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Ausgabe:

1980

Spalte:

96-98

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Gnosis and gnosticism 1980

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

06

zaig avzov (oti fj,)sza tiov zeXu)(vwv)

xai t(ov aCjJ.aQjzioXuw (sa)9-iEi xafi n)i 10

17 vei xai axovafag q) Ig Xeye(i)
Oti ov XQictv e/ovaif o(i loj^vorzeg i

axQov a'XX oi x(a)xa>s s^ovzeg ovx r;X
!)ov xaXtsoai ä(i)xaiovg aXXa ajj,aoz(a

18 Xovg xai (ri)aav xzX 15

Die Ergänzungen des stark beschädigten Textes, die hier in Klammern
gesetzt sind, sind eindeutig, so daß der Text einen unbestreitbaren
Wortlaut bietet. Die Unterstützung, die er der Lesart des
Sinaiticus bietet, wird verstärkt durch Eigenarten des Abschreibers
. Er markiert Sätze und Sinnabschnitte nicht, wie etwa P66,
durch ein Zeichen, sondern einerseits durch das Hinausziehen einer
Zeile über den linken Seitenrand wie in Zeile Ol und 12 unseres
Textes, andererseits durch einen leeren Raum innerhalb einer Zeile
wie Zeile 11 und 15. Es kann jedoch auch, wie der Papyrus an anderer
Stelle eindeutig zeigt, einfach ein neuer Zeilenanfang einen
neuen Ansatz markieren. Das ist erkennbar, wenn die vorige Zeile
sich in der Länge von den anderen unterscheidet. Dies kann ungewöhnliche
Kürze oder Länge der vorhergehenden Zeile sein, daß sie
den rechten Zeilenrand nicht erreicht oder überschreitet. Von daher
könnte Zeile 05 einen Neuansatz markieren, da die vorhergehende
Zeile mit 30 Buchstaben 3 mehr als der Durchschnitt der Zeilen hat.
Es wäre damit der Punkt hinter noXXoi, den die l.Aufl. des GNT
setzte, in P88 begründet. Läßt sich dies nicht abschließend belegen,
da der Papyrus nicht genügenden Umfang hat, so zeigt der jedoch
eindeutig, daß für ihn mit unserem Vers 15 ein neuer Abschnitt beginnt
, also kein Zusammenhang zwischen der Berufung des Levi
und dem Zöllnermahl besteht. Damit wird auch verständlich, daß
rixoXov&ovv mit dem Subjekt „Schriftgelehrte der Pharisäer" für
ihn sachlich nicht von der „Nachfolge" des Levi her bestimmt ist,
sondern säkular das Hinterhergehen bedeuten kann.

Damit ist aber P88 ein weiterer gewichtiger Zeuge für die Lesart
des Sinaiticus. Stellen wir nunmehr die äußere Bezeugung der Lesarten
einander gegenüber, so lesen das xai vor iSovzeg P88 Sin
D L A ß 33 0130 vit itDgeo copbo. Sicher ist es die Mehrheit der
HSS., vor allem der Minuskeln, die dagegen steht, jedoch sind von
den ältesten Majuskeln nur der Vaticanus, Alexandrinus und Eph-
raemi auf dieser Seite, unterstützt von einer Vielzahl der Itala.
Muß man von daher die Bezeugung als ausgeglichen bezeichnen, so
haben die inneren Gründe das Schwergewicht, und sie sprechen
sicher für die Ursprünglichkeit des xai, da seine Tilgung sich eindeutig
erklären läßt (s. o.).

Damit soll jedoch nicht zuerst gegen den Text von GNT3 an
dieser Stelle und für den Text der 1. Auf läge plädiert werden, so
sehr sich diese Folgerung aus unserer Analyse der Textbezeugung
ergibt. Es sollte an zwei Kriterien die Problematik eines Monopoltextes
aufgezeigt werden, die sich für jeden Monopoltext notwendig
zeigt. (1) Das subjektive Urteil auch eines Komitees ist wandelbar
. Es muß sich notwendig aufgrund der Entwicklung der Forschung
und der Exegese wandeln, weil es durch den jeweiligen
Stand der Forschung bestimmt ist. Diese Subjektivität des Urteils
steht jeder Monopolisierung eines Textes entgegen. (2) Neue Funde
alter Textzeugen können das Gewicht der äußeren Bezeugung verlagern
, wie dies an unserem Beispiel durch P88 der Fall ist.

Diese Problematik wird um so schwerer wiegen, wenn - wie angekündigt
- der Monopoltext auch alle Übersetzungen bestimmen
wird. Damit scheint fast das alte Dogma der Verbalinspiration in
neuer Form zu begegnen. Der auf wissenschaftlichem Wege mit
Hilfe des Computers erstellte Text erhält - zumindest bei Studenten
und in der Gemeinde - den Heiligenschein des Urtextes. Der
Computer tritt an die Stelle des Heiligen Geistes. Hatte die erste
Gemeinde einst geschrieben „denn der Heilige Oeist und wir haben
beschlossen" (Apg 15,28), so wird das Votum des Komitees verstanden
als „der Computer und wir haben entschieden'1. Gewiß liegt dies
nicht in der Absicht des Komitees, aber es wird so verstanden
werden.

Welche andere Lösung bietet sich an? Die 26. Auf läge des Nestle/
Aland Testaments ist noch in Arbeit. Sie soll sich von dem GNT3 in
mancher Weise unterscheiden. Es wäre zu überlegen, ob nicht bei
dieser Neuauflage das ursprüngliche Prinzip des, .neutralen Textes''
festgehalten werden sollte. D. h. es könnten neben den von Nestle

verwandten Ausgaben des griechischen Neuen Testaments noch
andere - auch GNT3 - verwandt werden, um in N28 ein Spiegelbild
nicht nur des gegenwärtigen Standes der Forschung zu gewinnen,
sondern auch der Forschungsgeschichte. Die Arbeit der großen
Herausgeber aus dem vorigen Jahrhundert würde nicht der Vergessenheit
preisgegeben werden.

Der Aufsatz wurde im Dezember 1978 abgeschlossen, so daß sich der angegebene
Wunsch auf eine Neuauflage N27 richtet.

1 Bericht der Stiftung zur Förderung der NT-Textforschung 1977. S. 22f.
1 Vgl. K.Aland: NOVI TESTAMENT! GKAECIEDITIO MAIOK CItITICA,
NTS 16,1969, S. 163ff.

3 Bericht der Stiftung 1977, S. 22.

* Die Übersetzung „er hörte ihn oft", die auf eine semitische Grundlage zurückgreift
, mag am Anfang das Verständnis bestimmt haben, aber die syrische Version
zeigt, daß man das o.g. Verständnis als Grundlage für die Textveränderung
setzen kann: many things that he hoard from him he did. (K. Lohmcyer, Das
Evangelium des Markus, 1957, S. 119 Anm. 5.).

'Vgl. dazu Bruce M.Metzger: A Textual Commentary ou the Greek New
Testament, 1971, zu den Stellen.

' Nach der Übersetzung von J.A. Bengel aus dem Jahre 1753.

7 Nach Tischendorfs Editio Academica 1895.

" Bruce M. Metzger a.a.O. S.78.

"Vgl. dazu G.Kittel, ThWNT I, S. 214, der den „prägnanten Gebrauch",
„streng auf die Nachfolge Jesu beschränkt", von einem „religiös bedeutungslosen
Hinterhergehen" unterscheidet.

10 Siehe K. L. Schmidt: Der Kähmen der Geschichte Jesu. Neudruck 1964,
S. 84f, sowie R. Bultmann: Geschichte der synopt. Tradition '1958, S. 16.

Allgemeines, Festschriften

Krause, Martin [Ed.]: Gnosis and Gnosticism. Papers read at the
Seventh International Conference on Patristic Studies (Oxford,
September 8th-13th 1975). Leiden: Brill 1977. X, 233 S. gr. 8°
= Nag Hammadi Studies, VIII. Lw. hfl. 96,-.

Der Band enthält 13 Referate vom 7. Internationalen Patristi-
kerkongreß 1975 in Oxford und ein Referat, das von C.-A. Keller,
vom 13. Internationalen Religionshistorikerkongreß 1975 in Lan-
caster. Nach Vorwort und Sigelliste der Nag-Hammadi-Texte
nebst einer (leider nicht vollständigen) Bibliographie der Textausgaben
enthält Kapitel I vor allem Untersuchungen zu den
Schriften von Nag Hammadi. M. Scopello: „Les citations d'Ho-
mere dans le traite de l'Exegese de l'ame" (3-12) gelangt auf Grund
des Vergleichs der biblischen und homerischen Textstücke in „der
Exegese über die Seele" (NHC II, 6) zu der Annahme, daß der
Autor ein Florilegium mit biblischen und klassischen Texten benutzt
hat. Untersuchungen wie diese sind beim derzeitigen Stand
der Gnosis- und Nag-Hammadi-Forschung sehr zu begrüßen. Denn
will man mit den „Hauptproblemen der Gnosis" vorankommen,
dann ist es unerläßlich, mehr als bisher nach den verarbeiteten
Traditionen einer Schrift zu fragen, nach ihrem literarischen Charakter
, nach den Prinzipien ihrer Auswahl und Deutung, nach dem
Überlieferungszusammenhang eines Traditionselements etc. Auf
diese Weise könnte mancher Trugschluß vermieden und zugleich
ein Pfad durch den Dschungel der ungelösten Gnosisfragen gebahnt
werden. - In seinem Beitrag „Der Dialog des Soter in Codex
III von Nag Hammadi" (13-34) bietet M. Krause zunächst eine
Übersicht über die bis 1975 erschienenen Faksimile- und Textausgaben
der Nag-Hammadi-Schriften. Dem folgt eine Behandlung
sowohl des literarischen Genus von NHC III, 5 (Dialog ohne
Rahmenhandlung) als auch der inhaltlichen Besonderheiten dieses
Textes im Vergleich mit anderen gnostischen Texten („Unsere
Schrift ist mit vielen gnostischen Schriften verwandt", 33) und
mit dem NT. - Mit NHC V, 5 beschäftigt sich F. M o r a r d: „L'Apo-
calypse d'Adam de Nag Hammadi. Un essai d'interpretation"
(35-42). Die Adamapokalypse in der vorliegenden Form enthält
gnostisierte Stoffe aus der jüdischen Apokalyptik, die von einem
Redaktor (aus einem „milieu sethien archontique" mit einer antitraditionellen
Taufkonzeption) harmonisiert und ergänzt wurden.
Die Abwesenheit christlicher Elemente weise ebenfalls in die Richtung
der Archontiker und auf vorchristlichen Ursprung. - K. Ko-
schorke behandelt „Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche
Christentum" (43-49) an Hand der Nag-Hammadi-Schrift
„Testimonium Veritatis", ein Thema, das K. in seiner jetzt als
Buch erschienenen Dissertation auch auf die viel besser erhaltene
„Apokalypse des Petrus" und andere Texte ausgedehnt hat. Es
geht dabei um die Frage nach dorn Charakter von „christlicher