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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1191

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Moberly, R. W. L.

Titel/Untertitel:

Prophecy and Discernment.

Verlag:

Cambridge: Cambridge University Press 2006. XVI, 281 S. gr.8° = Cambridge Studies in Christian Doctrine, 14. Lw. £ 45,00. ISBN 978-0-521-85992-9.

Rezensent:

Rainer Kessler

Das Buch des Durhamer Theologen über Prophetie und Unterscheidungsvermögen sieht sich selbst an der Schnittstelle verschiedener Diskurse. Es zielt auf Christen ebenso wie Skeptiker und Atheisten, es hat Fachtheologen sowie interessierte Laien im Blick, es verbindet systematisch-theologische und exegetische Fragestellungen. In dieser Vielfalt liegen Stärke und Schwäche des Buches begründet.
Die größte Stärke gerade für die Exegese liegt darin, dass M. sich dem Thema unter der systematischen und praktischen Frage nähert, wie Unterscheidung der Geister auch heute noch möglich ist, und dazu Antworten aus der Schrift sucht. Die Fachexegese neigt nämlich dazu, dieser Frage durch Historisierung, Soziologisierung, Psychologisierung oder Philologisierung des Problems auszuweichen. Dass M. dazu steht, seine systematische und praktische Frage als gläubiger Christ und Glied der Kirche zu stellen, ist Ausdruck seiner hermeneutischen Ehrlichkeit. Nicht zu Unrecht wirft M. manchen modernen Skeptikern, die nach objektiven Kriterien der Beurteilung prophetischer Äußerungen suchen und feststellen, dass es nur subjektive Herangehensweisen gebe, vor, dass sie mit dem Dualismus von »objektiv« versus »subjektiv« ein Kategorienpaar anwenden, das den antiken Texten völlig unangemessen ist.
Allerdings verlässt M. in den Exegesen, die sich auf Texte aus Jeremia, auf die Micha-Perikope in 1Kön 22, auf die Erzählungen über Elischa und Bileam sowie im Neuen Testament auf den 1. Jo­hannes- und den 2. Korintherbrief konzentrieren und die den Großteil des Buches ausmachen, die Höhe dieser Reflexion schnell wieder. Das heißt nicht, dass die entsprechenden Ausführungen nicht voller hervorragender exegetischer Beobachtungen sind und in der weiteren Diskussion dieser Texte unbedingt berücksichtigt werden sollten. Aber M. steuert sehr schnell auf ein Unterscheidungskriterium zu, das allzu leicht handhabbar ist. Er nennt es das moralische Kriterium, das im Wesentlichen in der moralischen Integrität des Propheten und seiner Botschaft besteht. Dass dabei die Fülle und Tiefe, aber auch die Problematik und Widersprüchlichkeit prophetischer Texte unterbestimmt bleiben muss, liegt auf der Hand. Auch dass letztlich das gefundene Kriterium die Auswahl der näher behandelten Texte leitet, entwertet zwar nicht die einzelnen Exegesen. Es macht aber die Gesamtthese, dass es ein moralisches Kriterium zur Unterscheidung prophetischer Äußerungen gebe, wenig plausibel.