01.01.2015

Herausgebermitteilung: Martin Petzoldt zieht sich aus dem Herausgeberkreis zurück

50 Jahre – von 1964 bis 2014 – hat Martin Petzoldt die Geschichte der ThLZ wie kaum ein anderer miterlebt und mitgeprägt. Niemand aus dem Herausgeberkreis ist so lange mit unserer Zeitschrift verbunden und kennt ihre Bezüge zur Theologischen Fakultät in Leipzig so gründlich wie er. Schon während seines Theologiestudiums war er unter den Professoren Sommerlath und Amberg mit Arbeiten für die ThLZ betraut worden und hatte als Hauslektor für die ThLZ gearbeitet. Gemäß der damals wie heute strengen Regeln wurde ihm erst nach zehn Jahren 1975 erstmals gestattet, eine Rezension zu schreiben. Das wurde schnell anders und seine Beiträge für die ThLZ gehören seit Jahrzehnten zum Kernbestand unserer Arbeit. Nach der Wende wurde er 1992 Mitherausgeber der ThLZ mit dem Schwerpunkt Systematische Theologie/Ethik und Bachforschung.

In diesem Bereich – zum Leben und Wirken Johann Sebastian Bachs und zu seinem Wirkungsort in Leipzig: der Thomaskirche – sind viele seiner wichtigen Publikationen erschienen: Bach als Ausleger der Bibel, Berlin und Göttingen 1985; Ehre sei dir Gott gesungen, Berlin und Göttingen 1988 (2. Aufl. 1990); Ioanni Sebastiano sexagenario, Leipzig 1995 (2. Aufl. 1999); Leuchtende Erinnerung. Neugotische Gedächtnisfenster d. Thomaskirche, Leipzig 1997 (2. Aufl. 2010); Bach-Almanach, Leipzig 2000; St. Thomas zu Leipzig, Leipzig 2000 (2. Aufl. 2012); Bachs Leipziger Kinder. Taufzettel von Johann Sebastian Bachs eigener Hand, Leipzig 2008; Die Altäre der Thomaskirche, Leipzig 2012.

Keiner kennt die Verschlingungen zwischen ThLZ und Verlag, Fakultät, Universität, Stadt und Kirche so gut wie er. Als es 2008 während der chaotischen Umbrüche in der Leitung der EVA Spitz auf Knopf stand, dass die ThLZ abgewickelt werden könnte, hat Martin Petzoldt sich maßgeblich bei der Sächsischen Landeskirche in Dresden für die Sache der ThLZ eingesetzt. Ohne sein Detailwissen aller wichtigen Umstände im Verhältnis von ThLZ, Verlag und Kirchenleitung sowie der zuständigen Personen und ihrer Verantwortlichkeiten wäre es noch schwieriger geworden, zu der guten Lösung zu finden, die wir heute glücklicherweise haben.

Martin Petzoldt weiß wie wenige um die enge Verbindung von Musik, Glaube und Theologie. Beide, Musik und Glauben, entstehen aus dem Hören, die Musik am Ohr, das vernimmt, der Glaube im Herzen, das versteht. Beides ist nicht mit dem zu verwechseln, was man lernt, wenn man gelehrte Werke studiert, so förderlich und belehrend das sein kann. Man muss sich in der Musik und im Glauben vielmehr für das öffnen lassen, was einem zugespielt wird, was einem die Ohren öffnet und das Herz zum Klingen bringt, was den Verstand zum Verstehen bewegt und das Gemüt zum Klagen und zum Danken. Manchmal mag das Erleben von Musik und von Glaube kaum zu unterscheiden sein, und es braucht auch nicht unterschieden zu werden. Man kann mit Tönen predigen und mit Worten Musik machen. Aus gutem Grund hat Bach sich nicht nur als Kantor verstanden, der allein für die Musik zuständig ist, sondern auch als Teilhaber am Verkündigungsamt, der seine Musik zur Ehre und zum Lob Gottes geschaffen hat. Nichts von all dem geht ohne Hören, und Hören kann man lernen – in der Musik und im Glauben.

In den letzten Jahre hat eine schwere Krankheit dem Schaffensdrang Martin Petzoldts sehr entschieden Grenzen gesetzt. In bewundernswürdiger Weise hat er unter schwierigen Umständen an seinen Verpflichtungen der ThLZ gegenüber so lange festgehalten, bis ein Nachfolger gefunden werden konnte. Es war sein Wunsch, zum Jahresende als Mitherausgeber auszuscheiden. Der Herausgeberkreis der ThLZ hat das mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Mit seinem Rücktritt endet eine Epoche, weil erstmals kein Mitglied der Theologischen Fakultät in Leipzig mehr die Geschicke der ThLZ mitbestimmen wird.

Martin Petzoldt hat sich 50 Jahre für die ThLZ in einer Weise eingesetzt, für die wir ihm mit Hochachtung und Respekt nur danken können. Unsere Zeitschrift verdankt ihm viel, und wir werden das nicht vergessen. Wir wünschen ihm die Zeit und die Kraft, die angefangenen Schriften vollenden und neue Arbeiten in Angriff nehmen zu können. Er wird uns im Herausgeberkreis fehlen. Aber wir hoffen, dass er die Arbeit der ThLZ mit seinem Rat, seinem Erfahrungsschatz, seinem klaren Urteil und seinem Humor auch weiterhin wohlwollend begleiten wird. Ad multos annos!

Ingolf U. Dalferth