24.09.2018

Einladung zur interdisziplinären Tagung »Die Entdeckung der inneren Welt. Enzyklopädische Verständigungen über Frömmigkeit zwischen Theologie und Religionspsychologie«, 23.–25. November 2018, Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Erforschung von Frömmigkeitsformen, gelebter Religion und Spiritualität fällt in den interdisziplinären Bereich zwischen Theologie, Religionswissenschaft, Religionspsychologie und Religionssoziologie. Besonders seit der Wende zum 20. Jh. hat die Entwicklung der Religionspsychologie zu einem erheblichen Aufschwung des Interesses am religiösen Innenleben beigetragen.
Diese Entwicklung der Religionspsychologie ist auch theologischen Akteuren zu verdanken, die mit ihrem Forschungsinteresse die Disziplin sowie schließlich deren Eigenständigkeit maßgeblich vorangetrieben haben. Diese Wechselwirkung lässt sich in den theologischen Subdisziplinen in verschiedener Hinsicht nachzeichnen. So wurden in der Praktischen Theologie durch Akteure wie Otto Haendler für die Homiletik oder Walter Uhsadel für die Poimenik wichtige Impulse durch Psychologie bzw. Religionspsychologie gewonnen und deren Austausch befördert. Für die Systematische Theologie haben Gestalten wie Paul Tillich, Wilhelm Stählin, Karl Beth u. a. wichtige systematische Vorarbeit für die Entwicklung einer psychologischen Anthropologie geleistet. Ähnliche Einflüsse lassen sich für die exegetischen Fächer und die Kirchengeschichte sowie für die ebenfalls in jener Zeit im Entstehen begriffene Religionswissenschaft nachzeichnen.
Institutionelle Verankerungen waren die Folge, wie z. B. die Gründung der Zeitschrift »Archiv für Religionspsychologie« oder das »Religionspsychologische Forschungsinstitut« in Wien.
Diese Entwicklungen bildeten den Beginn einer weitreichenden Ausdifferenzierung von Forschungsfeldern und methodischen Zugängen, die sich in der Folgezeit entwickelten. Die interdisziplinäre Verschränkung zwischen Religionspsychologie und Theologie hat durch das vergangene Jahrhundert bis heute Forschung und Theorieentwicklung geprägt. Nebenfolge dieser Verschränkungen war jedoch auch eine weitgehend vom enzyklopädischen Zugang abgeschnittene Binnendiskussion, die sich zumeist am jeweiligen Gegenstand orientierte, aber seltener eine Gesamtperspektive wagte.
So widmete sich die Auseinandersetzung zwischen Religionspsychologie und Theologie einzelnen Themenbereichen, wie etwa dem Gebet, der Privatisierung von Religion, der Bedeutung für die Homiletik oder für die Anthropologie. Daraus haben sich Schwerpunkte interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt, die jedoch weitgehend auf spezifische Themen begrenzt bleiben: Zu nennen ist hier etwa der Bereich Spiritual Care oder die Auseinandersetzung mit dem Lebensbegriff. Zudem haben sich sowohl innerhalb der Theologie als auch innerhalb der Religionspsychologie erhebliche Ausdifferenzierungen in Form verschiedener Strömungen, methodischer Zugangsweisen entwickelt. Die Aufarbeitung der enzyklopädischen Lücke in der bisherigen Diskussion ist sowohl für interdisziplinäre Verständigungsprozesse als auch für binnendisziplinäre Selbstverständnisklärungen sinnvoll und reflektiert darüber hinaus Rückwirkungen auf die einzelnen thematischen Gegenstände der Fächer.

Diese Verflechtungen zwischen den Disziplinen Psychologie und Theologie sind bislang primär aus ihrem subdisziplinären Interesse heraus erforscht worden, jedoch nur vergleichsweise selten in ihrer enzyklopädischen Bedeutung und innerdisziplinären Vernetzung. Dieser Lücke soll sich das vorliegende Forschungsprojekt in Form einer Fachtagung widmen und dabei Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Fachdisziplinen miteinander ins Gespräch bringen.
Das Projekt fokussiert damit zwei Brennpunkte: zunächst die interdisziplinäre Erschließung des Forschungsstandes und der gegenwärtigen Debattenlage auf der Grenze zwischen Theologie und Psychologie und zugleich die sich hieraus ergebende Perspektive auf enzyklopädische Fragestellungen, die die Bedeutung theologischer und religionswissenschaftlicher Fächer in ihren gegenwärtigen Fachdiskursen durchmisst und aktuelle Herausforderungen und Probleme ihres jeweiligen Disziplinenkanons thematisiert.

Konkret soll der Fokus hierfür auf der Frage nach dem Verhältnis von Gefühl und Frömmigkeit im interdisziplinären Religionsforschungsdiskurs liegen. Hierzu sind momentan bedeutsame Forschungstrends zu beobachten, an die angeschlossen werden kann (z. B. interdisziplinäre Forschungsprojekte zu Themen wie Emotionstheorie, Mentalitätengeschichte etc.). Die enzyklopädische Fragestellung zur aktuellen Lage der Religionspsychologie im Blick auf das Verhältnis von Frömmigkeit und Gefühlen sorgt zugleich für eine ausreichende Breite des Diskurses wie für eine Konzentration auf ein wesentliches und empirisch wie theoretisch gut greifbares Problemfeld.

Die Tagung wird sich dabei folgenden Themenfeldern und Fragen widmen:
– Welche Wurzeln prägen das Verhältnis von Theologie und Religionspsychologie und welche Bedeutung haben sie für deren enzyklopädisches Selbstverständnis?
– Welche heutigen Problemkonstellationen und Diskursherausforderungen in der Frage nach Religion und Gefühl stellen sich im Dialog zwischen den unterschiedlichen Herangehensweisen der eher naturwissenschaftlich, sozialwissenschaftlich oder hermeneutisch arbeitenden Disziplinen?
– Wie lässt sich das Gefühlsinnenleben mit Methoden moderner Forschung erheben und konstruktiv in die Theoriebildung der interdisziplinären Religionsforschung einbinden?
– Welche interdisziplinären Diskurse werden heute über Gefühl und Frömmigkeit geführt und wie können die theologischen und sozialwissenschaftlichen Disziplinen durch unterschiedliche Perspektiven vom Diskurs profitieren?

Keynote-Vorträge sollen für ein breiteres Publikum geöffnet und beworben werden. Die weiteren Beiträge der Tagung sollen ein möglichst breites Spektrum theologischer und religionswissenschaftlicher Disziplinen abbilden und etablierte Forschende mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs ins Gespräch bringen.

Referentinnen und Referenten:
Jacob van Belzen, Martin Fritz, Stephanie Gripentrog, Annette Haußmann, Susanne Heine, Bettina Hitzer, Jan Hofmann, Matthias Hopf, Constantin Klein, Jörg Noller, Niklas Schleicher, Peter Schüz, Caroline Teschmer, Christoph Wiesinger

Organisation und Tagungsleitung:
Annette Haußmann, Wiss. MA am Lehrstuhl für Praktische Theologie mit den Schwerpunkten Homiletik und Theorie medialer Kommunikation
Niklas Schleicher, Wiss. MA am Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik
Peter Schüz, Dr. theol., Akad. Rat am Lehrstuhl für Dogmatik, Religionsphilosophie und Ökumene


Anmeldungen bei:
Annette Haußmann, annette.haussmann@lmu.de

Weitere Informationen unter:
https://www.rw.evtheol.uni-muenchen.de/frauenbeauftragte/mentoring/projekte_2018