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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1233 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Stein, Edith

Titel/Untertitel:

Was ist der Mensch? Theologische Anthropologie. Bearb. u. eingel. v. B. Beckmann-Zöller.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005. XXXIV, 222 S. 8° = Edith Stein Gesamtausgabe, 15. Geb. EUR 33,00. ISBN 3-451-27385-3.

Rezensent:

Jörg Splett

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Stein, Edith: Potenz und Akt. Studien zu einer Philosophie des Seins. Eingeführt u. bearb. v. H. R. Sepp. Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005. XXXVII, 279 S. 8° = Edith Stein Gesamtausgabe, 10. Geb. EUR 37,00. ISBN 978-3-451-27380-3.
Stein, Edith, u. Hedwig Conrad-Martius: Übersetzung von Alexandre Koyré, Descartes und die Scholastik. Einführung, Bearbeitung u. Anmerkungen v. H.-B. Gerl-Falkovitz. Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005. XXIX 223 S. 8° = Edith Stein Gesamtausgabe, 25. Geb. EUR 34,00. ISBN 978-3-451-27395-7.


Seit dem Sommer 1925 arbeitet sich E. Stein, neben ihrer Lehrtätigkeit an der Dominikanerinnenschule in Speyer, intensiv in die Phi­losophie des Thomas von Aquin ein, vor dem Hintergrund der Husserlschen Phänomenologie und im Blick darauf, beide miteinander ins Gespräch zu bringen (siehe ihren Beitrag zur Husserl-Festschrift 1929). 1930 fasst sie zudem, nach verschiedenen Gesprächen, den Entschluss zu einem erneuten Habilitationsversuch in Freiburg. Daraus wird, von Januar bis September, das Schreibmaschinen-Skript Potenz und Akt. Doch der Versuch scheitert, wie andere Pläne. Nach mehrfachen kleineren Ansätzen geht St. erst 1935 im Karmel, auf Anordnung ihrer Oberen, daran, den Text druckfertig zu machen. Der Neuansatz führt indes zu einem ganz neuen Buch, dem Hauptwerk Endliches und ewiges Sein. Der Herausgeber fragt natürlich nach der Bedeutung der verbliebenen Schrift und weist auf die eigene Perspektive hin sowie auf die Sonderproblematik eines phänomenologischen Zugangs – nicht einfach »zu den Sa­chen«, sondern zur Sache in einem Text. Der vorliegende Text be­ruht auf Rekonstruktion dank zweier Typoskripte aus St.s Nachlass. Ihn ergänzen ein Verzeichnis der zitierten Literatur und ein Personenregister.
Im Wintersemester 1932/33 hat St. am Münsteraner katholischen Institut für wissenschaftliche Pädagogik eine Vorlesung zur philosophischen Anthropologie gehalten. Die theologische Fortsetzung war dann nicht mehr als Vorlesung möglich. St. wollte sie da­für als Buch ausarbeiten – eine »dogmatische Anthropologie« (XIII), in der nach eigenem Konzept angeordnete Dogmen-Aussagen von ihr (in anderer Schriftart) erläutert werden. Die Schritte: Erschaffung und Urstand, Fall, der Gottmensch, Erlösung, die Sakramente, die Wirkungen der Gnade. Das Projekt kam jedoch nicht zum Abschluss, weil ihr Lebensweg sie noch 1933 in den Karmel geführt hat. Mit schon gewohnter Sorgfalt informiert die Herausgeberin über Umstände und Konzept des Unternehmens, erschließt in Fußnoten (neben Übersetzung der lateinischen Ausdrücke) Begriffe und Namen und stellt dem Leser abschließend ein ausführliches Literaturverzeichnis (Quellen, zitierte oder erwähnte, von ihr ergänzte und schließlich in der Einführung genannte Titel), ein Personen- und Sachregister zur Verfügung.
Der dritte Band ist, wenngleich nicht neu, doch eine Neuentdeckung. Das Buch von Koyré erschien 1923 bei F. Cohen, Bonn, ohne Nennung der Übersetzerinnen und ohne Hinweis auf das 1922 veröffentlichte französische Original. Die Herausgeberin skizziert die Jahre 1921–22 als Zeit der (religiösen) Entscheidung für die beiden Freundinnen, sie stellt den Autor vor und informiert über seine Beziehungen zum »phänomenologischen ›Urkreis‹« (XI). Zur Ausgabe selbst spricht sie die auffällig vielen Druckfehler der ersten wie einer zweiten Repro-Auflage an. Die sind jetzt beseitigt, Lücken geschlossen, die oft nur angedeuteten Literaturangaben ergänzt, genannte Namen in den Fußnoten erläutert und latei­nische Begriffe dort übersetzt: viel Kleinarbeit im Dienst des Lesers.
Auf die Einführung folgt also eine rekonstruierte Bibliographie der zitierten Primärliteratur sowie der Sekundärliteratur, 1. (re­konstruiert) zum Text, 2. zur Einführung. Das Werk selbst ist hier nicht vorzustellen noch seine Descartes-Sicht im Einzelnen zu diskutieren. Ziel ist vor allem, die Verwurzelung dieses originären Denkers in der Tradition aufzuweisen (Augustinus, Anselm, Thomas, Bonaventura, Duns Scotus ...), die er selbst immer wieder in Abrede gestellt hat. Die Schrift besteht (in gewisser Neugliederung durch die Übersetzerinnen [XIV f.]) aus drei Kapiteln: Descartes’ Gottesidee, die Quellen seines Systems, seine Gottesbeweise, mit einem Anhang zur Angeborenheit der Ideen (Descartes’ Nativismus, Thomas, Illuminismus Augustins) und einem umfangreichen Teil (137–221) durchnummerierter Quellenbelege, überwiegend lateinisch (abschließend ein Namenregister).
S. 29 ist von Gott als Schöpfer des Guten und des Bösen die Rede; dazu hätte ich gern eine Fußnote gelesen (wäre nicht auch zwischen Passivität und Rezeptivität [z. B. 30 f.] zu unterscheiden?); doch hat selbstverständlich die Herausgeberin alles Recht – und die besten Gründe –, sich zurückzuhalten (wo läge zudem die Grenze?). Zu den eingefügten Übersetzungen indes seien mir an drei Stellen Rückfragen erlaubt: praeter necessitatem = über Gebühr (19)? Die ratio ratiocinans hieße statt »vernünftelnd« (39) doch wohl besser »folgernd« (obwohl ihr hier merkwürdigerweise das fundamentum in re entgegengestellt wird). Schließlich, wichtiger, das quia (99.123): M. E. heißt es in logischen Zu­sammenhängen anstatt weil: dass (ratione quia = aus dem Grunde dass – in Opposition von demonstratio/scientia und díoti [propter quid]).
Die Ausgabe schreitet also zügig voran (inzwischen sind weitere Bände erschienen), nach wie vor in der seinerzeit schon angesprochenen Sorgfalt, schon bei der äußerlichen Aufmachung beginnend.