen Verständnisses, das dann andererseits zur Anklage bei der römischen Behörde ausgenützt wird), findet man im Artikel "Moses" den historischen Gesichtspunkt überhaupt vermieden. Grundsätzlich scheint man im Neuen Testament zeitgeschichtliche hellenistische Parallelen gegenüber dem atl. traditionsgeschichtlichen Gesichtspunkt zu bevorzugen. Atl. Wurzeln der Christologie, wie sie im Bereich der sapientialen Theologie in Verbindung mit der göttlichen Zionseinwohnung (vgl. Sir 24) besonders stark ausgemacht werden können, werden z.B. mit dem Satz abgewiesen: "...it is never said that Wisdom becomes an actual man" (884). In der Tat; dann wäre aber auch eine Wiederholung dessen schwerlich möglich.

Auffällig an dem Gesamtwerk, das ja den gegenwärtigen Stand der religionsgeschichtlichen Sicht bestens wiedergibt, ist mir das relativ starke Zurücktreten der für die vorige Generation noch grundlegenden, alles durchdringenden Idee des göttlichen Königtums. Natürlich wird man über das Wichtigste dazu sorgfältig informiert, besonders im Artikel "Son of God", aber es ist doch nicht zu verkennen, daß auf zusammenfassende Artikel zu David, König(tum), Weltordnung, Göttliche Basileia weniger Wert gelegt wird und daß man bei dem Messiasartikel "Christ" eher dahin tendiert, die bei der Fülle der Traditionen stark variierenden Erscheinungen und Entwicklungen einander gegenüberzustellen als in ihnen Parallelen einer Grundidee zu finden.

Natürlich hat das Lexikon nicht jede neuere Arbeit aufgenommen. So wird z. B. Simson nur in Hinsicht auf Nachinterpretation unter "Heracles" behandelt, eine Erwähnung des Mythus der Bienenurzeugung oder der Kornfuchse unterbleibt. Schließlich noch eine Korrektur in eigener Sache. Wenn auf p.535 behauptet wird, ich habe aus Gen 14,19 eine Jerusalemer Triade von El Eljon, El-Erdschöpfer und El-Himmelsschöpfer herausgelesen, so ist das unrichtig; vielmehr ist die Triade: 1. El (an sich), 2. El in Hinsicht auf die Götter, d.h. Eljon, 3. El in Hinsicht auf die Welt d.h. El qone ars, was dann folgerichtig zur Erschaffung von Himmel und Erde erweitert worden ist.

Alles in allem können wir nur dankbar ein großartiges, detailliertes religionsgeschichtliches Lexikon zur Bibel und ihrer religiösen Umwelt begrüßen, dessen fleißige Benützung für jeden Bibelwissenschaftler unumgänglich ist und das es verdient, in weitere Kreise einzudringen.