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Ausgabe:

1980

Spalte:

157-158

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Scheele, Paul-Werner

Titel/Untertitel:

Alle eins 1980

Rezensent:

Kühne, Hans-Jochen

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Seite 1

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157

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

158

Martenseil, Daniel F.: Der lutherische Weltbund und der ökumenische
Bat der Kirchen (LWB-Report 1978 Heft 3 S. 5-37).

Modean, Erik W.: Verteidiger der Orthodoxie. Die Missouri-Synode
nach der Zerreißprobe (LM 17, 1978 S. 79-81).

Molefe, Clifford: Mission zu Hause. Wo stehen wir? Wohin führt
der Weg? - Korreferat (LWB-Report 1979 Heft 4 S. 90-93).

Munthe, Ludvig: Den arabiske tradisjonen pä Madagaskar med
nytt lys over misjons- og religionssoga (TTK 49,1978 S. 101 bis
172)."

Russell, Letty M.: Called to Account (ER 30, 1978 S. 369-375).

Smolik, Josef: Gottes Ruf zur Solidarität. Zur V.Vollversammlung
der Christlichen Friedenskonferenz (JK 39, 1978 S. 303
bis 306).

Smylie, James H.: Testing the Spirits in the American Context.

Great Awakenings, Pentecostalism, and the Charismatic Movement
(Interp. 33, 1979 S. 32-46).
Schießmann, Rolf: Erfahrungen eines evangelischen Christen mit

Mutter Teresa von Kalkutta (WuA 20,1979 S. 53-57, 83-90).
Töth, Käroly: Die Friedonsgedanken Jesu und der Frieden als

Lebensmacht der Gegenwart (Univ. 33, 1978 S. 819-822).
Vikner, David L.: Unsere Beteiligung an der weltweiten Mission.

Wo stehen wir heute? Wohin gehen wir? (LWB-Report 1979

Heft 4 S. 56-69).
Visser't Hooft,W.A.: Um die Einigung der Kirchen Jesu Christi

heute (Univ. 33, 1978 S. 1269-1275).
Weber, Gerhard: Mission zu Hause. Wo stehen wir? Wohin führt

der Weg? (LWB-Report 1979 Heft 4 S. 74-90).
Weißenstein, Ralph: Die Situation der Kirche in der indischen

Gesellschaft (JK39, 1978 S. 71-77).

Ökumenik: Catholica

Scheele, Paul-Werner: Alle eins. Theologische Beiträge II. Paderborn
: Verlag der Bonifacius-Druckerei [1979]. 269 S. 8°. Kart.
DM 24,-.

Zwei Jahre nach Erscheinen des ersten und in der ThLZ 104,
1979 Sp. 134 ff angezeigten Aufsatzbandes liegt nun eine zweite
Sammlung von 15 Beiträgen aus den Jahren 1965-1978 vor. Es
sind fast ausschließlich ökumenisch-ekklesiologisch orientierte Vorträge
und Aufsätze, gedacht als Vermittler, „wo die christliche
Einheit verkannt und verfehlt wird" (10). Denn „in Einheit zu
leben ist keine Aufgabe unter vielen anderen, die da und dort,
dann und wann wahrzunehmen wäre, es ist eine Lebensaufgabe, die
überall und jederzeit, die jedem einzelnen und allen zusammen
aufgetragen ist" (43).

Gerade von diesom Anliegen her kann man sieh auch als evangelischer
Leser den Ausführungen des katholischen Bischofs nicht
verschließen. Sie geben uns Anteil am Ringen des Vf. um die Einheit
der Kirche (besonders: Die Bedeutung der Einheit für das
Leben der Kirche, 43-57, Die Einheit der Christen als Anliegen
der Eucharistie, 89-111, Konfession und Ökumene, 220-237). Sie
nehmen uns in den innerkatholischen Dialog hinein (u. a.: Wer
gehört zur Kirche?, 28-42, Das Kirchesein der Getrennten, 202
bis 219, Der innerkirchliche Dialog, 58-72, Sakrament der Sendung
, 124-141, Fragen zum christlichen Amt im Blick auf die
kirchliche Rezeption, 142-157, Die Spannungen zwischen Lehraussagen
über den Primat und tatsächlicher Primatsausübung in
der römisch-katholischen Kirche, 158-178). Sie zeugen von der
Offenheit gegenüber ökumenischen Texten (vor allem: Gemeinsames
Zeugnis im Vollzug, 238-250) und insgesamt von der Liebe
zur Kirche (vgl.: Mysterium Kirche, 11-27). Ohne damit alle Aufsätze
genannt zu haben und jetzt im einzelnen auf sie eingehen zu
können, seien im folgenden einige Schwerpunkte der vorliegenden
Sammlung herausgestellt.

Die Zielstellung dieses Bandes findet man am eindrücklichsten
im dritten Beitrag „Die Bedeutung der Einheit für das Leben der

Kirche" wieder, der auf ein 1976 gehaltenes Referat zurückgeht .
Einheit und Kirche, innerkatholisches Leben und ökumenische
Wirksamkeit werden miteinander verbunden. Eine ausschließlich
innere Einheit wild als Versuchung abgewehrt. Einheit ist Einheit
in Freiheit, Vielgestalt und Dynamik. Dabei wird die Diskrepanz
zwischen theologischer Aussago und kirchlicher Praxis ebenso angesprochen
wie die Gefahr einer aus scheinbarer „Gleic%üiit</-
keit aller Glaubens- und Lebensformen" erwachsenden „Gleichgültigkeit
". Als warnendes Wort wird Gal y,15 zitiert. Was dem
Vf. vor Augen steht, ist die Kirche nicht als „homogene Gesellschaft
Gleichdenkender, Gleichgeschalteter", sondern als „eine
Gemeinschaft Oleichbeschenkter". Die „Kurzfonnel der Einheit" ist
Liebe (Cyprian). Solche Einheit bleibt gefährdet, „bis Gott am
Ende die vollkommene Einheit geben wird!" Ohne vom Kreuz ist
auch von der Einheit nicht zu reden (43-57).

Kritischster Aufsatz ist die Darlegung der „Spajuvungen zwischen
Lehraussagen über den Primat und tatsächlicher Primatsausübung
in der römisch-katholischen Kirche". Dieses bisher unveröffentlichte
Referat, gehalten 1978 auf einer ökumenischen
Konsultation mit Vertretern der altorientalischen Kirchen, erwähnt
zwar nicht ein einziges Mal den Namen Hans Küng, doch
zeigt es eine fast ebensogroße Offenheit. Von den Schattenseiten
im biblischen Petrusbild ausgehend, wird die innerkatholische und
ökumenische Auswirkung der Diskrepanz zwischen Primatslehre
und -praxis behandelt. „Wenn das Papsttum ganz anders realisiert
wird, als es sich in den Lehraussagen darstellt, drängt sich
dem Außenstehenden der Ideologieverdacht auf. Er stellt sich die
Frage, ob nicht mit Hilfe einer frommen Doktrin ein bedrohlicher
Machtanspruch kaschiert wird." Stärker als die Spannung zwischen
Lehre und Praxis ist der Abgrund zwischen Gott und Mensch,
der sich mit der Berufung durch Christus auftut. „Wer sich dessen
bewußt ist, weiß sich den Spannungen im Menschenfischeramt
existentiell verbunden." Sch. betont die Bindung der Petrusfunktion
an Christus als den eigentlichen Grund der Kirche und damit
ihre Relativität. Er verweist auf den weithin außer acht gelassenen
charismatischen Charakter des Amtes und die notwendige „Entflechtung
des Petrusamtes". Nüchtern wird vermerkt, daß auch
die Erneuerung durch das Vaticanum II nicht garantiert, „daß in
der Praxis die Spannungen abgebaut werden, die durch die Ver-
rechtlichung und Verpolitisierung entstehen". Von einer „Theolo-
gia gloria" ist diese Sicht des Petrusamtes weit entfernt. Sie
mündet ein in dio Bejahung der Spannungen: „Die Spannungen,
die unsere Welt zu zerreißen drohen, und die Spannungen, die das
Miteinander aller Christen gefährden, bedürfen eines Dienstes, dem
diese Spannungen nicht fremd sind, der helfen kann, sie zu bestehen
, weil ihm geholfen wurde, ihnen standzuhalten" (158-178).

Zahlreich sind die Impulse, die die einzelnen Aufsätze vermitteln
. Sie sind aus dem theologischen Gespräch in der Kirche und
zwischen den Kirchen entstanden und regen unmittelbar zu eigenen
Überlegungen, zur Auseinandersetzung (z. B. mit ekklesiolo-
gischen Prämissen) und Fortführung des Gesprächs an. Sie motivieren
zum Engagement für die Einheit der Christen. Mit Recht
sagt Sch. in Anlehnung an Lund 1952, „daß auch von den Wahrheiten
über die Kirche und die Kirchen gilt, daß erst der sie sich
ganz zu eigen macht, der sie tut oder zumindest zu tun versucht"
(219). Freilich hätte man sich gerade in diesem Sinn noch öfter ein
stärkeres Eingehen auf die Praxis und eine Stellungnahme zur
Praxis der eigenen Kirche gewünscht, zumal der Vf. nicht im Lehramt
, sondern im kirchenleitenden Amt tätig ist und weiß, daß
auch die katholische Kirche „nicht über oine perfekte Einheit verfügt
", sondern „in der großen Gemeinschaft derer steht, die sich
auf dem Weg zur rechten Einheit finden" (104). Stoff genug bieten
jedenfalls die Aufsätze für eine Hinterfragung und Erneuerung
kirchlicher Positionen und Strukturen. Vor allem lassen sie einen
die geistige und geistliche Haltung finden, in der das geschehen
kann und muß.

So kann man diesem Band nur viele Leser aus allen Konfessionen
und kirchlichen Verantwortungsbereichen wünschen, die sich
von ihm inspirieren und ormutigen lassen zur Gestaltung der
Kirche als der „ganze(n) Kirche für die ganze Welt" (184).

Kamcnz Haiu-Jocheu Kühne