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Ausgabe:

1980

Spalte:

91-96

Autor/Hrsg.:

Bartsch, Hans-Werner

Titel/Untertitel:

Zur Problematik eines Monopoltextes des Neuen Testaments 1980

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Theologische Literatuizeitung 105. Jahrgang 1980 r. 2

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und mich Keden Israels sein will, sondern daß der letzte Anstoß für
das Entstehen des AT im Glauben an die Zukunftsgültigkeit der in
der Geschichte sich ereignenden Offenbarung Gottes liegt, daß das
Historische also nur als gegenwärtige oder zukünftige Wirklichkeit
Bedeutung hat. Und insoweit weist die historisch-kritische Sicht
des AT über sich selbst hinaus, transzendiert sich und macht sich in
gewisser Hinsicht selbst überflüssig, weil sie das AT als Heilige
Schrift hat sehen und verstehen helfen und seine Aktualität für
den christlichen Glauben heute aufgezeigt hat.

* Vorläufer dieses Beitrags wurden vorgetragen auf der 16. Tagung der Hochschultheologen
der Ostseeländer vom 20.-23. 6. 77 in Kopenhagen und bei einer
Gastvorlesung in Leipzig am 28. 3. 78.

1 Wissenschaft vom Alten Testament (AVTKW, 1), 1958 = Der Herr ist Gott,
1978,13-38.

■ O. Eißfeldt, Julius Wellhausen (Kl. Sehr. I, 1962, 56-71 = Kl. Sehr. z. AT,
1971, 409-424), 57 = 410.

• J. Wellhausen, Grundrisse zum AT, hrsg. v. E. Smend, 1965,13-64.
•A.Jepsen, Wellhausen in Greifswald (Festschr. z. 500-Jahrfeier der Univ.

Greifswald, II, 1956, 47-56 = Der Herr ist Gott, 1978, 254-270), 54 = 206.
' A.a.O. (Anm. 1), 14.

■ Wort und Glaube I., »1967, 382.
' A.a.O., 49.

■ A.a.O. (Anm. 1), 15. - Vgl. aber auch Jepsen, Die Botschaft des AT (FS
H. Schreiner, 1953,149-163). - ders., Theologie des AT (Bericht von der Theologie
, hrsg. v. G. Kulicke, K. Matthiae u. P.-P. Sänger, 1971,15-32 = Der Herl- ist
Gott, 1978,142-154).

• Vgl. hierzu etwa A.Weiser, Glaube und Geschichte im AT, 193L = Glaube
und Geschichte im AT, 1961, 99-182. - A. Lauha, Die Geschichtsauffassung der
Propheten Israels (ThFen 1,1939,1-6). - G. v. Itad, Der Anfang der Geschichtsschreibung
im alten Israel (AKuG 32, 1944, 1-42 = Ges. Stud. z. AT, 1958.
148-188). - M. Noth, Geschichte und Gotteswort im AT, 1949 = Ges. Stud. z.
AT, 1957, 230-247. - II. Gese, Geschichtliches Denken im Alten Orient und im
AT (ZThK55, 1958, 127-145 = Vom Sinai zum Zton, 1974, 81-98). - H.W.
Wolff, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Prophetie (EvTh 20,
1960, 218-235 = Ges. Stud. z. AT, 1964, 289-307). - It. llendtorff, Geschieht"
und Wort im AT (EvTh 22, 1962, 021-019 = Ges. Stud. z. AT, 1975, 60-88). -
ders., Geschichtliches und weisheitliches Denken im AT (FS W. Zimmcrli, 1977,
344-356). - E.A. Speiser, The Biblical bleu of History in its Common Near
Eastern Setting (Orlental and Biblical Sludies, 1967, 187-210).

10 Jcsajas Verständnis der Geschichte (Suppl VT 9, 1963, 83-117), 85.

11 A.a.O., 87-89.

" Vgl. hierzu etwa E. Würthwein, Geschichte' und Verantwortung (Wort und
Existenz, 1970, 296-308).

'* W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes nach dein Buche Ezechiel, 1954 = Gottes
Offenbarung,1963,41-119.

14 Vgl. hierzu H.-J. Zobel, Der kaiiaanäischc Hintergrund der Vorstellung vom
lebendigen Gott (WZ Greifswald 24,1975,187-194).

11 Prolegomena zur Geschichte Israels, "1905, 95.

'* Geschichte der israelitischen Religion, 1909,151.

" Vgl. auch zum folgenden S. Wagner, Alt.iärai (ThWAT II, 1977,313-329),
319-322.

" H.-J. Zobel, Art. haesued (ThWAT III, Lfg. 1, 1978, 48-71), 68-69.
" A.a.O. (Anm. 15),'23!

20 E. Smend, Elemente alttestamentlichen Geschiclitsdenknns, 1968, 18-23.

11 Vgl. hierzu vor allem H. D. l'rcuß, Jahweglaube und Zukunftserwartung.
1968. - W. H. Schmidt, Zukiinftsgewißheit und Gegenwartskritik, 1973. -
Eschatologie im AT, hrsg. v. H. D. Preull, 1978.

Zur Problematik eines Monopoltextes des Neuen Testaments

Das Beispiel Markus 2, Vers 15 und 16

Von Hans-Werner Bartsch, Frankfurt/M.

Die 3.Aiifläge „The Greek New Testament" (GNT3) bietet einen Kodex Sinaiticus im Jahre 1859 durch Tischendorf an seiner

Text, der aller Voraussicht nach eine Monopolstellung gewinnen „editio octava critica maior" des Neuen Testaments zeigt. Beide

wird. Die Neubearbeitung des Nestle/Aland Testaments in der Gründe sollen dargelegt werden.

26.Auflago (N26) wird diesen Text übernehmen und ebenso Neu- Daß die Entscheidung eines Komitees subjektiv bleibt und d&r-

auflagen der beiden Synopsen, Synopsis quattuor Evangeliorum um in der Folge der Zeit Veränderungen bewirken kann, beweist

ed. K.Aland und die seit 1893 immer wieder neu aufgelegte Sy- ein Vergleich zwischen der l.Auflagedes GNT, 19(56 undder3.Auf-

nopse der drei ersten Evangelien von Albert Huck, seit 1935 neu- läge 1975. Allein im Markusevangelium sind 9 Unterschiede im

bearbeitet von H. Lietzmann. Derselbe Text wird zudem für Kon- Text festzustellen. Außer dem gesondert zu untersuchenden Unter-

kordanzen und Wörterbücher bestimmend sein und auch für alle schied in 2,15f sind es die folgenden:

Übersetzungen die Grundlage bilden, wie dies bereits bei der Nach- j Auflage 3 Auflage

revision des Luther-Testaments von 1975 der Fall war.1 Eine sol- TI . . - . TT , ., ,

. . - , 3,32 Und sie sagten zu ihm: Siehe, Und sie sagten zu ihm: Siehe, deine

che Entwicklung erscheint aufgrund der immer vollkommener deine Mutter und deine Brüder Mutter und deine Brüder (und deine

werdenden Technik bei der Auswertung und Kollationierung der draußen suchen dich. (B) Schwestern) draußen suchen dich. (C)

Textzeuiren nicht, nur als notwendig Da eben diese modernen Hilfs- 5,21 Und als Jesus wieder auf die Und als Jesus (im Hoot) wieder auf

texizeugen nicnt nur aisnoiwenuig. tDenaiese modernen nins andere Seit« hinübergefahren die andere Seite hinübergefahren war

mittel und die breite Basis der Textforschung in verschiedenen war... (B) ... (D)

Instituten es wahrscheinlich machen, daß der neue Text dem ur- 6,2 Was ist das für eine Weisheit, Was ist das für eine Weisheit, die dic-

.. i_ m .. , i i__. . . , i i > die diesem gegeben ist, daß auch sem gegeben ist? Und was für Kraft-

sprunglu hen Text optimal nahe kommt, erscheint es auch als be- Krafttaten durch seine Hände taten, die durch Mine Hände gesche-

rechtigt, diesen Text zur Grundlage aller exegetischen Arbeiten geschehen? (B) ben? (C)

und der Übersetzungen zu nehmen.2 Der Hinweis, daß der Nestle- 6>20 Und wenn Herodes ihn hörte, Und wenn Herodes ihn hörte, war er

_ , ... . rw ■ ,i u ■ u . n ,, tat er vieles, und er horte ihn sehr ratlos, und er hört" ihn gern. (D)

Text über lange Zeit eine ähnliche Monopolstellung hattc,J macht geln, (q<

allerdings auch den Unterschied deutlich, der in der Begründung 8,16 Und sie machten sieh unterem- Und sie machten sich untereinander

der Monopolstellung besteht. Der Nestle-Text wollte betont ein tataBmrtUOV^ Wirhabeu «jdanken, weil sie kein Brot hatten,

„neutraler Text" sein, insofern er die Bilanz aus vorhergehenden 10 46 Bemaus, eill Blinder, saß am liartimäus. ein blinder Bettler, saß am

Textausgaben zog und keine eigene Entscheidung fällte. Die Aus- Weg und bettelte. (C) Weg. (C)

gaben von Konstantin von Tischendorf, Bernhard Weiß und West- n.2- -'esus sagt zu ihnen: Wenn ihr Jesus sagte zu ihnen: Habt Glauben

w . tt . i ' j . , i i -i i l Glauben an Gott habt, wahrlieh an Gott! Wahrlich, ich sage euch, wer

cott-Hort unter Heranziehung der Ausgabe von Sodens bildeten icn sag,, euuh> wer zu diesem zu diesem Berge sagt... (B)

die Grundlage des Nestle-Textes. Erst seit der 17.Auflage erlaub- Berge sagt... (B)

ten sich die Herausgeber Eingriffe in den Text selbst, GNT3 ist 15,39 Als aber der Centurio .. . sah, Als aber der Gcnturio ... sah, daß er

, , -X , . T m r i j daß er so schreiend verschied... so verschied .. . (C)

demgegenüber das Ergebnis der lextiorschung selbst unter der (B)

Verantwortung eines Komitees. Insofern auch hier eine Mehrheit»- Die hinter den Texten gesetzten Buchstaben, die im GNT von A

entscheidung die Gestalt des Textes bestimmt, ist der Subjcktivi- bis ü die Wahrscheinlichkeit nennen, die das Komitee für die Text-

tät des einzelnen Forschers eine Grenze gesetzt. Dennoch bleibt lesart annimmt) unterstreichen die Wandlungsmöglichkeit des Ur-

oine subjektive Entscheidung bestimmend. teils. ßei fünf Stellen hatte das Komitee 1966 der Textiesart mit

Diese Entwicklung zu einem Monopoltext ist aus zwei Gründen großer Wahrscheinlichkeit (B) die Ursprünglichkeit zugesprochen,

problematisch. Einmal ist es die genannte Subjektivität der Ent- versagte sie ihr aber neun Jahre später, nannte in einem Fall sogar

Scheidung, die in einer bestimmten exegetischen Auffassung be- die nunmehr gebotene Alternative mit dem gleichen Wahrschein-

gründet ist, einer Auffassung, die sich ändern kann. Und zum an- lichkeitsgrad ursprünglich. Gerade wenn man in den meisten Fäl-

deren kann nicht ausgeschlossen werden, daß neu gefundene Text- len die Argumentation des Komitees für die 1975 angenommene

zeugen die Entscheidung korrigieren können, wie dies der Fund des Textlesart5 für schlüssig hält, wird die Problematik eines Monopol-