Book of the month: October 2011

Ringleben, Jochim

Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her.

Tübingen: Mohr Siebeck 2010. XI, 638 S. Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie, 57. Lw. EUR [D] 149,00. ISBN 978-3-16-150578-2.

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Die Absurdität der Behauptung, die Aufgabe historischer Lutherdeutung liege bei systematisch arbeitenden Theologen in ungeeigneten Händen, erweist sich derzeit nirgendwo deutlicher als in der von Joachim Ringleben jüngst vorgelegten Monographie. Denn sein Bestreben, eine im Horizont des modernen Wahrheitsbewusstseins plausible christliche Sprachphilosophie zu entwerfen, erschließt im präzisen, historisch differenzierten Rückgang auf die Sprachtheologie Martin Luthers das dafür konstitutive Verifikationspotential.
Dergestalt erfüllt das Buch eine zweifache, komplementäre Funktion: Es bringt die anhaltende Rekonstruktionsarbeit an Luthers theologischem Sprachdenken entscheidend voran – und es gewinnt daraus zugleich den Zusammenhang einer eigenen, auf der Höhe der Zeit verantworteten theologischen Sprachlehre.
Was in der „Grundlegung“ (30-90) für das Verhältnis von Gott und Wort fundamentaltheologisch gesichert wird, sieht sich in der „Durchführung“ (91-620) zu einer konzisen, in elf Kapiteln konkretisierten Glaubenslehre entfaltet. Dabei erweisen sich vier elementare Koordinaten – nämlich Gott, die Schöpfung, der Mensch als Sprachwesen sowie Christus als das menschgewordene Wort – als diejenigen Bestimmungsmomente, die allen weiteren Aspekten christlicher Dogmatik ihre Kontur, Identität und kontextuelle Lozierung verleihen. Mögen darum auch die nacheinander abgeschrittenen Stationen – von dem sakramentalen Wort über die Kirche als creatura verbi, die Erscheinungsweisen des Wortes Gottes als Gesetz und Evangelium, die Relationen von Wort und Schrift, Wort und Glaube, Wort und Geist, Wort Gottes und menschlicher Vernunft bis hin zu einer „Eschatologie des Wortes“ (550-620) – in ihrer Benennung als konventionell erscheinen, so zeigt die jeweilige Ausführung doch auf ebenso überraschende wie beglückende Weise, wie nutzbar es einerseits sein kann, die gegenwärtige theologische Sachverantwortung in dem von Luther gestifteten Traditionszusammenhang wahrzunehmen, und wie erhellend es andererseits ist, den Wahrheitsanspruch, den zentrale Texte des Reformators – etwa die „Freiheitsschrift“ (193-209) oder „De servo arbitrio“ (208-219) – erheben, im pointierten Zugriff des systematischen Theologen weit tiefer als in der Nacherzählung des Theologiehistorikers erschlossen zu finden.

Albrecht Beutel (Münster/Westfalen)

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