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Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1118–1120

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Welker, Michael [Ed.]

Titel/Untertitel:

The Work of the Spirit. Pneumatology and Pentecostalism.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2006. 236 S. gr.8°. Kart. US$ 35,00. ISBN 978-0-8028-0387-0.

Rezensent:

Henning Theißen

Dieser Band dokumentiert ein von der John Templeton Foundation gefördertes Symposium von I. Theologen aus den sog. »mainline churches« (IX), II. aus den amerikanischen Pfingstgemeinden und von III. Naturwissenschaftlern, die 100 Jahre nach der Geburtsstunde der modernen Pfingstbewegung in der glossolalischen »Azusa Street Erweckung« (1906) pneumatologische Streitfragen zu überwinden suchen wie z. B.: Ist der Geist eine göttliche Person oder eine unpersönliche Gottesmacht? Wirkt er im Rahmen des raumzeitlichen Geschehenszusammenhangs oder in ekstatischen Durchbrechungen desselben?
Als Vertreter der etablierten Kirchen (I.) rekonstruiert J. Dunn (3–26) in dichter Beschreibung, wann das Christentum aus dem Traditionsstrom des Frühjudentums auftaucht. Springender Punkt ist die Pfingstpredigt des Petrus, die Gottes Geist dem erhöhten Chris­tus zuschreibt. Damit gestaltet sie als »forerunner of the Filioque controversy« (13) ein Bekenntnis zum Geist Christi (16 f.) und identifiziert umgekehrt die Gestalt dieses Bekenntnisses als Wirksamkeit des Geistes (18) – in der Pfingstpredigt (22) also die Glossolalie! Gerade als »enthusiastic sect« (23) vollzieht so die frühe Chris­tenheit die notwendige Unterscheidung der Geister (24). Damit lässt Dunn die Vexierfrage von Person und Macht hinter sich. Ähnliches gilt für B. Oberdorfer (27–46), der auf Grund seiner Studien zum Filioque personale und nonpersonale Metaphern in der Pneumatologie fordert (46.38), da die Übertragung der Vater-Sohn-Relation auf den Geist – eben das Filioque (29 f.32) – nicht buchstäblich, sondern nur metaphorisch möglich sei. Die andere Vexierfrage nach inner- oder außergeschichtlichem Geistwirken wird überwunden, wenn K. Tan­ner (87–105) deren semantisch scheinbar eindeutige Zu­ordnung (etablierte Kirchen bzw. Pfingstbewegung) pragmatisch überkreuzt: Im Kampf gegen »so-called enthusiasm« integrieren die etablierten Kirchen dessen Prinzipien (101), während die Pfingstgemeinden in der Praxis kirchliche Formen etablieren (104).
Diese Tendenz von Prinzip zu Pragmatik zeigen alle pfingstlichen Beiträge des Bandes (II.). M. Poloma (147–165) weist sie soziologisch an einer Erhebung unter Pfingstpredigern nach – und auf die einhergehende Erosion pfingstlicher Identität hin (163), die ohnehin zwischen Erfahrung der Charismen und evangelikaler Soteriologie schwanke (164). F. Macchias (109–125) hilfreicher Vorschlag, das pfingstliche Spezifikum der glossolalischen Geisttaufe durch einen weiten Begriff von Heiligung zu interpretieren (122), soll das ungebundene Charisma der Geisttaufe an die Soteriologie anbinden und folgt so ausdrücklich (110) ökumenischer Pragmatik. Vor allem aber G. Wacker versteht (in seinem Buch »Heaven Below«, zitiert 104.118.128.150) die Pfingstbewegung als austarierte Spannung von Prinzip und Pragmatismus, offizieller und gelebter Religion (143 f.). Als Beispiel stellt er hier (126–146) den pfingstlichen Geistheiler L. Lupton vor, der als Verfechter von »entire sanctification« (138) eine außereheliche Affäre unterhielt und den die Pfingstbewegung – genauso pragmatisch wie er selbst war (142) – in Vergessenheit begrub.
Die naturwissenschaftlichen Beiträge (III.) siedeln das Wirken des Geistes bei den prinzipiellen Lücken (»intrinsic unpredictabilit­ies«, 169.185) in der Kausalkette des (z. B. quanten-)physikalischen Prozesses und also »on the inside of the cosmic history« (181 f.) an. Vor allem J. Polkinghorne (169–182) betont, dass dies nicht zum »Lückenbüßergott« führt (179), da die Lücken den Gesamtprozess entscheiden.
Wenn so der ganze Band kirchliche und naturwissenschaft­liche Invektiven gegen »Schwärmerei« und »Spekulation« der pfingstlichen Theologie entkräftet, dann kraft eines Begriffs von Erfahrung (»experience«), der mit dem britischen Empirismus ge­rade die subjektiven Empfindungen als Grundlage wahrer Er­kenntnis ansieht. Charismatische Erfahrungen wie die Zungenrede bilden so den Evidenzbeweis für die Wirksamkeit des Geistes (Dunn: 21 f.), mindestens aber als »spiritual realities« (VII) einen eigenen Gegenstand der Theologie. Der Band folgt hier dem Konzept »realistischer Theologie« von Herausgeber M. Welker, das quer zur deutschen Tradition kantischer Erkenntniskritik steht. Die genannten Beispiele gelebter Religion bei G. Wacker mahnen freilich auch dieses Konzept, will es nicht banal werden, zu kritischem Vorgehen. Ein gelungenes Beispiel bietet L. Dabney (71–86), der ein Paradethema dieses Konzepts – Schöpfung und Evolution – für die Interpretation von Gen 1 fruchtbar macht und gerade in der kreatürlichen Schöpfungsverantwortung (creatio ex creatione) das schöpferische Wirken des Geistes (creatio ex nihilo) erblickt (85). Wo die biblischen Zeugnisse so neu gelesen werden, könnte der Band auch dem hiesigen Gespräch zwischen Kirchen und Pfingstgemeinden Anstöße geben.