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Ausgabe:

Juli/August/2008

Spalte:

827–829

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Weiß, Dieter J.

Titel/Untertitel:

Katholische Reform und Gegenreformation. Ein Überblick.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005. 216 S. 8°. Geb. EUR 34,90. ISBN 3-534-15121-6.

Rezensent:

Christoph Strohm

Das Werk bietet klar gegliedert eine Vielzahl von Informationen zu den verschiedensten Entwicklungen im Bereich der katholischen Kirche. Der erfasste Zeitraum reicht vom Spätmittelalter bis in die zweite Hälfte des 17. Jh.s hinein. In einer Einleitung wird knapp über die Epochendiskussion und die Konzeption des Bandes informiert. Dann folgen Kapitel über »spätmittelalterliche Re­form­ansätze«, die »Reformation und katholische Abwehr im Reich bis 1555«, das Konzil von Trient, das Wirken der Päpste von Hadrian VI. (1522/23) bis Alexander VII. (1655–1667) unter dem Stichwort »Papsttum und Kirchenreform« sowie das Ordenswesen. Die letzten drei Kapitel behandeln das Thema »Gegenreformationen und konfessioneller Fürstenstaat im Reich ab 1555«, »die Umsetzung der kirchlichen Reformbestimmungen« und schließlich den »Barockkatholizismus« einschließlich seiner Kulturwirkungen. Am Anfang der Kapitel werden jeweils wichtige Jahreszahlen tabellarisch aufgelis-tet. Häufig werden Abschnitte eingefügt, die einzelne Begriffe und Sachverhalte erläutern. Das Buch ist verständlich geschrieben, zeichnet sich aber nicht durch sprachliche Gefälligkeit aus (vgl. z.B. 22 f.).
Drei grundsätzliche Probleme der Darstellung sind zu nennen, insbesondere wenn man einen Gebrauch als Lehrbuch ins Auge fasst. Erstens wird die gegenwärtige Forschung zu den wichtigen Deutungsfragen der Epoche nur ansatzweise rezipiert bzw. präsentiert. So wird das Konfessionalisierungsparadigma lediglich mit ein paar wenigen Sätzen skizziert und kritisiert. W. wendet sich ge­gen »die besonders in Deutschland übliche Fixierung auf das Konfessionalisierungskonzept« (9) und meint, das »Konzept der Konfessionalisierung« würde die Frage nach der theologischen Wahr­heit verdrängen. »Spiritualität und gelebte Frömmigkeit können damit nicht erfaßt werden ...« (15). Auch andere Fragen wie das Problem von Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen dem Mittelalter und der behandelten Epoche werden nicht als Forschungsproblem unter Bezug auf unterschiedliche Ansätze erläutert. Vielmehr ist das gesamte Werk bestimmt von einer durchgehenden Betonung der mittelalterlichen Wurzeln der »katholischen Reform und Gegenreformation«.
Damit ist das zweite Grundproblem des Buches angesprochen. Der Historiker W. übernimmt weitestgehend die Darstellung und Wertung des Kirchenhistorikers Jedin. Zwar findet sich bei der Erläuterung des Titels ein Hinweis darauf, aber über unterschiedliche Bewertungen der dargestellten Sachverhalte erfährt man praktisch nichts. Mit Jedin ist es W.s Anliegen, die katholische Konfessionalisierung nicht nur mit dem Begriff »Gegenreformation« als Reaktion auf die protestantische Reformation zu beschreiben, sondern primär aus einer eigenständigen »katholischen Reform« hervorgehend zu verstehen (13). Dieses im Einleitungskapitel ausgewiesene Ziel bestimmt die Darstellung in teilweise problematischer Weise. Die Dimension des Verlustes der Pluralität der katholischen Kirche des Mittelalters im Zuge der tridentinischen Konfessionalisierung kommt nicht vor. Mitunter vertritt W. en passant pointierte Wertungen, wenn er sich zum Beispiel die tridentinische Selbstdeutung zu eigen macht: »Das Konzil von Trient ist nach Vorgehensweise wie inhaltlicher Festlegung in der Tradition der ökumenischen Konzilien zu sehen. Viele der hier vertretenen Ideen wurzeln in der Reformbewegung des Spätmittelalters. Die Be­schlüsse des Konzils bilden die Gesetzesfassung von Ideen, die weit zurückreichen« (16). Das päpstlich dominierte Tridentinum er­scheint hier geradezu als Fortsetzung des mittelalterlichen Konziliarismus. Auch bleiben Widersprüche stehen. Im Zuge der Herausarbeitung der Kontinuität von Gegenreformation und vorreformatorischen Reformansätzen werden auch diejenigen eines Erasmus von Rotterdam geschildert (29). Wie lässt sich damit ver­einbaren, dass dieser dann infolge der tridentinischen Konfessionalisierung gerade zur theologischen persona non grata wurde und alle seine Schriften auf den Index von 1559 gerieten?
Das dritte Problem des Werkes besteht in der Darstellung der Reformation. Auch in Abschnitt »III. Reformation und katholische Abwehr im Reich bis 1555« (31–44) wird sie nur sehr knapp und allzu holzschnittartig beschrieben. Der Inhalt des Abschnitts »Die Auswirkungen der Reformation« (31 f.) wirkt zufällig und ist teilweise unzutreffend. So »beklagte« Luther in seinen Thesen gegen den Ablass keineswegs nur »die kommerzialisierte Ausbeutung des Ablasses und damit der Heilssehnsucht der Gläubigen« (31). Es ging ihm vielmehr um eine grundsätzliche, biblisch-theologisch be­gründete Kritik an Theorie und Praxis des Ablasses. Auf dem Wormser Reichstag 1521 fand nicht »seine erste Begegnung« mit Kaiser Karl V. statt, sondern seine einzige (31). Etwas später heißt es dann: »Der eigentliche Verfall des religiösen Lebens erfolgte in den katholisch gebliebenen Gebieten erst gegen Mitte des 16. Jahrhunderts« (35). Man muss den Eindruck gewinnen, dass der Verfall des religiösen Lebens erst eine Folge der Reformation gewesen ist (vgl. besonders 36). Während in der Confessio Augustana »die dogmatischen Unterschiede ... verharmlost« werden, argumentiert die Confutatio »auf dem Boden der Hl. Schrift« (38). Diese Wertungen geben lediglich die römisch-katholische Sicht wieder. Gleiches gilt z. B. schon, wenn der Begriff der Rechtfertigung definiert wird: »Der Begriff umschreibt die Versetzung des Sünders in den Gnadenstand durch Gott, den Zustand der Gerechtigkeit durch den Besitz der heilig machenden Gnade« (40). Im Blick auf viele Bewertungen gibt es erheblichen Diskussionsbedarf (vgl. z. B. 48).
Studierenden der Evangelischen Theologie kann man das Werk nur zur kritischen, dann aber im Blick auf gegenwärtige historiographische Tendenzen besonders lehrreichen Lektüre empfehlen.