Buch des Monats: Januar 2011
Frey, Jörg, Krauter, Stefan, u. Hermann Lichtenberger [Hrsg.]
Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung.
Tübingen: Mohr Siebeck 2009. XXIII, 834 S, = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 248. Lw. EUR 199,00. ISBN 978-3-16-150110-4.
Martin Hengel, einer der großen Neutestamentler des 20. Jahrhunderts, der im vergangenen Jahr gestorben ist, galt als der wohl beste Kenner aller antiken Quellen, die für das Verständnis des Neuen Testaments erhellend sind. Sein letztes Werk, eine groß angelegte Geschichte des frühen Christentums, blieb unvollendet, aber der erste Band, „Jesus und das Judentum“ (Tübingen 2007, Rez. ThLZ 134, 685–688), lässt die Konturen seiner Gesamtsicht klar erkennen: Es ging Hengel darum zu zeigen, dass in der ganzen Geschichte Jesu Christi – in seinem vorösterlichen Wirken ebenso wie in dem Ostergeschehen und seiner Folge: der Entstehung und Entwicklung des antiken Christentums – das Einwirken Gottes in die Geschichte von Welt und Menschheit erkennbar wird. Gerade die Historiker und Philologen des Altertums, mit denen er lebenslang in Verbindung stand und zu denen er sich im Grunde selbst rechnen durfte, tragen nach Hengel mit ihren Quellen, Methoden und Ergebnissen dazu bei, dass den Theologen die Geschichtsbezogenheit des Neuen Testaments als Grundurkunde ihres Glaubens vor Augen geführt wird.
Es war daher naheliegend, ein Symposium zum 80. Geburtstag Martin Hengels im Jahr 2007 dem Thema „Heil und Geschichte“ zu widmen. 35 Beiträge dazu von Alt- und Neutestamentlern, Judaisten, Philologen, Althistorikern, Kirchenhistorikern und Systematikern liegen jetzt gedruckt vor. Gewicht erhält der repräsentative Band durch einen grundlegenden Text, in dem Hengel selbst noch einmal seine Sicht zu Begriff und Sache der „Heilsgeschichte“ prägnant zusammenfasst (3–34). Ausgehend von der heute weit verbreiteten Kritik an diesem auf J. C. K. von Hofmann (1810–1877) zurückgehenden Begriff, deren partielle Berechtigung er durchaus eingesteht, bekennt Hengel doch klar: „Ich wüsste kein besseres und präziseres Wort, um das seit der Aufklärung brennende Problem des Verhältnisses von Glauben und Geschichte auf den Begriff zu bringen.“ (10) Als „biblischen und kirchenhistorischen Tatbestand“ bezeichnet er die Einsicht: „Die Bibel ist, zumindest ‚äußerlich gesehen’, vom ersten bis zum letzten Kapitel, von Gen 1 bis Apk 22, das Buch der universalen ‚Heilsgeschichte’.“ (12) Unter Berufung auf Karl Barth und Martin Kähler und in Auseinandersetzung vor allem mit Rudolf Bultmann und seinen Schülern kommt er zum Schluss: Der christliche Glaube „… gründet auf der Geschichte Jesu Christi, die auch die Gegenwart und Zukunft des Glaubenden bestimmt“ (22). In diesem Sinne sei der Begriff „Heilsgeschichte“ für die Theologie unverzichtbar, nicht zuletzt, um „jede(m) apologetisch-fundamentalistische(n) Biblizismus“ zu wehren, „der sich auf die buchstäbliche Inspiration und Irrtumslosigkeit der kanonischen Schriften beruft und aus der Bibel ein Gesetzbuch macht, sie gewissermaßen als ‚christlichen Koran’ betrachtet“. (32)
Karl-Wilhelm Niebuhr (Jena)