08.11.2024
Martin Tamcke zum Gedenken (1955–2024)
Nach längerer Krankheit ist am 2. November 2024 Martin Tamcke verstorben. Für die
Theologische Fakultät ist sein Tod ein schmerzlicher Verlust. Martin Tamcke war bereits seit
seinem Studium der Philosophie, Orientalistik und Evangelischen Theologie (1975–1981) und
seiner Zeit als Repetent für Ostkirchengeschichte (1981–1984) mit der Göttinger Universität
verbunden. Nach Stationen in Marburg, wo er seine Dissertation und Habilitation verfasst hat, und
in Hermannsburg, wo er von 1994–1999 als Dozent für Kirchengeschichte lehrte, ist er 1999 nach
Göttingen zurückgekehrt und hat hier bis zum Jahre 2021 die Professur für Ökumenische Theologie
unter besonderer Berücksichtigung der orientalischen Kirchen- und Missionsgeschichte
übernommen. In dieser Position hat er die Göttinger Tradition der Ostkirchenkunde nicht nur
fortgeführt, sondern zu einer neuen Blüte gebracht. Martin Tamcke kann als einer der bekanntesten
und wichtigsten Ostkirchenkundler der Gegenwart gelten, auch international hat er großes Ansehen
genossen.
Zu den Schwerpunkten seiner Forschung gehörte die syrische Kirchengeschichte; für viele Jahre
war er Vorsitzender des deutschen Syrologen Symposiums und hat in der renommierten
wissenschaftlichen Reihe der »Göttinger Orientforschungen« die »1. Reihe: Syriaca« als
Herausgeber verantwortet. Da die Geschichte und Gegenwart des orientalischen Christentums nicht
ohne Bezug zum Islam verstanden werden kann, hat er dieses Thema zu einem weiteren
Schwerpunkt seiner Forschung gemacht. Einschlägig wurde hier sein Band »Christen in der
islamischen Welt. Von Mohammed bis zur Gegenwart« (2008). Über das orientalisch-orthodoxe
Christentum hinaus hat Martin Tamcke auch das byzantinisch-orthodoxe Christentum in den Blick
genommen. Mit seinen zahlreichen Publikationen hat er dabei nicht nur solide und verständliche
Einführungen in eine für das westliche Christentum oft fremde Welt gegeben, wovon etwa seine
Darstellungen »Im Geist des Ostens Leben. Orthodoxe Spiritualität und ihre Aufnahme im Westen«
(2008) oder »Das orthodoxe Christentum« (32017) Zeugnis geben. Es war ihm vielmehr stets auch
ein Anliegen, auf die politisch oft prekäre Lage des orthodoxen Christentums in verschiedenen
Ländern des Nahen Ostens, in Ägypten, in Äthiopien, in Armenien und die damit verbundenen
Migrationsphänomene aufmerksam zu machen.
Martin Tamckes akademische Tätigkeit war begleitet von der Einsicht, dass zu einem tieferen
Verständnis des orthodoxen Christentums die lebendige Begegnung mit seinen Vertretern gehört. Er
ist deshalb viel gereist und hat ein weit verzweigtes internationales Netzwerk mit etwa 40
Partneruniversitäten aufgebaut. Zugleich hat er dafür Sorge getragen, dass internationale
Begegnungen in Göttingen möglich sind, indem er die Studiengänge »Intercultural Theology« und
»Eurocultures« mitbegründet und über viele Jahre geleitet hat. Eng verbunden war er mit dem
Programm »Studium im Mittleren Osten« (SIMO), das Studierenden einen Studienaufenthalt an der
Near East School of Theology in Beirut ermöglicht. Als akademischer Lehrer hat er Generationen
von Studierenden die Welt des orthodoxen Christentums in eindrücklicher Weise erschlossen und
zahlreiche Doktoranden betreut.
Schließlich hat sich Martin Tamcke auch in ökumenische Gespräche eingebracht, er gehörte der
EKD-Konsultationsgruppe mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen und der Kommission für den
Dialog der EKD mit der Russischen Orthodoxen Kirche an.
Für sein vielfältiges Engagement hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter die
Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät an der Universität in Joensuu (2009), der Åbo
Akademi University in Turku (2014), der Lucian-Blaga-Universität in Sibiu (2017) und der
Mahatma-Gandhi-Universität in Kottayam (2018), auch wurde ihm das Bundesverdienstkreuz
verliehen (2016).
Die Theologische Fakultät trauert um ihren verstorbenen Kollegen und wird ihm ein ehrendes
Andenken bewahren.
Prof. Dr. Jennifer Wasmuth
Ökumenische Theologie
Prof. Dr. Martin Laube
Dekan
Georg-August-Universität Göttingen