Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1047 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Safley, Thomas Max [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Ad historiam humanam. Aufsätze für Hans-Christoph Rublack.

Verlag:

Epfendorf: bibliotheca academica 2005. 225 S. m. 1 Porträt u. Abb. gr.8°. Geb. EUR 49,00. ISBN 3-928471-65-1.

Rezensent:

Andreas Gößner

Der Sammelband entstand als eine Ehrengabe für den Sozialhistoriker Hans-Christoph Rublack und erschien im Jahr vor seinem Tod am 26. Februar 2006. Rublack publizierte 1971 seine bei Ernst Walter Zeeden entstandene Doktorarbeit, habilitierte sich 1977 und erhielt 1980 die Professur für frühneuzeitliche Geschichte in Tübingen, die er bis zu seinem Ruhestand 1994 innehatte.
Auf der Basis dieser Koordinaten des äußeren wissenschaftlichen Werdegangs von Rublack stellt der einleitende Beitrag von Lee Palmer Wandel die das Gesamtwerk Rublacks kennzeichnende Vielfalt im Zugang zu seinen Themen heraus. Geschichtliche Prozesse werden von ihm stets als Wechselwirkung zwischen Individuen, gesellschaftlichen Strukturen und Normen begriffen. Speziell die Reformation, die Rublack etwa am Beispiel verschiedener Städte thematisiert hat (Konstanz, Kitzingen, Nördlingen u. a.), wird so als ein komplexer und dynamischer Vorgang begreifbar. Der Band versteht sich daher als ein Teil jener Dynamik im wissenschaftlichen Diskurs, wie sie die Beiträger durch Rublack erfahren haben. Thomas A. Brady vertieft diese Einleitung in seinem Beitrag durch eine Erläuterung der zentralen Paradigmen in Rublacks Forschungen im Bereich Stadt und Reformation: Städtische Reformation wird als soziale Bewegung begriffen, ihr wesentlicher Bestandteil ist religiöse Erfahrung und sie wirkt hinein in den frühneuzeitlichen Prozess der Herausbildung der Konfessionen.
Rolf Kiessling skizziert in Anlehnung an Rublacks Impulse zur städtischen Reformation am Augsburger Beispiel die Konstellationen in den einzelnen Vierteln der Reichsstadt, wobei er jeweils besonders das Verhältnis zwischen Pfarrei, Pflegschaft über Stiftungen bzw. Pfarrzeche und Prädikatur untersucht. Durch diese Faktoren, die in jedem Stadtviertel institutionell anders verankert waren, ergab sich der Variantenreichtum in der Augsburger Reformationsgeschichte. J. Jeffery Tyler gibt einen pointierten Abriss seiner Monographie (Leiden 1999), in die vielfältige Anregungen Rub­lacks eingeflossen sind. Sein Thema sind die Bischöfe von Konstanz und Augsburg als Musterbeispiele für den Typus des »Episcopus exclusus«, also derjenigen Bischöfe, die schon im Verlauf des Mittelalters die Stadtherrschaft über ihren Bischofssitz allmählich eingebüßt hatten und im Verlauf der Reformation dauerhaft auswärts residieren mussten. Bernd Hamm knüpft mit seinem Beitrag über die »Normative Zentrierung städtischer Religiosität« von der Mitte des 15. bis in die Mitte des 16. Jh.s an die gemeinsam mit Rublack durchgeführte Forschungsarbeit im Tübinger Sonderforschungsbereich 8 an und demonstriert darin die Normierungsprozesse im religiösen und politischen Bereich, die nie gradlinig verlaufen, sondern stets von gegenläufigen Prozessen begleitet sind. Der Wirkung von (Druck-)Medien widmet sich Gabriele Haug-Moritz am Beispiel des durch die Publizistik generierten Bildes von Moritz von Sachsen. Sie entfaltet dabei die Facetten des positiven und negativen Images dieses sächsischen Kurfürsten in den kriegerischen Auseinandersetzungen seiner Regierungsjahre. Mit der vielfältigen Re­zeptionsgeschichte des so genannten Spaniersturms gegen die Reichsstadt Konstanz 1548 beschäftigt sich Wolfgang Zimmermann. Er verfolgt die unterschiedlichen Epochen der Erinnerung an dieses militärische Ereignis von der Wahrnehmung der Zeitgenossen ausgehend bis in die Epoche liberaler und nationaler Geschichtsdeutung im 19. Jh. Ernst Koch entwirft u. a. anhand von Visitationsberichten ein sehr plastisches Bild vom Verhältnis der »kleinen Leute« zur Institution »Gottesdienst«. Dieses Verhältnis war ge­prägt durch ein ganz eigenes Ethos, das unter Umständen in Konflikt geriet mit der obrigkeitlichen bzw. pastoralen Sicht auf den Gottesdienst. Ebenfalls methodisch angeregt durch Rublack wendet sich Lyndal Roper den Kinderhexenprozessen zu. Sie thematisiert damit ein sensibles Thema, in dem die fruchtbare Verbindung von sozial- und kirchengeschichtlichen Fragestellungen auf der Basis von Quellenmaterial zu konkreten Fällen in Augsburg und Würzburg im 17. und frühen 18. Jh. offenbar wird. Sabine Holtz untersucht an Beispielen vor allem aus dem württembergischen Raum die Lebenswirklichkeit der Kirchendiener im 17. Jh., die auf Grund des pastoralen Selbstverständnisses nach zwei Seiten hin, zur Gemeinde und zur weltlichen Obrigkeit, Konflikte in sich barg.
Unter Rückgriff auf die sozialwissenschaftlich-soziologische Kategorie des »(An-)Führers« bzw. »leaders« stellt Michael G. Baylor die Rolle Thomas Müntzers im Bauernkrieg dar und verweist dabei auf deren verschiedene inhaltliche Konnotationen: Müntzer be­gegnet und wird bzw. wurde interpretiert als spiritueller, politischer, organisatorischer und strategischer (An-)Führer.
Ein weiterer Beitrag, der von Norbert Haag verfasst ist, widmet sich dem ländlichen Raum und zeichnet am Beispiel des württembergischen Dekanats Herrenberg die Relikte frühneuzeitlicher konfessioneller Prägung in der ländlichen Frömmigkeit des 20. Jh.s nach und beleuchtet dabei auch die Herausforderungen in der Zeit des Nationalsozialismus. Jörn Sieglerschmidt stellt Überlegungen zur Problematik der Geschichtserklärung im Spannungsfeld von Determination und Offenheit an, die er anhand der Begriffe der Identität und der Region diskutiert. Zuletzt widmet sich Thomas Max Safley der Problematik des Dissents im Konfessionellen Zeitalter und erörtert anhand der Streitpredigten des Predigers Georg Philipp Riß die Konflikte um Orthodoxie und Heterodoxie im bikonfessionellen Milieu der Reichsstadt Augsburg.

Alle Beiträge im Band, die häufig am Schicksal des Individuums orientiert sind und in ihren Fragestellungen die klassischen Pfade der Historiographie zur Frühneuzeit verlassen, sind inspiriert von vielfachen methodischen Anregungen durch Hans-Christoph Rub­lack. Der Kreis der Autoren spiegelt darüber hinaus die engen Kontakte Rublacks über die deutsche Geschichtswissenschaft hinaus zur englischsprachigen Forschung wider.