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Ausgabe:

1959 Nr. 3

Spalte:

184

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lamparter, Helmut

Titel/Untertitel:

Das Buch der Psalmen ; 1.Psalm 1 - 72 1959

Rezensent:

Weiser, Artur

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Theologische Literaturzeitung 1959 Nr. 3

184

komplex 40—42 herantrat, in folgender Weise sehen zu sollen:
Kristallisationskern ist der Theophaniebericht 43,1—11. Ihm ist
bald nach Abschluß von 40—42 eine genaue Altarbeschreibung
mit folgendem Ritual der Altarweihe, die in 40—42 nicht mehr
Eingang fand, durch den vermittelnden Vers 42, 12 angeklammert
worden. Er hat das hier zuvor angefügte, der nasi-Schicht entstammende
Gesetz über das verschlossene Osttor (44, 1—3) von
43, 1—11 abgesprengt. Unabhängig davon hat der gleiche Redaktor
dem verbleibenden Stoff der nasi-Schicht (ohne ihn dem eben
genannten Stoff zunächst anzufügen) vorn und hinten je ein Ritual
zugefügt, so daß der Komplex 45, 18 — 46, 15 (noch unver-
bunden!) entstand. Durch eine an 43, 1 ff. angelehnte Überleitung
(44, 4 f.) wurde dann in einem weiteren Redaktionsgang
die inzwischen zusammengearbeitete nasi- und Sadoqiden-Schicht,
an die sich weitere Elemente angegliedert hatten, zugefügt (so
hat das Stichwort rrai-n in 44, 30a an das stark erweiterte
Sadoqiden-Element 44,6—31 die Beschreibung der Land- rroi~n
45, 1—17, einen stilisierten Auszug aus dem zunächst abseits
bleibenden volleren Landverteilungsplan 47,13 — 48,29, herangezogen
; in 45,18 — 46,15 folgt das na6i-Element mit einem
Anhang 46, 16—18). Noch später trat daran der Anhang über die
Opferküchen 46, 19 ff. Der ebenfalls mit dem Element der visionären
Führung gestaltete Bericht über den Tempelstrom 47, 1 — 12
dürfte den Abschluß dieser Redaktionsphase gebildet haben.
Schließlich trat in einer letzten Wachstumsphase die in 45, 1—12
schon exzerpierte Landverteilungsliste in ihrer älteren Gestalt
an, dazu die Stadtschilderung 48, 30—3 5. — Erwägungen über die
Geschichte des nasi-Amtes, für das der mit Schenazzar (l. Chr.
3,18) gleichgesetzte Scheschbazzar (Esr. 1,8.11; 5,14), Scrub-
babel und wohl auch der Ostanes des Elephantinepapyrus 30
(Cowley) zu nennen sind, über seine Zurückdrängung durch die
Priester und die Spuren dieser Ereignisse in P beschließen die
traditionsgeschichtliche Untersuchung.

Exkurse über die Dimensions- und Situationsangaben in
Ez. 40—42, die Termini p->r und Vipn und die Bedeutung der
Himmelsrichtungen in 40—48, dazu 4 Zeichnungen (das äußere
Osttor, Querschnitt durch den Tempel, Grundriß des westlichen
Tempelgebietes, die Türen zum hekal) dienen der Klärung verschiedener
Teilprobleme.

Gese hat ohne Zweifel eine sehr wertvolle und für alle
kommende Forschung bedeutsame Weiterarbeit an Ez. 40—48
geleistet. Das gilt zunächst von der umsichtigen und mit gutem
Urteil vollzogenen Arbeit an der Textgrundlage, welche in der
Erfassung aller erheblichen Zeugen und der Abwägung ihrer jeweiligen
Vorgeschichte vorbildlich genannt werden darf. Wer
selber am Ezechielbuch arbeitet, wird nur bedauern, daß diese Arbeit
nicht vollständig zum ganzen Komplex 40—48 vorgelegt
werden konnte. Auch hätte man gerne bei einzelnen Versen
(etwa 41,6.8) noch den vollen Übcrsetzungswortlaut gehört.
Wertvoll sind die literar- und formkritischen Analysen des Textes
(das mrr fia S. 52, Z. 8 wird richtiger nicht als „Botenspruch
", sondern als „Einleitungsformel des Botenspruches" bezeichnet
). Am unmittelbarsten überzeugen die daraus gezogenen
traditionsgeschichtlichen Folgerungen wohl in dem zu 40—42
Gesagten. Nicht mit gleichem Mut wage ich das von dem Ergebnis
der Analyse von 43—48 zu sagen. Zwar sind auch hier die
Thesen vom Nachtragscharakter von 47,13 — 48,35 und dem
Anhangscharakter der Perikope vom Tempelstrom innerhalb von
43,1 —47,12 ernsthafter Erwägung wert. In der Herausarbeitung
der dann doch wieder zerrissenen nasi-Schicht und der Sado-
qidenschicht und dem auf dieser Basis skizzierten komplizierten
Wachstumsprozeß von 40—48 dagegen dürfte durch Gese kaum
schon das letzte Wort gesprochen worden sein. Vor allem will
sich mir der Raum, den diese nach Gese programmatisch stark
voneinander verschiedenen Schichten für ihre Herausbildung benötigen
, nicht zusammenreimen mit dem nicht allzugroßen zeitlichen
Spielraum, den Gese, m. E. zu Recht, der Bildung des Gesamtkomplexes
40—48 einräumt. Nach S. 122 möchte Gese als
terminus ante quem für die Sadoqidenschicht die Statthalterschaft
des Serubbabel annehmen, die nasi-Schicht aber in die exilische
Zeit legen. Nach S. 108 soll der Bauentwurf „laufend nach den
historischen Bauten des zweiten Tempels" korrigiert worden sein.
Zurückhaltender bezeichnet S. 109 als die „realen Voraussetzungen
" der weiteren Ausgestaltung des Entwurfs „Baureste und
Ruinen", womit wir wohl wieder in die Zeit vor 520 geführt
würden. — Die große Frage, die sich in diesem Zusammenhang
immer wieder aufdrängt, lautet: Ist die Zufügung nicht nur der
eschatologischen Aussage vom Tempelstrom (47, 1—12), sondern
vor allem auch der utopischen Landverteilungsliste von 47, 13 ff.
(und ihrer Spiegelung in 45, 1 ff.), die so souverän über alle wirklichen
Gegebenheiten des Landes hinweggeht, in ihrer Entstehung
und Zufügung zum Gesamtentwurf anderswo denn im Exil vor
der Neukonstituierung der Gemeinde denkbar? Ist das spekulative
Wagnis dieser großen Gesamtschau des „Ganz Neuen" zu
der Zeit noch denkbar, wo man schon wieder 6elber im Lande
sich mit den konkreten Mühen des Neubaus zu befassen hat?
Haggai und Sacharja möchten es widerraten. Tritojesaja lebt
geistig von den großen Visionen Deuterojesajas, des Exilspropheten
. Muß man abeT mit dem Gesamtentwurf von Ez. 40—48 ins
Exil gehen, dann wird der Raum für die weitgespannten Auseinandersetzungen
, die Gese hinter 43-47 vermutet, zu eng.

Ganz am Rande sei noch die Frage aufgeworfen, wie weit
nicht die traditionsgeschichtliche Frage an die Landverteilungselemente
in Ez. 40—48 auch die Landverteilungstradition des
Josuabuches mitbedenken müßte.

Wer am Buche Ezechiel arbeitet, wird Geses Arbeit mit großer
Dankbarkeit entgegennehmen, sowohl in den Dingen, die sie
neu und tiefer zu klären vermag, wie auch in den Thesen, die
zu Widerspruch und neuen Fragen reizen.

Güttingen Walther Zimmerli

L am p a r t e r, Helmut: Das Buch der Psalmen I. Psalm 1—72. Übers,
u. ausgelegt. Stuttgart: Calwer Verlag [1958]. 349 S. 8° = Die Bot-
cchaft des Alten Testaments. Erläuterungen alttestamentlicher Schriften
Bd. 14. Lw. DM 14.50.

Nachdem die Auslegung der Psalmen, die Abramowski für
die Reihe „Die Botschaft des Alten Testaments" geschrieben
hatte, längere Zeit vergriffen war, tritt nun die Bearbeitung durch
Lamparter an ihre Stelle. Sie beruht durchweg auf eigener Übersetzung
und Auslegung und hat gegenüber der Zweiteilung von
Abramowski in „Das Buch des betenden Volkes" und das „Buch
des betenden Gottesknechts" sich an die Anordnung der Psalmen
in ihrer biblischen Reihenfolge gehalten. Das bedeutet eine praktische
Erleichterung, wenn auch der Verf. gelegentlich hinter der
Aufeinanderfolge der Psalmen zuviel Theologie zu finden glaubt.
Die Übersetzung ist gut, besonders auch auf klangliche und
rhythmische Wirkung bedacht im Blick auf das laute Lesen, das
der Verf. nicht müde wird zu empfehlen. Die kurzen Bemerkungen
zu den verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten schwieriger
Texte reichen allerdings kaum aus für eine eigene Kontrolle des
Lesers am Urtext.

In einer „Da6 Geheimnis des Psalters" betitelten Einleitung
werden die Ergebnisse der „literarkritischen Forschung", d. h.
die verschiedenen Einleitungsfragen zum Psalter kurz referiert,
um in „das theologische Grundproblem des Psalters" einzumünden
: „Wie kann Gottes Wort zugleich Gebet zu Gott 6ein?"

Darin sieht denn auch der Verf. die Aufgabe seiner Auslegung
der einzelnen Psalmen, daß er bei jedem Psalm den theo-
zentrischen Hintergrund in Verbindung mit ähnlichen Aussagen
des AT herausarbeitet, um auf dieser Basis die umgekehrte Frage
zu beantworten: „Wie kann Gebet zu Gott zugleich Gottes Wort
sein?" Daß es dem Verf. nicht immer gelingt, einzelne Psalmen
dieser Thematik einzuordnen, und daß dabei angesichts seiner
manchmal gewundenen Apologetik und allzu rasch angewandten
„christologischen" Deutung wie etwa bei Ps 68 oder 45 manche
Fragen besser offen bleiben sollten, mag am Rande vermerkt werden
. Abgesehen davon verdient das fleißige und sorgfältige Bemühen
des Vcrfs., die Psalmen für christliche Erbauung, Gebet
und Verkündigung verständlich zu machen, immerhin Anerkennung
.

Tübingen Artur Weiler