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Ausgabe:

1980

Spalte:

116

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lohse, Eduard

Titel/Untertitel:

Die Briefe an die Kolosser und an Philemon 1980

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 105. .Talirgang 1980 Nr. 2

116

Im ersten Hauptteil (9-75) wendet sich M. dem Petrusmaterial
zu, wobei er hauptsächlich - und das ist charakteristisch für das
ganze Buch - redaktionsgeschichtlich fragt. Der Schwerpunkt liegt
dabei auf Mt 16,18f, Lk 5,1-11, Apg 9,32-11,18, Joh 21 sowie einschlägigen
Stellen aus IPetr und 2Petr. Dabei zeigt sich eine Aufwertung
der Petrusgestalt und des Petrusdienstes nach dem Tode
des Apostels, der in der Apg und im IPetr „zum Vertreter pauliui-
scher Theologie gemacht" (70) wird. Als Gründe für diese Aufwertung
nennt M. u. a. das Traditionswissen um die Sonderbehandlung
durch den vorösterlichen Jesus, die Sprecherrolle, die Ersterscheinung
, die Rolle als Zeugen, Tradenten und Garanten der
Jesusüberlieferung. Geht man redaktionsgeschichtlich vor, so kann
man durchaus zu einem solchen Befund kommen. Man wird sich
jedoch davor hüten müssen, sogleich Rückschlüsse auf tatsächliche
historische Begebenheiten zu ziehen; dies kann überhaupt nur mit
der gebotenen Vorsicht geschehen (vgl. 38f). Historische Fragen
kommen bei M. übrigens nur selten zur Sprache, so daß man geneigt
ist zu fragen, ob denn hier nicht die Redaktionsgeschichte notwendige
historische Erwägungen verdrängt, ohne die man das von Ml
behandelte wichtige Thema vielleicht gar nicht wirklich umfassend
abhandeln kann.

Im zweiten Hauptteil (77-121) behandelt M. zunächst das Verhältnis
Paulus - Petrus und wendet sich dann der paulinischen
Rechtfertigungslehre zu. In Anwendung der Haupttransiörma-
tionsregeln der generativen Transformationsgrammatik - und damit
soll die Fruchtbarkeit der Anwendung linguistischer Methoden
aufgezeigt werden - ergeben sich aus Gal 2,16 folgende „Tiefenstruktursätze
" (Basissätze): Ii Gott rechtfertigt den Menschen
nicht aus Werken des Gesetzes. 2. Gott rechtfertigt den Menschen
durch Glauben an Jesus Christus. Sodann untersucht M. die Transformationen
dieser Basissätze im Corpus Paulinum (Rom, Eph,
Past) und stellt eine durchgehaltene sachliche und sprachliche
Konstanz fest, insbesondere in bezug auf die kontrastive Formel
ovx s$ tQyoDv. Auch die Apg zeige, daß Paulus und seine theologischen
Anliegen nicht vergessen wurden, denn ihr Verfasser kannte
die Rechtfertigungslehre bis in das „Lexikon" und den „Regelteil"
hinein (Apg 13,38f; 15,9-11). Jak 2,24 widerspricht nach M. der
genuinen paulinischen Rechtfertigungslehre nicht, sondern wendet
sich gegen einen mißverstandenen Paulinismus. Eine Gegenschrift
gegen Paulus gibt es im ganzen NT nicht, so daß zusammenfassend
festgestellt wird: „Theologisch gesehen, hat Paulus in der Urkirche
gesiegt. Er ist nicht ,frühkatholisch' überwunden worden" (121).
Hier legt sich die Anfrage nahe, ob die von M. angeführten Beobachtungen
gewichtig genug sind, um zu einer solchen Sicht der
Dinge zu kommen, denn es gibt manche, oft auch genannte, Argumente
, die andere Schlußfolgerungen nahelegen. Hatte nicht, um
nur dieses eine zu nennen, der neue historische Kontext nach dem
Tode des Paulus eine viel stärkere Wirkung?

Im dritten Teil (123-140) geht es um „das ökumenische Zweigespann
". Zunächst faßt M. das Vorangehende kurz zusammen und
hebt noch einmal besonders die Aufwertung des Petrus nach dessen
Tod und den theologischen Sieg des Paulus nicht nur in der Paulusschule
hervor, wobei er das Schwergewicht auf die Apg legt, wo die
paulinische Theologie offizielle Kirchentheologie ist (handelt es
sich aber tatsächlich um die Theologie, die uns in den Paulusbriefen
begegnet?) und Petrus und Paulus als ökumenisches Zweigespann
gedacht sind. Nach einem kurzen Uberblick über die
gegenwärtige Diskussion über das Petrusamt (Malta-Bericht, altkatholische
Theologentagung 1969, Kommission Faith and Order
im ÖRK 1974, lutherisch/römisch-katholische Dialoggruppe in den
USA) wendet sichM. „Petrus und Paulus als ökumenische(n) Helfergestalten
" zu. Institutionell habe am Ausgang des neutesta-
mentlichen Zeitalters Petrus gesiegt, theologisch weithin Paulus,
womit eine bleibende Spannung zwischen Institution und Evangelium
gegeben sei, die als Spannungseinheit zu sehen ist, wobei beide
Pole zur Geltung kommen müßten, freilich so, daß einerseits das
Evangelium den Vorrang vor der Institution hat, andererseits aber
ohne die Institution in seinem Bestand gefährdet ist.

Auch wer M. nicht in allem zu folgen vermag und manches anders
sieht, wird diese Quaestio Disputata nicht ohne Gewinn lesen.
Sie kann das ökumenische Gespräch sicher in nützlicher Weise begleiten
und befruchten.

Staaken Hanjä-Gebhard Bethge

Lohse, Eduard: Die Briefe an die Kolosser und an Philemon, übers,
u. erklärt. 2., um einen Anhang erweiterte Aufl. dieser Neuauslegung
. Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht 1977. 295 S.
gr. 8° = Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament
, IX, 2. Lw. DM 36,-.

Die hiermit anzuzeigende zweite Auflage des Kommentars von
E. Lohse ist - mit Ausnahme eines kurzen Anhangs - identisch mit
der ersten Auflage aus dem Jahre 1968. Es darf also auf deren
Würdigung in dieser Zeitschrift verwiesen werden (ThLZ 95, 1970
Sp. 271-274). (Die zweite Auflage der Neuauslegung entspricht der
15. in der Zählung des gesamten Kommentarwerks [die Einrichtung
des Titelblatts hat sich in der Zwischenzeit ein wenig geändert
].) Der neue Anhang stellt auf den Seiten 289-292. Durch
seine Zwischenschaltung haben sich die Seitenzahlen des noch folgenden
Registers verschoben; jetzt S. 293-295. In diesem Anhang
nimmt L. kurz Stellung zu je zwei zu Phlm und Kol inzwischen erschienenen
Kommentaren. Es handelt sich einerseits um die Auslegung
von Phlm und Kol durch J. Ernst in der Reihe des Regensburger
Neuen Testaments (1974), andererseits um den Phlm-Kom-
mentar von P. Stuhlmacher (1975) und den Kol-Kommentar von
E. Schweizer (1976), mit denen die neue Reihe „Evangelisch-katholischer
Kommentar zum Neuen Testament" kürzlich eröffnet worden
ist. L. hebt das Gemeinsame wie das Trennende in den Auffassungen
zu den exegetischen Hauptproblemen heraus, um angesichts
der Differenzen seine eigene Position noch einmal zu unterstreichen
. (Vgl. auch Lohses Rezensionen: ThLZ 100, 1975 Sp.
">93f; 102, 1977 Sp. 359f)

Berlin Hans-Martin Schenke

Achtemeier, Paul J.: Mark as Interpreter of the Jesus Tradition
(Interp. 32, 1978 S. 339-352).

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(Theol. Diss., Göttingen 1978). Druck u. d. T.: Die Bergpredigt.
Rezeption und Auslegung im 20. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhocck
& Ruprecht [1979]. 273 S. gr. 8° = Göttinger Theologische
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Crossan, John Dominic: Waking the Bible. Biblical Hermeneutic
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Dietzfelbinger, Christian: Die Antithesen der Bergpredigt im Verständnis
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