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Ausgabe:

März/1997

Spalte:

272 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rabbie, Edwin

Titel/Untertitel:

Hugo Grotius. Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae Pietas (1613). Critical Edition with English Translationa and Commentary.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1995. XIX m. 5 Abb., 714 S. gr.8° = Studies in the History of Christian Thought, 66. Lw. hfl 300.-. ISBN 90-04-10385-6.

Rezensent:

Volker Gummelt

Im Jahre 1990 gab Edwin Rabbie den ersten Band der "Opera theologica" des Hugo Grotius (Leiden-Maastricht: Van Gorcum. ISBN 90-232-2553-8) heraus. Der Band enthält neben einer ausführlichen Einleitung die Textwiedergabe von "De satisfactione Christi" [1617] mit einer englischen Übersetzung, einen Kommentar sowie mehrere Anhänge, in denen die für das Verständnis dieser Schrift wichtigen zeitgenössischen Quellen ediert werden. Im Vorwort kündigte R. als zweiten Band der "Opera theologica" die Veröffentlichung von "Ordinum Hollandiae ac Westfrisiae pietas" an. Noch 1994 erneuerte er diese Ankündigung in dem von ihm mitherausgegebenen Aufsatzband: "Hugo Grotius, theologian" (Leiden, New York, Köln: Brill = Studies in the History of Christian Thought, 55. ISBN 90-04-10000-8). Damit erschien die Befürchtung unbegründet, die Edition könnte möglicherweise ins Stocken geraten, weil zu Anfang des Jahres 1992 das den ersten Band betreuende Hugo-Grotius-Institut der Königlichen Niederländischen Akademie dem Constantijn-Huygens-Institut jener Akademie angegliedert worden war. Um so mehr ist es bedauerlich, daß der hier vorzustellende Band äußerlich nicht als die Weiterführung der 1990 begonnenen Werkausgabe gekennzeichnet ist, obwohl seine Anlage (bis hin zum Druckbild) voll und ganz dem ersten Band entspricht.

In dem somit eigentlich zweiten Band der Ausgabe ediert Rabbie Grotius’ Hauptschrift im sogenannten Arminianischen Streit. Anlaß dieser Verteidigungsschrift waren Angriffe des Franeker Theologieprofessors Sibrandus Lubbertus gegen die holländischen Stände und die Kuratoren der Leidener Universität. Im ersten Teil seiner Einleitung (2-35) führt R. in die politischen Verhältnisse und theologischen Auseinandersetzungen Hollands ein, soweit dies für das Verständnis von "Ordinum pietas" notwendig ist. Im zweiten Teil der Einleitung (36-98) wendet R. sich dann dem eigentlichen Werk zu. Zunächst stellt er die Entstehungsgeschichte dieser innerhalb des Arminianischen Streites sicher gewichtigen Schrift vor. Sodann beschreibt er detailliert die Grundlagen seiner Textedition. Dabei konnte er neben den ersten beiden Auflagen von "Ordinum pietas" aus dem Jahre 1613, die von Grotius betreut worden waren, auf ein in der Britischen Bibliothek London aufbewahrtes Manuskript zurückgreifen. Die von R. in diesem Zusammenhang angestellten Spekulationen über die möglichen Schreiber (nicht weniger als 36 Personen werden namentlich aufgezählt) sind freilich etwas weit geraten. Nach der Schilderung der Rezeptionsgeschichte gibt R. eine Übersicht über diejenigen Werke, die Grotius beim Abfassen von "Ordinum pietas" benutzt haben könnte. In diesem Abschnitt sowie auch bei der folgenden Inhaltsübersicht bewährt sich die von ihm an der Grotius-Schrift vorgenommene Abschnittseinteilung bzw. -zählung.

Wie im ersten Band der "Opera theologica" läßt R. auch in diesem Band den original lateinischen Text (in der Interpunktion und Schreibweise heutigen Gewohnheiten angeglichen) zusammen mit einer englischen Übersetzung abdrucken (99-241). Unter dem lateinischen Text finden sich zwei Anmerkungsapparate. In dem ersten weist R. die von Grotius verwendeten Zitate bzw. Anspielungen nach, im anderen führt er alle Textvarianten aus dem Londoner Manuskript bzw. den Drucken von 1613 auf. Gewiß wäre es für die Lektüre der englischen Übersetzung hilfreich gewesen, wenn R. seine Erläuterungen zu dieser modernen Übertragung ebenfalls als Anmerkungsapparat direkt unter diese gesetzt hätte. So wäre der äußerst umfangreiche Kommentar (243-403) teilweise entlastet worden. In diesem Anmerkungskommentar, der übersichtlich nach Abschnitts- bzw. Zeilenzählung geordnet ist, gibt R. die für einen heutigen Leser notwendigen Erläuterungen zu von Grotius erwähnten Personen, Begriffen und der damaligen politischen und kirchlichen Situation (stets mit weiteren Literaturhinweisen). Zudem weist er im Einzelnen nach, welche Quellen Grotius beim Schreiben der jeweiligen Textpassage konsultierte und gegen welche Teile aus den Veröffentlichungen seines Hauptgegners Lubbertus sich Grotius’ Polemik richtete. Des weiteren werden Verweise auf ähnliche Äußerungen von Grotius in anderen seiner Werke gegeben. Da R. zudem alle holländischen Zitate ins Englische übersetzt, wird dieser Kommentar gewiß vielen Lesern von großem Nutzen sein.

Zwölf Anhänge runden diesen Editionsband ab. In den ersten drei Anhängen (405-439) publiziert R. Lubbertus’ drei lateinische Vorreden, die den Anlaß für "Ordinum pietas" gaben. In dem mit Abstand umfangreichsten vierten Anhang (441-544) wird die zeitgenössische Korrespondenz veröffentlicht, die sich auf die Entstehungsgeschichte von "Ordinum pietas" sowie auf die Kontroverse um dieses Buch bezieht. Dabei kann R. neben Ausschnitten aus dem Grotius-Briefwechsel erstmals zahlreiche Briefe an Lubbertus edieren. Leider sind hier die wenigen in Holländisch abgefaßten Briefe nicht (ins Englische) übersetzt. In den Anhängen V bis XII (545-630) publiziert R. weitere Quellenstücke aus dem Jahre 1614, die im Nachklang zu "Ordinum pietas" entstanden sind. Hervorzuheben sind dabei der sechste Anhang mit der Edition von Grotius’ Notizen zur ersten Veröffentlichung gegen "Ordinum pietas", die vom Leeuwardener Minister Johannes Bogermann stammt, sowie der Abdruck von zwei Erwiderungen Lubbertus’ auf die Grotius-Schrift in den Anhängen V und VIII.

Mit diesem Editionsband liegt ein Studienbuch vor, mit dessen Hilfe man sich aufgrund der überreichlichen Quellen sowie den fundierten Erläuterungen einen subtilen Einblick in den Arminianischen Streit, insbesondere in den dazu von Grotius geleisteten Beitrag, verschaffen kann. Es ist zu wünschen, daß R.s Ankündigung, als weiteres Werk von Grotius dessen kirchenrechtlichen Traktat "De imperio summarum potestatum circa sacra" zu edieren, bald verwirklicht wird und so die Grotius-Ausgabe auf hohem Niveau ihre Fortsetzung findet.