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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1210 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Das Konzil Quinisextum. Griechisch – Deutsch. Übers. u. eingeleitet v. H. Ohme. Turnhout Concilium Quinisextum.

Verlag:

Brepols 2006. 363 S. 8° = Fontes Christiani, 82. Lw. EUR 42,90. ISBN 978-2-503-52456-6.

Rezensent:

Gert Haendler

Das Concilium Quinisextum 691/92 verstand sich als Fortsetzung des 6. Ökumenischen Konzils in Konstantinopel von 680/81. Auch für diesen Band hat die katholisch redigierte Reihe einen ausgewiesenen Fachmann verpflichtet: Heinz Ohme, Professor an der evangelisch-theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin, der sich seit fast drei Jahrzehnten mit dem Concilium Quinisextum beschäftigt. Der Konzilstext lag 1765 in der Konzilssammlung von J. D. Mansi vor und war erstmals in einer kritischen Edition von P.-P. Joannou 1962 als Band 9 der Reihe Fonti herausgebracht worden. Der jetzt erarbeitete Band folgt Joannous Text mit einigen Revisionen. Zurzeit bereitet Ohme eine editio critica maior vor für die Reihe »Acta Conciliorum Oecomenicorum«. Seine Übersetzung der Konzilstexte in eine moderne deutsche Sprache ist gut gelungen. Sie ist neu – wenn man von einer nahezu unbekannt gebliebenen kurzen Teilübersetzung aus dem Jahre 1600 von D. Förster absieht.
In der Einleitung werden zunächst die Quellen zur Geschichte des Konzils beschrieben (11–16). Von besonderer Bedeutung sind die Angaben des päpstlichen Buches (Liber pontificalis). Kaiser Justinian II. hat sich bei vier Päpsten zwischen 692 und 731 um eine Anerkennung der Synode als Ökumenisches Konzil bemüht. Of­fensichtlich haben römische Legaten an dem Konzil teilgenommen, aber einige Umstände müssen dann in Rom Anstoß erregt haben, so dass die Päpste diese Versammlung nicht als Ökumenisches Konzil anerkannten. Auf Befehl Kaiser Justinians II. musste 711 Papst Constantin I. zu einer Beratung nach Nicomedien reisen. Nach der Begegnung lobte der Liber pontificalis den Kaiser, er habe alle Privilegien der römischen Kirche erneuert (15). Aber die vom Kaiser dringend erhoffte päpstliche Anerkennung der Synode als Ökumenisches Konzil unterblieb – Gründe werden nicht genannt.
Das oströmische Reich befand sich im 7. Jh. in »einer gesellschaftlichen und politischen Grundlagenkrise bisher ungekannten Ausmaßes, durch die das oströmisch-byzantinische Reich in seinem weiteren Bestand in Frage gestellt war« (16). Die Perser bedrohten das Reich vom Osten her, die Avaren und Slawen rück­ten mehrfach vom Norden aus vor. Am gefährlichsten war jedoch vom Süden her die Invasion der Araber, die in den Jahren 629–642 weite Teile des Reiches überrannten, so dass die Herrschaft der Kaiser zeitweise nur auf die Hauptstadt Konstantinopel begrenzt wurde. Gleichzeitig war das Kaisertum selbst in eine schwere Krise geraten mit mehreren Absetzungen und Morden (17 f.). Schließlich kam es auch in dem Verhältnis zwischen Christen und Juden zu einer grundlegenden »Verschlechterung des Klimas (20).
In diesen Turbulenzen hatte sich die Kirche als stabilisierender Faktor erwiesen. Entsprechend groß war das Interesse des Kaisers an der Kirche. An der Synode 691/92 haben 227 Bischöfe mitgewirkt, davon 190 aus dem Patriarchat Konstantinopel. Auch die anderen Patriarchate Antiochien, Alexandrien, Jerusalem und Rom waren durch Bischöfe vertreten. Die Unterschriftenliste ließ Platz für weitere sechs Bischöfe, darunter vor allem für den Bischof von Rom. »Es war geradezu die Absicht Justinians II., als Kaiser eines ökumenischen Konzils in die Geschichte einzugehen. Diese Synode sollte Fortsetzung und eigentlicher Abschluß des sechsten Konzils sein. Diese Zuordnung spiegelt sich schon in der Wahl des Kuppelsaales (Trullos) im Kaiserpalast als Tagungsort, an dem sich bereits die Väter des Jahres 680/81 versammelt hatten« (24). In personeller Hinsicht kann man das Quinisextum als Fortsetzung des 6. Ökumenischen Konzils 680/81 sehen: Durch ihre Unterschrift sind 55 Bischöfe als Teilnehmer an beiden Synoden bezeugt (25).
Zentrale Bedeutung misst Ohme dem »Logos Prosphonetikos« bei, einem Vorwort zum Protokoll der Synode. Darin bringen die Synodalen zum Abschluss nochmals die führende Rolle des Kaisers mit folgenden Worten zum Ausdruck: »Darum bitten wir Deine Frömmigkeit, indem wir Dir gegenüber dieselben Worte der Väter gebrauchen, die sich früher in dieser gottbehüteten Stadt unter unserem Kaiser Theodosius frommen Angedenkens versammelt hatten, Du mögest, so wie Du die Kirche durch Einberufungsschreiben geehrt hast, nun auch das Beschlossene durch fromme Unterschrift zum Schluß bringen« (26 und 169, griechischer Text: 168).
Mit gutem Grund vermutet Ohme in diesen zentralen Formulierungen einen wesentlichen Grund für die Distanz der Päpste. Früher suchte man in bestimmten Kanones den Hauptgrund für die Ablehnung des Konzils durch Rom. Es gab jedoch kleine, aber gravierende Änderungen in der Liste der Unterschriften, die das Patriarchat von Konstantinopel auf Kosten Roms erweiterten (28). Daneben war aber »die hinter der Synode stehende Idee eines ökumenischen Konzils« in ihrer engen Verbindung mit der byzantinischen Kaiseridee für die Päpste kaum annehmbar. Ohme bringt Wendungen aus dem Logos Prosphonetikos: »In Nachahmung des Hirten Christus, der das verlorene Schaf auf dem Gebirge sucht und zur Herde zurückbringt, versammele der Kaiser das Volk«. Der Kaiser »sei von Christus als Schirmherr eingesetzt, er schätze die Wahrheit, und die Weisheit selbst habe ihm die Kirche anvertraut«. Der Kaiser wird Helfer und »Gnadenspender« genannt (31).
Die Kanones 3–102 verurteilen heidnische und häretische Bräuche, regeln die Heiligung des Lebens, den Gottesdienst, die Verfassung der Kirche und das Klerikerrecht. Die Texte mit Übersetzung füllen die Seiten 160–293. Einzelheiten können im griechischen Text neben der deutschen Übersetzung gut geprüft werden. Ohmes Kommentierung auf den Seiten 35–157 ist aber wohl als der beste Einstieg in die Probleme zu empfehlen. Der Reihe Fontes Christiani kann man zu einem weiteren gut gelungenen Band gratulieren.