04.04.2022

Raimund Hoenen (1939–2022) zum Gedenken

Die Theologische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg trauert um Prof. em. Dr. Raimund Hoenen, Professor für Evangelische Theologie und Didaktik des Religionsunterrichts, der am 22. Januar 2022 im Alter von 82 Jahren verstorben ist.
Raimund Hoenen wurde 1939 in Erfurt als Sohn des Pfarrers Richard Hoenen und seiner Ehefrau Elisabeth geboren. Er wuchs in Großmorna (Kreis Eckartsberga) und Viernau (Kreis Suhl) auf und besuchte von 1953 bis 1957 die Erweiterte Oberschule in Zella-Mehlis, wo er das Abitur ablegte. Als Nicht-Mitglied der FDJ erlebte er dort neben aller Marginalisierung aufgrund seines als »falsch« deklarierten »Klassenstandpunkts« auch engagierte Lehrer, bei denen es möglich war, politisch-weltanschauliche Diskussionen zu führen. Im Rückblick schrieb Raimund Hoenen in seiner religionspädagogischen Autobiographie, dass »Familie, Kirche und Schule« diejenigen Lernorte waren, »die mit ihren Harmonien und Dissonanzen meine religiöse Erziehung prägten und das Fundament legten, Bildungsaufgaben in Kirche und Gesellschaft wahrzunehmen.«
Von 1957 bis 1962 studierte Raimund Hoenen an der Humboldt-Universität in Berlin Theologie und absolvierte im Anschluss das Lehrvikariat in Berlin-Lichtenberg. 1963 wurde er von der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen zum Studieninspektor an der Predigerschule Erfurt berufen. Zugleich arbeitete er zunächst als Vikar und später als Pfarrer im Hilfsdienst an der Predigerkirche Erfurt. 1964 heiratete er Charlotte Rathmann und wurde gemeinsam mit ihr als erstes Ehepaar in der Landeskirche in der Erfurter Augustinerkirche ordiniert. 1967 absolvierte Raimund Hoenen sein Zweites Theologisches Examen und wurde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit einer Arbeit über »Die bleibende Bedeutung des Dogmas für bewußten christlichen Glauben – dargestellt anhand der Problematik und Diskussion von HARNACKS Dogmengeschichte« promoviert. Diese systematisch-theologische Arbeit vertiefte er von 1968 bis 1975 als Dozent an der Predigerschule Erfurt für Systematische Theologie in der akademischen Lehre. Zugleich war er Pfarrer an der Reglergemeinde Erfurt.
1975 wechselte er nach Potsdam-Hermannswerder und übernahm dort bis 1984 als Rektor die Leitung des Kirchlichen Oberseminars, das als vorbereitende Ausbildungsstätte für das Theologiestudium fungierte und sich selbst als Alternative zur Erweiterten Oberschule verstand. Schülerinnen und Schüler, denen aus kirchenpolitischen Gründen der Zugang zur Erweiterten Oberschule verwehrt worden war, konnten hier ein allerdings nur innerkirchlich anerkanntes Abitur erwerben. In enger Verzahnung von Lehre und Leben wurde dort im Gegenüber zum funktionalen Bildungsverständnis der DDR eine umfassende Bildung zu initiieren versucht. Als wesentliche Merkmale dafür markierte Hoenen ein breites Sprachenfundament, die Kontinuität geschichtlichen Verstehens, ein ideologiefreies Denken, kreatives Gestalten und partnerschaftliche Kommunikation. 1984 nahm Raimund Honen den Ruf auf die 1. Provinzialpfarrstelle als Dozent für Praktische Theologie/Katechetik am Katechetischen Oberseminar in Naumburg, einer der drei Kirchlichen Hochschulen auf dem Gebiet der DDR, an. 1988/89 war er dessen Rektor, nach der staatlichen Anerkennung als Kirchliche Hochschule wurde er 1990 zum Professor für Katechetik und Religionspädagogik ernannt. In dieser Zeit wurde für ihn – wie er rückblickend schreibt – »immer deutlicher, dass die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit und die weiteren kirchengemeindlichen Angebote das Defizit einer christlichen und religiösen Bildung durch den fehlenden Religionsunterricht in der Schule nicht ausgleichen konnten.« In der kontrovers geführten Diskussion um die Einführung des Religionsunterrichts nach 1989 votierte er bereits früh für eine – wie er sagte – »ideologiefreie ethisch-religiöse Bildung« und »eine Schule mit kirchlicher Verantwortung für das Fach Religion, das nicht nur ›dimensional‹ in anderen Fächern vorkommt.«
Mit der Schließung der Kirchlichen Hochschule Naumburg wurde Raimund Honen 1993 als Professor für Praktische Theologie an die Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät in Erfurt berufen. Zwei Jahre später erfolgte der Ruf nach Halle als Professor für Evangelische Theologie und Didaktik des Religionsunterrichts. Damit verbunden war die Lehrtätigkeit für die Grundschulausbildung am Wolfgang-Ratke-Institut in Köthen, bis sie 1997 in die Erziehungswissenschaftliche Fakultät nach Halle überführt wurde.
Seit 1997 war Raimund Honen für die gesamte religionspädagogische Ausbildung der Studierenden für die Lehrämter und das Pfarramt verantwortlich. Zugleich beteiligte er sich an der Fort- und Weiterbildung der Ethiklehrkräfte in Magdeburg und Halle sowie der Religionslehrkräfte an der Fakultät in Verbindung mit dem Pädagogisch-Theologischen Institut in Wernigerode und Drübeck.
In seinen Veröffentlichungen hat Raimund Honen immer wieder darauf hingewiesen, dass die Kirchen ihre Bildungsverantwortung sowohl in der Schule als auch in den gemeindepädagogischen Handlungsfeldern wahrzunehmen haben. Dementsprechend engagierte er sich nicht nur im Arbeitskreis für Gemeindepädagogik, dessen Gründungsmitglied er 1991 war, sondern auch im Arbeitskreis für Religionspädagogik. Den Kontakt dorthin hatte er bereits in seiner Naumburger Zeit seit 1986 regelmäßig pflegen können.
»Die Nachbarschaft und Partnerschaft von Kirche, Schule und Familie bleibt eine Herausforderung und Aufgabe von Gemeindepädagogik und Religionspädagogik«, hält Raimund Hoenen resümierend in seiner religionspädagogischen Autobiographie fest. In Lehre und Forschung hat er immer wieder eindrücklich darauf hingewiesen. In seinen Ämtern wirkte er in großer Treue und Verlässlichkeit.
Unser Mitgefühl gilt in besonderer Weise seiner Ehefrau, seinen Kindern und Enkelkindern.
Die Theologische Fakultät der Martin-Luther-Universität wird Raimund Hoenen in Dankbarkeit ein ehrendes Andenken bewahren.

Prof. Dr. Friedemann Stengel, Dekan der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Michael Domsgen, Seminar für Evangelische Religionspädagogik der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg