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Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1077–1079

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Busch, Peter

Titel/Untertitel:

Das Testament Salomos. Die älteste christliche Dämonologie, kommentiert und in deutscher Erstübersetzung.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2006. XII, 322 S. gr. 8° = Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. 153. Lw. EUR 88,00. ISBN 978-3-11-018528-7.

Rezensent:

Jan Dochhorn

Über das Testament Salomos (Test Sal) wurde in der Forschung zur parabiblischen Literatur auffällig oft geschwiegen: In den »Jüdische(n) Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit« (JSHRZ) fehlt es genauso wie in der Pseudepigraphenkonkordanz von Denis. Im­merhin wurde es in die Sammlung von Charlesworth (»The Old Testament Pseudepigrapha«) aufgenommen, und für JSHRZ.NF ist es ebenfalls vorgesehen (beauftragt ist Ph. Alexander).
Editorisch ist es leidlich gut aufgearbeitet, vgl. C. C. McCown (Ed.): The Testament of Solomon (Untersuchungen zum Neuen Testament 9), Leipzig 1922, wo das Gros der Überlieferung – mehrere spätmittelalterliche Handschriften – berücksichtigt wurde. Noch unbekannt waren McCown u. a. ein griechischer Papyrus aus dem 5. Jh., der Passagen aus Test Sal 18 enthält – offenbar als »Separatausgabe« (vgl. B., 11.233) –, sowie eine arabische Übersetzung, vgl. J. C. Haelewyck: Clavis Apocryphorum Veteris Testamenti, Turnhout 1998, § 162. Das Test Sal existiert in einer Lang- und in einer Kurzrezension; die Kurzrezension enthält durchaus interessantes Sondergut.
Im Test Sal wird – überwiegend von König Salomo selbst – erzählt, wie Salomo den Tempel mit Hilfe der Dämonen errichtet (als Parallele vgl. z. B. bGitt 68ab). Doch ist nicht der Tempelbau das zentrale Thema. Im Vordergrund steht vielmehr die Unterwerfung der Geister, die Salomo nacheinander herbeizitiert und jeweils nach Namen, Wirkweise und Sternzeichen befragt – sowie nach dem Engel, mit dessen Hilfe sie überwunden werden können. Eine Sonderstellung eignet der Liste der 36 Dekane in Test Sal 18, die schon in der Spätantike separat kursierte (vgl. den vorhergehenden Exkurs), vielleicht, weil man sie zu praktischen Zwecken brauchte.
Dem Test Sal kommt einige Bedeutung zu, vor allem als Zeugnis spätantiker Dämonologie und Angelologie. Daher ist zu begrüßen, wenn B. ihm (erstmalig in deutscher Sprache) einen Kom­mentar – inklusive Einleitung und Übersetzung – widmet. Die Übersetzung dokumentiert auch die Varianten der Überlieferung. Hierbei hat sich B. leider für eine extrem unübersichtliche Präsentationsform entschieden. Zur philologischen Detailarbeit ließe sich einiges anmerken. So fallen Übersetzungsfehler ins Auge; z. B. bedeutet τοῦ σοφοῦ Σαλωμῶνος in der Superscriptio von PQ gewiss nicht »die Weisheit des Salomo betreffend« (B., 83). Im gegebenen Rahmen scheint es jedoch interessanter, die Aufmerksamkeit vier Grundlinien der Kommentierung von B. zuzuwenden, die seiner Arbeit in besonderer Weise Profil geben:
1. In Hinblick auf die Rekonstruktion der Transmissionsgeschichte geht B. teilweise andere Wege als McCown. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass McCown die Kurzrezension des Test Sal als Abkömmling der Vorlage des Test Sal einstuft, während B. sie der Rezeptionsgeschichte des Test Sal in seiner Langfassung zuordnet (10–17).
2. Der zuweilen katalogartige Charakter des Test Sal – es werden mehr als 50 Dämonen mit ganz unterschiedlichem »Persönlichkeitsprofil« vorgeführt – regt zu der Annahme an, dass wir es hier mit einer Art Handbuch für magische oder exorzistische Zwecke zu tun haben. Diesen Zuordnungen gegenüber gibt B. sich skeptisch. Besonders auf eine Distanz des Test Sal zur Magie legt er Wert: Im Test Sal fänden sich so gut wie gar keine magischen Rezepte, und Salomo sei dort eher ein frommer Beter als ein Zauberer, der mit magischen Techniken hantiert (41–44). Aus dem gleichen Grund werden die Einstufung des Test Sal als exorzistisches »Vademecum« und eine engere Verbindung zur Astrologie in Abrede gestellt (44–46.40–41).
3. B. verortet das Test Sal im Christentum der Zeit nach Konstantin, weil das Lokalkolorit der Erzählung Reminiszenzen an das durch Konstantin christianisierte Jerusalem aufweise. So hat beispielsweise Salomo einen Ring, mit dem er die Dämonen unterwirft; ein solcher Ring wurde laut dem Pilgerbericht der heiligen Egeria (§ 37,3 [CCSL 175,81]) bei der Karfreitagsliturgie an der Kreuzigungsstätte gezeigt (27). Eine Test Sal 12,4 zufolge auf dem τόπος ἐγκέφαλος (laut B.: Golgotha) durch den Dämonen Ἐφιπ-πᾶς errichtete Purpursäule könne, so B., auf die bei Hieronymus, Epist 58,3 genannte Marmorsäule der Aphrodite deuten, die vor der Errichtung der Grabeskirche auf Golgatha gestanden haben soll (26–27). Der dortige Aphroditekult könne auch das besondere Interesse des Test Sal an weiblichen Dämonen erklären (26). Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch die in christlicher Tradition zu beobachtende Wanderung von Tempelbergtraditionen zum Golgatha-Felsen (27–28): Nicht nur das Adamgrab sei in der christlichen Tradition vom Tempelberg nach Golgatha verlegt worden, sondern auch die mit Salomo verbundene exorzistische Tradition. Berichte nämlich der Pilger von Bordeaux noch um 333 im Zusam­menhang einer Schilderung des Tempelgeländes von einer »Krypta, in der Salomo die Dämonen quälte« (vgl. Itinerarium Burdigalense 589 [CCSL 125,14–15]), so werde schon wenig später, nämlich um 400 im Bericht der Egeria, von der Präsentation exorzistischer Utensilien Salomos in der Karfreitagsliturgie auf Golgatha gesprochen (s. o.). Dies zeigt nach B., dass man die Grabeskirche als neuen Tempel sehen konnte. Dementsprechend sei es den Lesern des Test Sal dann auch möglich gewesen, die Schilderung Salomos als Exorzisten auf die kirchlichen Verhältnisse ihrer Zeit zu beziehen und aus ihr zu folgern, dass exorzistische Handlungen nicht von anachoretischen Mönchen vorgenommen werden sollten, sondern von den Amtsträgern einer Kirche, die über den wahren Tempel in Jerusalem verfügt (vgl. vor allem 279 ff.).
4. Wie sich soeben schon andeutete, kommt bei B. für die religionshistorische Verortung des Test Sal in starkem Maße die Leserperspektive ins Spiel (vgl. vor allem 68, Anm. 26). Es geht ihm um die Rekonstruktion des kulturellen Lexikons, anhand dessen ein Leser das Test Sal plausibel finden kann. Hierbei wird neuplatonische Dämonologie (56 ff.) genauso in Betracht gezogen wie das Neue Testament (68 ff.).
Im Hinblick auf die textgeschichtlichen Erwägungen wird man B. zustimmen können. Auch wenn ein detaillierter Nachweis noch er­bracht werden müsste, ist die Kurzrezension wahrscheinlich sekundär: Die Überlieferung der parabiblischen Literatur tendiert generell zu Kürzungen, wie sich am Beispiel der Apc Mos, des Test Abr und wohl auch des 2Hen demonstrieren lässt. Bedenkenswert erscheinen die Überlegungen von B. zur Gattungsfrage: Im Vergleich etwa zur Epistula Salomonis ad Roboam (Haelewyck, a. a. O., § 161) weist das Test Sal in der Tat nur wenige magische Rezepte auf (doch vgl. z. B. Test Sal 6,10; 13,6). Indes wird man fragen müssen, ob B. den Unterschied zwischen Magie und Gebet nicht überschätzt. Auch scheint mir das Interesse an der Astrologie im Test Sal größer, als B. zugeben mag.
Skepsis hinterlässt die religionsgeschichtliche Verortung des Test Sal. Schon bei den – z. T. sehr interessanten – Einzelheiten der Beweisführung erheben sich Einwände: Ein Adamgrab auf dem Tempelberg hat die jüdische Überlieferung wohl nicht gekannt; der von B. als Referenz zitierte J. Jeremias hat die Quellen ziemlich gewaltsam gedeutet (vgl. Ders.: Golgotha, Leipzig 1926, 39). Ein Grab an einer jüdischen Kultstätte ist auch schwer vorstellbar. Ähnliches gilt für das Gewölbe, in dem Salomo laut dem Itinerarium Burdigalense (§ 589) die Dämonen gequält hat: Der Text weist eher auf Bethsaida, das in § 589,8 interius … civitati und damit gerade nicht auf dem Tempelgelände verortet wird. Wenig plausibel erscheint auch die Annahme, dass die von dem Dämonen Ἐφιπ­πᾶς laut Test 12,4 auf dem τόπος ἐγκέφαλος errichtete Purpursäule den Leser an ein Aphroditestandbild aus vorkonstantinischer Zeit erinnern soll: Nach Test Sal 25, wo vermutlich dieselbe Säule gemeint ist, hat Ἐφιππᾶς diese auf Weisung Salomos dorthin gebracht, wie überhaupt im Test Sal alle Baumaßnahmen von Dämonen auf den Befehl Salomos zurückgehen. Wollte man Salomo etwa mit einer götzendienerischen Verunreinigung der Kreuzigungsstätte in Verbindung bringen? Die wundersamen Dinge, die über diese Säule berichtet werden, erinnern auch nur wenig an eine Statue.
Es wird aber auch prinzipieller die Anfrage zu stellen sein, ob sich die Leser des Test Sal tatsächlich von der Schilderung Salomos als Herrn der Dämonen auf die Idee bringen lassen konnten, Exorzismen als eine Angelegenheit kirchlicher Amtsträger anzusehen. Umgekehrt, von der bei B. kaum berücksichtigten Autorenperspektive her, ließe sich fragen, ob man ausgerechnet das Test Sal verfasst haben sollte, um eine solche Leserreaktion zu evozieren. Für die Auffindung des historischen Ortes scheint es mir im Vergleich zu der von B. praktizierten Methode generell sinnvoller, nach der vom Autor angezielten Wirkung beim Leser zu fragen. Auch ein solcher Ansatz nimmt den Leserbezug eines Textes ernst.
Ein wichtiges Signal zur Leserlenkung findet sich in Test Sal 15,8–15. Hier weissagt zunächst die Dämonin Ἐνηψιγός Salomo das Ende seiner Herrschaft und die Zerstörung des Tempels nebst Befreiung der Dämonen sowie schließlich die Ankunft des Dämonenbezwingers Christus. Daraufhin berichtet Salomo, er habe, nachdem die Weissagung der Dämonin sich (in Bezug auf seine Person?) als wahr erwiesen habe, das vorliegende Buch verfasst, damit die Is­raeliten über die Dämonen und die ihnen entgegengesetzten Engel Bescheid wüssten. Hier zeigt Salomo den Israeliten und mit ihm indirekt der reale Autor den impliziten Lesern, wozu das Test Sal geschrieben wurde: Es soll bei der Bekämpfung der Dämonen helfen.
Interessanterweise spielt bei der Begründung, die Salomo für die Niederschrift seines Buches gibt, nur die von Ἐνηψιγός angekündigte Befreiung der Dämonen eine Rolle, während die Christusweissagung unberücksichtigt bleibt. Handelt es sich bei dieser um einen sekundären Zusatz? Wir stehen hier vor der Frage, ob wir es bei den christlichen Elementen im Test Sal überhaupt mit zentralen Steuerungseinheiten seines textuellen Systems oder nicht doch mit einem sekundären Superstrat zu tun haben.