Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1881 Nr. 13

Spalte:

312-313

Autor/Hrsg.:

Kraussold, L.

Titel/Untertitel:

Die Katechetik für Schule und Kirche 1881

Rezensent:

Schmidt, Woldemar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

3ii Theologifche Literaturzeitung. 1881. No. 13. 312

und nach dem Ideal der Religion wiffenfchaftlich noth-
wendig, fo hat der Verf. nicht danach gehandelt, fofern er
die beftimmte Antwort auf die zweite Frage ftets in die
Löfung der erften einwirken läfst. Er konnte alfo auch
wohl beide Fragen in richtiger Abftufung ihrer Beziehungen
zugleich löfen, und was er bei feinen Vorgängern
in diefer Hinficht fehlerhaft findet, ift wohl nicht von
principiellem Werthe, fondern Folge eines verkürzten Verfahrens
. — Da ich auf Wunfeh der Redaction es einmal
übernommen habe, diefes Buch anzuzeigen, fo kann ich
mich endlich nicht hinwegfetzen über eine Aeufserung
des Verf.'s in der Vorrede. Er erwähnt, dafs er in öffentlichen
Blättern als mein Anhänger bezeichnet werde

Verftändnifs der heiligen Schrift enthalten wäre, nicht
nach der Willkür in der Verwendung der Schrift, wäre
die kirchliche Lehrweife zu üben. Vielleicht wird der
Verf. durch nichts mehr als durch diefes Project Anftofs
erregen. Ich kann ihm zum Troft nur bezeugen, dafs er
damit die Grenze der ,Partei der vornehmen Wiffenfchaft'
überfchreitet.

Göttingen. A. Ritfeh 1.

Kraussold, Konfift.-R. Hauptpred. Dr. L., Die Katechetik
für Schule und Kirche. Neubearbeitet. Erlangen 1880,
Deichert. (X, 421 S. gr. 8.; M. 5. —
,Dafs das nicht ganz zutrifft, dürfte dies Buch zeigen', Bekanntlich hat Kraufsold bereits i. J. 1843 eme

womit das Bekenntnifs verbunden wird, dafs er mir die ,Katechetik' veröffentlicht (Erlangen, Enke;. Kehrte er
theologifchen Anfchauungen verdanke, welche er gegen mit vorliegendem Werke in den Tagen des Alters zu

früher gehegte eingetaufcht hat, und die er für beffer
begründet hält als jene. Ich fürchte, dafs diefe Recla-
mation ihm nicht helfen wird gegen die theologifchen
Garderobiers, die jeden von uns wie einen abgelegten
Ueberrock mit einer Nummer verfehen und an den Nagel
hängen. Der Widerfpruch, welchen der Verf. im
erften Abfchnitt direct gegen mich erhebt, conftatirt
m. E. keine Entfremdung, er ift theils, wie ich nachge-
wiefen habe, nicht ganz begründet, theils mehr in einer
gewiffen Pedanterie, als in der Sache gegründet, theils
beweift er, dafs religionsphilofophifche Probleme noch
zu löfen find. Auch die indirecten Abweichungen,
welche die Inhaltsbeftimmung des Chriftenthums im
zweiten Abfchnitt darbietet, kann ich nicht fo fchwer
nehmen. Hier behandelt der Verf. Themata, die über
das Gebiet meiner Verföhnungslehre hinausreichen, ent-
fprechend der Feftftellung feiner Aufgabe. Die Gedan-

dem Gegenftand zurück, dem er mit rüftiger Manneskraft
zu dienen fuchte, fo ift ein Doppeltes für ihn be-
ftimmend gewefen: theils die Wahrnehmung, dafs der
katechetifchen Formenlehre noch immer fo wenig Sorgfalt
gefchenkt werde wie vor vierzig Jahren, theils der
Wunfeh, der früheren Arbeit die mannigfachen Förderungen
zu Gute kommen zu laffen, welche die kateche-
tifche Wiffenfchaft neuerdings, vornehmlich durch von
Zezfchwitz, erfahren habe. Eben deshalb ift nicht eine
neue Auflage, fondern eine neue Bearbeitung des alten
Werkes entftanden. ,Die Grundfätze zwar, auf welchen
es im allgemeinen ruhte, blieben diefelben, aber einzelne
Partieen mufsten neu gefchaffen, andere umgearbeitet
und ergänzt, andere gekürzt und theilweife als überflüffig
befeitigt, theilweife mit andern verfchmolzen werden'.
Was der Verfaffer hier (Vorwort S. VII) felbft ausfpricht,
beftätigt fchon eine flüchtige Vergleichung beider Schriften

kengruppe, an der ich ihm vorgearbeitet habe, hat er in I Ein Neues hat Kraufsold gegeben, fofern feine jüngft

wefentlicher Uebereinitimmung mit mir erörtert, theilweife
mit Ergänzungen, die ich billige, oder zur Discuf-
fion geeignet achte, theilweife mit Verkürzungen, die ich
nicht anerkennen möchte. Ich meine z. B., dafs die re-
ligiöfen Tugenden im Chriftenthum nicht genügend betont
, dafs die Bedeutung des Dankes als Kern des
Gottesdienftes nicht anerkannt, dafs die Correlation der
geiftigen Beherrfchung der Welt mit der Gottheit Chrifti
nicht hervorgehoben, dafs die Identität des menfehlichen
Selbftzweckes mit dem Selbftzweck Gottes als Grund

erfchienene Arbeit bei ungleich geringerer Paragraphenzahl
(43 gegen 182) um Vieles umfangreicher ift als die
frühere (421 S. gegen 3*28); aber das Alte tritt aus der
Neubearbeitung entgegen, fofern Grundanfchauung und
Gruppirung im Wefentlichen unverändert find. Auch
hier wird die Katechetik (S. 40 fg.) als die Wiffenfchaft
von den Principien und Regeln für ein zweck -
mäfsiges Entwickeln des religiöfen Seins und Lebens
der Jugend zu ihrer geiftlich kirchlichen Mündigung'
(vergL Katechetik v. J. 1843 S. 17 fg.) bezeichnet, und

der Seligkeit nicht gegen den unbeftimmteren Begriff der demgemäfs die Darfteilung derfelben wie früher in zwei

Theilnahme am göttlichen Leben abgeftuft wird. Dagegen
tritt der Verf. bei jeder Veranlaffung kräftig ein
gegen die Einmifchung der Myftik in das Verftändnifs
des Chriftenthums. Ich finde nur einen Gedanken in
dem Buch, der einen mir widerfprechenden Gefichtspunkt
ausdrückt. ,Das mit Chrifto in Gott verborgene Leben
der Seele ift der Kern der chriftlichen Religion, und das
Verhältnifs zur Welt eine Seite, eine nähere Beftimm-
ung diefes Lebens in Gott' (S. 76. 239. 441. 465). Das
ift aber, wie ausdrücklich zugeftanden wird, ein myfti-
(cher Satz, den ich nicht zu reimen vermag mit der
übrigen Oppofition des Verf.'s gegen die Myftik und mit
feiner Deutung des Reiches Gottes, welches in Einem
als das höchfte Gut und das fittliche Ideal des Chriftenthums
zu begreifen ift. Das find nicht ,zwei Seiten', nach

Haupttheilen fo vollzogen, dafs der eine (S. 50—230)
den katechetifchen Stoff, der zweite (S. 231—421) die
katechetifche Behandlung und Form zum Gegenftande
hat. Hierbei zerfällt der erfte Haupttheil wieder in drei
Abfchnitte, davon der erfte die Quelle, der zweite den
Inhalt, der dritte die Anordnung des Stoffs behandelt.
Der andere Haupttheil dagegen befchreibt zuerft die
zweckmässige Behandlung des Lehrftoffs im Allgemeinen,
wie fie die Natur feines Inhalts fordert, und fodann die
Behandlung, wie fie durch das katechetifche Subject be-
ftimmt wird, d. i. die eigentliche katechetifche Lehrform.
Diefe Gruppirung des Materials, von untergeordneten
Aenderungcn abgefehen der früheren conform, würde
eine Verbefferung geftattet haben. So fehr ihr fehein-
bar der Vorzug der Einfachheit eignet, ift fie einer all-

denen man abwechfelnd fich richten dürfte, fondern die j feitigen Darfteilung der Wiffenfchaft nicht eben günftig

Sache ift die, dafs wenn man diefes höchfte Gut er
greifen will, man in ihm fittlich handeln mufs, und wenn
man auf das Reich Gottes fittlich (alfo auf die Menfchen-
welt hin) handelt, man feiig ift. Leider kann ich aus
der Fülle des zweiten Abfchnittes nicht mehr hervor-

zu nennen. Für mehr grundlegende, principielle Fragen
läfst fie zumal nicht die erfchöpfende Erörterung zu,
welche zu wünfehen wäre. Zwar hat in diefer Hinficht
die ,Einleitung' (S. i — 50) Manches nachgeholt, was
früher (S. 1 — 24) nur kurz behandelt war, und nament-

heben ; er enthält des Anregenden fehr Viel. Nur mache I lieh auch der Gefchichte des Katechumenates mehr Raum
ich noch aufmerkfam auf die praktifche Folgerung, j gewidmet. Aber die wichtige Lehre von der katecheti-
welche der Verf. für die gefunde Entwickelung der evan- fchen Gemeinde bleibt auf Andeutungen in fj$ 2 und 6
gelifchen Kirche ftellt, nämlich die Forderung eines Glau- ; befchränkt. Literatur-Angaben fehlen nicht; ihre Un-
bensbekenntnifses, in welchem die mittelalferigen Ele- j vollftändigkeit erklärt fich wohl aus der Beftimmung der
mente der Lehrfchriften der Reformation ausgefchieden Katechetik ,für Kirche und Schule'. Sehr häufig wird
wären. Nach folcher Norm, in welcher das richtige j auf das Palmer'fche Werk Bezug genommen. Da aber