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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1232 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Meisinger, Hubert, Drees, Willem B., and Zbigniew Liana [Eds.]

Titel/Untertitel:

Wisdom or Knowledge? Science, Theology and Cultural Dy­namics.

Verlag:

London-New York: T & T Clark International (Continuum) 2006. XIII, 157 S. gr.8° = Issues in Science and Theology. Kart. £ 25,00. ISBN 0-567-03100-4.

Rezensent:

Martin Hailer

Der Band dokumentiert die Plenarvorträge und ausgewählte Sektionsreferate beim 10. Kongress der European Society for the Study of Science and Theology (ESSSAT), der im April 2004 in Barcelona stattfand. Weitere 23 der über 100 Papiere dieses Kongresses sind in einem von denselben Personen veranstalteten Band erschienen: Streams of Wisdom? Science, Theology and Cultural Dynamics, Lund 2005, dem Band 10 des zweijährlichen Periodikums der ESSSAT.
Dass der Dialog von Naturwissenschaften und Theologie die Konzeptionen von Wissen und Rationalität tangiert, ist nicht weiter überraschend und wurde entsprechend schon zum wiederholten Male bearbeitet. Der Haupttitel wartet über das hierzu gehörende Stichwort »Knowledge« hinaus mit der Überraschung auf, dass auch Weisheit zu den Themen gehöre, die in diesem multidisziplinären Gespräch zu erörtern sind. Überdies signalisiert er, dass Kenntnis/Wissen und Weisheit kategorial verschiedene Größen und nicht z. B. als Teil-Ganzes-Relation beschreibbar sind. Diese Intuition wird von nahezu jedem der Beiträge geteilt und zugleich in sehr unterschiedlicher Weise ausgearbeitet.
Die Inhaltsangabe des ersten Herausgebers erweitert das Themenspektrum gegenüber dem Haupttitel noch einmal: Das Buch »is about the interaction of science, theology and culture in general and in different respects – ranging from viewpoints of philosophy, ethics, ecology, hermeneutics, history and Eastern Orthodoxy, to a few selected practical issues« (4 f.).
In einer Studie zur Frage, was in Theologie und Naturwissenschaften Fortschritt sei, kommt Dirk Evers zu dem Ergebnis, dass es sich um nicht zu vereinigende Rationalitätstypen handelt. Theo­logie als strenge Wissenschaft ist zum Scheitern verurteilt (20), vielmehr wird es ihr Auftrag sein, aus den eigenen weisheitlichen Traditionen auf der Unumgänglichkeit praktischen Wissens und der Fähigkeit, mit dem Unbekannten angemessen umgehen zu können, zu bestehen (18).
An diesem Punkt noch ein ganzes Stück weiter geht die lesenswerte Analyse von Peter Harrison. Er zeigt in konzentrierten Analysen u. a. zu Thomas von Aquin und Francis Bacon, dass sich drei Größen, die ursprünglich recht nahe beieinanderlagen, sukzessive voneinander entfernten: Wissenschaft, Theologie und Weisheit. Dass die Trennung auch für Theologie und Weisheit behauptet wird, liegt im Wesentlichen am neuzeitlichen Religionsbegriff, der diese als unvertretbares Moment individueller Innerlichkeit be­hauptet. Harrisons Konklusion lautet: »When science, theology and religion become objectified and disengaged from the inner moral states of the individual, they begin to assume their familiar modern guise while at the same time being alienated from a more tradition­al understanding of wisdom« (66).
Im Band finden sich auch Ansätze, die diese Analyse nicht teilen oder in einer spekulativen Anstrengung überwinden wollen. Alexej V. Nesteruk unternimmt dies aus orthodoxer Perspektive. Er argumentiert, dass wissenschaftliches Wissen sich innewerden kann, dass es unvollständig, da unpersonal ist. Personales Wissen seinerseits weist nun darauf hin, dass es »human incarnate (embodied) subjectivity« (84) gibt. Deren Vollgestalt ist in der eucharistischen Gemeinschaft zu erleben. So scheut Nesteruk sich nicht, von wissenschaftlicher Weisheit zu sprechen, weil und sofern sie weiß, dass sie in personaler und letztlich eucharistischer Weisheit aufgeht (81). Die Theologin und Biologin Celia Dean-Drummond er­schließt hierzu interessantes Material, indem sie Sergej Bulgakows Sophiologie entfaltet (111–116) und der theologischen Ästhetik Hans Urs von Balthasars gegenübergestellt. Sie gewinnt daraus Kriterien für eine überfällige ästhetische Neuorientierung der Umweltethik (122 f.).
Weitere Beiträge bearbeiten ethische Folgefragen der technologischen Entwicklung (Michael Fuller, Antje Jackelén), legen eine hermeneutische Perspektive an (Lucio Florio) oder argumentieren für die Unvereinbarkeit metaphysischer und wissenschaftlicher Theorien, wiewohl es vielleicht doch eine gemeinsame Ausrichtung geben könnte, die im ethischen Wert der Wahrheit liegt (Mariano Artigas, besonders 34–36).
Der Band ist, wie schon diese Hinweise zeigen, ein Album, welches exemplarisch verschiedene Zugänge zu einem Thema darstellt, das so weit gespannt ist, dass man sich bei der Lektüre immer wieder fragt, ob es überhaupt als kohärentes Thema erkennbar ist. Dass die Zugänge je systematisiert werden können, darf man mit Fug und Recht bezweifeln, denn das setzte die Fiktion eines einheitlichen Wissensfeldes Theologie – Philosophie – Naturwissenschaften voraus. Der Wunsch, sie mögen sich in verschiedenen Clus­tern ordnen lassen, klingt demgegenüber weitaus bescheidener. Auch er dürfte sich in der Durchführung als schwierig genug erweisen.