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Ausgabe:

September/2008

Spalte:

944–945

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Maspero, Giulio

Titel/Untertitel:

Trinity and Man. Gregory of Nyssa’s Ad Ablabium.

Verlag:

Leiden-Boston: Brill 2007. XXXII, 216 S. gr.8° = Supplements to Vigiliae Christianae, 86. Geb. EUR 89,00. ISBN 978-90-04-15872-6.

Rezensent:

Johannes Zachhuber

Der an der Università della Santa Croce in Rom lehrende Vf. ist durch zwei italienische Monographien sowie durch seine Mitherausgeberschaft des (italienisch und spanisch vorliegenden) ›Gregor von Nyssa Lexikons‹ als Kenner des jüngsten Kappadoziers ausgewiesen. Die zu besprechende Studie ist die englische Übersetzung des 2004 in Rom erschienenen La Trinità e l’uomo, worauf im Band selbst allerdings nicht hingewiesen wird. Ihr Erscheinen ist nicht zuletzt deswegen zu begrüßen, weil sie einen Eindruck von der intensiven Gregorforschung der letzten Jahre im romanischen Bereich gibt und so der bedauerlichen Tendenz zur Isolation von Forschungskontexten entgegenwirken kann. Gleichzeitig ist der Vf. mit der jüngeren Diskussion im deutsch- und vor allem dem englischsprachigen Raum durchaus vertraut; den von Sarah Coak-ley herausgegebenen Band Re-thinking Gregory of Nyssa, der wichtige Ansätze der letzten Jahre bündelt, nimmt er geradezu zum Ausgangspunkt seiner eigenen Positionierung. Denn während sein Band durch den Untertitel den vergleichsweise bescheidenen Eindruck einer Untersuchung zu einem kurzen trinitätstheologischen Traktat Gregors erweckt, reicht sein Interesse in Wahrheit sehr viel weiter. Im Grunde nimmt der Vf. die Schrift Ad Ablabium, in der er ein besonders reifes Produkt Gregorschen Denkens sieht, zum Ausgangspunkt eines Versuchs, dessen Theologie insgesamt, oder doch große Teile davon, in ihrem systematischen Zusammenhang zu skizzieren. Kleine Passagen seines Textes werden ihm zum Anlass umfassender Erörterungen, die teilweise weit in die Wirkungsgeschichte hineinreichen – wie etwa ein Ausblick auf die Energienlehre des Gregorius Palamas, der im Kontext von Gregors eigenem Gebrauch der Kategorie der energeia eingeschoben wird.
Die Studie ist in drei Teile mit jeweils mehreren Kapiteln gegliedert, die nacheinander auf die Bereiche »Natur und Handlung«, »Negative Theologie und Person« und »Geist und Einheit« eingehen. Im Rahmen dieser Abschnitte werden zahlreiche der in den letzten Jahren untersuchten und zum Teil kontrovers diskutierten Themen der Theologie Gregors besprochen: sein Verständnis der universalen menschlichen Natur und ihr Gebrauch als Analogie für die Trinität; seine Einführung des Energiebegriffs in die trinitätstheologische Diskussion; sein Beitrag zur apophatischen Tradition und zu der Entwicklung des Personbegriffs; sein Verständnis des Heiligen Geistes und dessen Funktion in der Heilsgeschichte. Dabei wählt der Vf. einen ausdrücklich theologischen Zugang, dessen Rahmen von den traditionellen Konzepten von Orthodoxie und Häresie vorgegeben ist. Die Diskussion der Texte Gregors ist durchdrungen von Ehrfurcht und Bewunderung; schwer verständliche oder überraschende Texte sind »kühn« oder »gewagt«, werden aber nie zum Anlass von Kritik, sondern fordern den Exegeten heraus, einen tiefliegenden (oder aus einer anderen Stelle zu substituierenden) Sinn zu entdecken. Der Kontext für die Interpretation ist dabei immer der einer vorausgesetzten systematischen und dabei orthodox katholischen Stimmigkeit von Gregors Theologie; eine historische Kontextualisierung findet dagegen nur ausnahmsweise statt. Die Kehrseite der autoritativen Hermeneutik der Schriften des Kirchenvaters ist überraschenderweise nicht die Bereitschaft, dessen arisierende Gegner zur Negativfolie zu reduzieren, deren religiöse oder theologische Rechtfertigung nicht einmal hypothetisch erörtert wird. Dabei wird auch die traditionelle Verknüpfung von theologischem Irrtum und moralischer Verwerflichkeit nicht ausgespart: »Eunomius war ein Dialektiker, der mit aller Kraft und Boshaftigkeit (malice) der logischen Kunst zu argumentieren wusste.« (101)
Überraschend ist des Vf.s Behandlung von Gregors Eschatologie, die im Ad Ablabium nicht vorkommt, aber, wie der Vf. zu Recht meint, im systematischen Zusammenhang mit zentralen Themen der Schrift steht (76). Die letzten Jahrzehnte hatten zu einem überwältigenden internationalen (und konfessionsübergreifenden) Konsens geführt dahingehend, dass Gregor wie vor ihm Origenes die Allversöhnungslehre (apokatastasis) vertreten habe. Im Grunde war das auch schon in byzantinischer Zeit deutlich, weshalb Be­wunderer Gregors wie Germanos von Konstantinopel das be­mer­kenswerte Argument bemühten, Origenisten hätten entsprechende Stellen bei Gregor interpoliert. Der Vf. argumentiert mit großem Aufwand und Scharfsinn gegen diesen Konsens an. Ob er damit Erfolg haben wird, bleibt zu sehen; dass der Rezensent wider Willen und durch ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat zum Kronzeugen dieser revisionistischen Position gemacht wird (79 u. ö.), ist freilich irritierend.
Der insgesamt belesenen und gründlich gearbeiteten Studie hätte man ein englisches Lektorat gewünscht. Insgesamt gibt es zu oft Formulierungen, die zweideutig oder gar sinnentstellend sind und so die Lektüre unnötig mühsam machen.