Buch des Monats: Oktober 2014
Martin Leuenberger
Segen und Segenstheologien im alten Israel. Untersuchungen zu ihren religions- und theologiegeschichtlichen Konstellationen und Transformationen
Zürich: TVZ 2008, X, 562 S. = Abhandlungen zur Theologie des Alten und des Neuen Testaments 90. Geb. EUR 58,00. ISBN 978-3-290-17452-1.
Die Vorstellung vom Segen, einer heilsschaffenden Lebenskraft, die dem Menschen von außen, sei als transpersonal oder personal, vermittelt, wird, gehört zu den ganz elementaren religiösen Vorstellungen. Wenn diese Thematik als solche schon seit Langem im Horizont der alttestamentlichen Wissenschaft steht, so ist das Verdienst der 2008 erschienenen Habilitationsschrift Martin Leuenbergers die verschiedenen Segenskonzepte der alttestamentlichen Überlieferung mit ihren Transformationen aufgearbeitet und mit außerbiblischen Belegen aus Epigraphik und Ikonographie korreliert zu haben. In einer sorgfältigen Zusammenschau von biblischer und außerbiblischer Überlieferung kann M. Leuenberger zeigen, dass der Segen bereits ein zentrales Thema im religiösen Symbolsystem der mittleren Königszeit in Israel darstellt, wobei hier die Konzeption noch ganz im Horizont primärer Religionserfahrung steht und auf die individuell-materielle Lebenssteigerung zielt. Erste Transformationsprozesse werden bereits um 700 deutlich, wenn sich eine Öffnung auf den Kontext des Volkes und eine erste Verlagerung der Segenskonzeption ins Jenseits andeutet, eine Tendenz, die sich dann in der Blütezeit der Segensthematik von 720 bis 587 fortsetzt. Nach der Exilszeit findet schließlich ein Neuentwurf der Segenskonzeption statt, denn nun wird der Segen mit Schöpfungsvorstellungen verbunden; zudem erfährt er nun eine kulttheologische Zuspitzung. Insgesamt bedeutsam für die alttestamentlichen Segenstheologien in ihrer jetzigen Textgestalt sind ihre personale Bindung an JHWH als den Spender des Segens; manche Texte deuten aber eindeutig auf ein älteres Substrat, das auf einen magisch, gleichsam aus sich selbst wirkende Segenskraft verweist (so insbesondere Gen 27). Der Autor beschließt sein mit Hinweisen auf die Anschlussfähigkeit der Thematik an eine christliche Segenstheologie. Das entscheidende Moment in diesem Zusammenhang liegt darin, für die Relevanz des Segens im praktischen Religionsvollzug zu sensibilisieren, Konzepte magischer Segenswirkung kritisch zu reflektieren und die Segensthematik in einen größeren Horizont einzubauen: „Wohl und Heil diesseitigen Segens manifestieren sich in bestimmten individuellen kollektiven Lebenssituationen als irdische Fragmente eschatologischen Heils.“ (486)
Martin Leuenbergers Buch bietet einen hervorragenden Überblick über die Reichhaltigkeit biblischer Segenstheologien in diachroner und systematischer Hinsicht. Neben gründlichen exegetischen Einzelstudien besticht die Arbeit durch die Systematisierung der Einzelergebnisse, die auch Verbindungen zur Entstehung des Pentateuchs aufzeigt, und durch die faszinierenden Interpretationen des zeitgenössischen ikonographischen und epigraphischen Materials. Durch das Zusammenspiel von biblischer Überlieferung mit dem außerbiblischen Quellenmaterials des Alten Orients ergeben sich weitreichende Einblicke in die Religionsgeschichte des Alten Israel und die Theologie der Hebräischen Bibel, die zudem anschlussfähig für Systematik und Praktische Theologie im Kanon der theologischen Disziplinen.
Beate Ego (Bochum)