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Ausgabe:

März/1997

Spalte:

256 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Barrett, C. K.

Titel/Untertitel:

Jesus and the Word. And other Essays.

Verlag:

Edinburgh: Clark 1995. X, 276 S. 8°. Kart. £ 12,95. ISBN 0-567-29306-8.

Rezensent:

Eduard Lohse

Der Titel dieses Bandes, der eine Reihe wichtiger Aufsätze des Durhamer Gelehrten zusammenfaßt, ist der englischen Übersetzung von Bultmanns Jesusbuch entnommen und stellt zugleich die Überschrift einer Studie dar, die dem Lebenswerk des Marburger Theologen gewidmet ist. Die Wahl dieses Titels zeigt eine programmatische Aussage an. Denn wie kein anderer hat Barrett es verstanden, eine Brücke zwischen englischer Gelehrsamkeit und kritischer Wissenschaft des Kontinents zu schlagen und beide in eindrucksvoller Weise miteinander zu verbinden.

Im ersten Teil der Sammlung werden große Vertreter der Bibelauslegung gewürdigt: Westcott, Lightfoot, Hort sowie Hoskyns und Davey, die die Lehrer des Vf.s waren. In diesen Kapiteln kommt zum Ausdruck, mit welcher Umsicht, philologischen Könnerschaft und Ehrfurcht vor dem biblischen Text man in England die Interpretation des Neuen Testaments betrieb. Hoskyns wurde dann von dem starken Einfluß erfaßt, der von Barths Römerbrief ausging, so daß er dieses Buch ins Englische übersetzte. In seiner akademischen Lehre wurde exegetische Sorgfalt auf die Beantwortung jener zentralen theologischen Frage nach der Verbindlichkeit des Wortes Gottes gerichtet, die auch für Barretts Lebenswerk leitende Orientierung gibt.

Dieses Verständnis, das die Erklärung des Neuen Testaments bestimmt, wird in allen folgenden Aufsätzen beispielhaft veranschaulicht. Dabei werden Probleme verhandelt, die die Auslegung der Evangelien und der Briefliteratur sowie die Darstellung einer Theologie des Neuen Testaments betreffen. Es wird erläutert, warum Bultmanns scharfsinniges kritisches Denken für die Ohren englischer Hörer zunächst befremdlich wirken mußte und weitgehend abgelehnt wurde. Man war gewohnt, behutsam an den jeweils aufgegebenen Text heranzugehen und dem historischen Wert der in ihm aufbehaltenen Überlieferungen einen höheren Rang zuzuerkennen, als dieses bei Bultmann geschah. Barrett weiß seinerseits diesem überkommenen Erbe, wie es insbesondere gelehrte Forschung in Cambrigde auszeichnet, den geschuldeten Respekt zu zollen. Doch zugleich versteht er es, begreiflich zu machen, warum es geboten ist, den von Bultmann vorgenommenen Analysen standzuhalten und die sich daraus ergebende Aufgabe anzugreifen: "the question that lies at the heart of any understanding of primitive Christianity ­ the question how the transition from Jesus to the church was made" (221).

Obwohl jede der scharf geschliffenen Untersuchungen, die sich in diesem Band finden, eine eingehende Erörterung verdiente, bietet es sich für diese Besprechung an, sich auf die Frage zu konzentrieren, welche Konsequenzen der Vf. aus seinen grundsätzlichen hermeneutischen Überlegungen für die Darstellung einer Theologie des Neuen Testaments zieht. Im ntl. Kanon sind bekanntlich Schriften unterschiedlicher theologischer Entwürfe vereinigt. Die dadurch bedingte Vielfalt aber muß auf das Zentrum urchristlicher Verkündigung bezogen werden, um die Relevanz biblischer Aussagen erheben zu können. Was aber ist das Zentrum des Neuen Testaments? Nur in prüfendem Bedenken der verschiedenen Positionen, wie sie im urchristlichen Schrifttum ausgebildet sind, kann dieses Problem in seiner Schärfe erkannt und dann einer Lösung zugeführt werden. Denn die Antwort kann nicht darin bestehen, die Verschiedenartigkeit einebnen und harmonisieren zu wollen. Vielmehr kann nur in Auseinandersetzung mit den verschiedenen geprägten theologischen Entwürfen, wie sie sich im Neuen Testament finden, jeweils die Christusverkündigung in ihrer uns betreffenden Bedeutung als deren Mitte begriffen und in heute zu verantwortender Aussage vollzogen werden. Neutestamentliche Theologie ist und bleibt darum immer kritische Theologie (256).

Wer die in diesem Band versammelten Studien aufmerksam liest, wird bei einem Meister exegetischen Könnens in die Schule gehen. Ihm zuzuhören, trägt reiche Belehrung ein, weckt immer wieder Freude an gründlicher wissenschaftlicher Bemühung, weil die Frage nach deren theologischer Bedeutung niemals aus dem Blick gelassen wird.