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Ausgabe:

September/2007

Spalte:

981 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Kather, Regine

Titel/Untertitel:

Person. Die Begründung menschlicher Identität.

Verlag:

Darm­stadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2007. 240 S. 8°. = Grundfragen der Philosophie. Geb. EUR 59,90. ISBN 978-3-534-17464-5.

Rezensent:

Martin Hailer

Es handelt sich um den jüngsten der bislang drei Bände umfassenden Reihe »Grundfragen der Philosophie« bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, seine Vfn. lehrt Philosophie in Freiburg und ist zudem Gastprofessorin an der Universität Cluj-Napoca/Klausenburg (Rumänien). In dem Buch werden namhafte Theorien und Konzepte zum Begriff »Person« von Augustinus bis Peter Singer analysiert. Ferner wird eine ausführliche Argumentation für die Unverzichtbarkeit der Leiblichkeit von Personen entfaltet und werden Beobachtungen zu Personkonzeptionen in drei Weltreligionen mitgeteilt. Das Hauptanliegen der Vfn. ist dabei, Theorien zu widerlegen, die die Zuschreibung des Personprädikats allein durch ein »Set graduierbarer, mentaler Fähigkeiten und Eigenschaften und die Identifikation mit Interessen« regeln; ihnen gegenüber will sie erweisen, dass »Menschen strukturell als Personen anzusehen« sind (204). Das Beweisziel ist also, aus einer Analyse menschlichen Selbstverhaltens und Miteinanders zeigen zu können, dass jeder Mensch Person ist.
Im philosophie- und theologiegeschichtlichen Abschnitt (12–105) bleibt dieses Beweisziel stets erkennbar. Pointierte Analysen zu Augustinus und zu Boethius, der die klassische Definition von Person als ›unteilbare Substanz einer vernunftbegabten Natur‹ vorlegte, umreißen zunächst den bis heute bestimmenden begrifflichen Rahmen. Zugleich merkt die Vfn. hier schon kritisch an, dass vor allem in der Boethiusschen Definition das wesentliche Bezogensein von Menschen aufeinander nicht zureichend gedacht werden kann (24). Kritisch fallen auch die Bemerkungen zu John Locke aus (50–58), in dem die Vfn. den Urheber der Entkoppelung von Mensch- und Personsein sieht: Weil Locke das Personsein ausschließlich an mentale Phänomene wie Selbstbewusstsein und Erinnerungsfähigkeit knüpft, gelangt er dazu, menschliche Nichtpersonen zu denken, denen personale Würde und Rechte nicht zukommen. Darin ist ihm in der Gegenwart vor allem Peter Singer gefolgt, den die Vfn. kritisch bespricht (95–105). Aus der Tradition und dem 20. Jh. kommen ferner Autoren zu Wort, die das mentalistische Personparadigma kritisch einhegen (u. a. Kant, 58–76, und Leibniz, 36–40), und solche, die gänzlich anders ansetzen und sowohl die unvertretbare Individualität jedes Menschen als auch das wesenhafte Aufeinander-Bezogensein der Menschen in den Mittelpunkt rücken. Hierunter zählen für die Vfn. Cusanus (29–35), Whitehead (44–47), Buber (67–78) und – für den Fortgang besonders wichtig – Scheler (79–95).
Die Überschrift zur Scheler-Darstellung kann für den systema­tischen Abschnitt (106–181) programmatisch gelesen werden: »Die Person als Einheit in der Vielfalt von Akten« (79). Die Vfn. greift auf einen kurzen und bemerkenswerten Abschnitt zur Perspektivität naturwissenschaftlichen Erkennens (47–50) zurück und entfaltet sodann eine Argumentation, die sowohl die Bestimmung von »Person« an­hand von Bewusstseinsparadigmen allein als auch deren Reduktion auf Epiphänomene physiologischer Vorgänge bestreitet. Dies ge­schieht zum einen durch die kritische Diskussion entsprechender Theorien und zum anderen durch eine phänomenologische Entfaltung von Lebensvorgängen. Die Kritik arbeitet vor allem mit der Form der reductio ad absurdum und hält etwa den Protagonisten einer kompletten physischen Determination vor, dass es absurd sei, für diese Position werben zu wollen, weil das die Freiheit zur Zustimmung voraussetze (128 f.). Am Mentalismus etwa Singers wird kritisiert, dass dieser die kommunikative Dimension des Leibes gänzlich übersehe (177). Das ist zugleich der Schlüsselbegriff: Man kann sich von allen anderen materiellen Objekten vollständig distanzieren, nicht jedoch vom eigenen Körper. Was der naturwissenschaftliche Zugang zutreffend als Körper beschreibt, »ist immer zugleich empfundener Leib« (140, vgl. 172 f.). An eine schnelle Rück­holung, etwa anhand der Parole ›der Mensch ist sein Leib‹ ist dabei nicht gedacht, wohl aber an den Aufweis, dass weder die gängigen Formen des Wissens noch die Interaktion von Menschen untereinander ohne den Leibbezug vonstatten gehen (106–124 bzw. 169–179). Der Schluss lautet also, dass die von der Locke-Singer-Tradition in Anschlag gebrachten mentalen Phänomene ohne Leibbezug nicht zu denken sind und entsprechend die Trennung von Person und Mensch nicht zu halten ist (zusammenfassend 204–209).
Die Bemerkungen zu Personkonzeptionen in anderen Weltreligionen (182–203) wirken gegenüber diesen dichten Argumentationen erratisch. Ein allen Menschen eigener Transzendenzbezug wird eher konstatiert, als dass für ihn argumentiert würde (50.182–185), die sodann vorgebrachten Beobachtungen aus Judentum, Islam und Buddhismus stehen – unbeschadet ihres Informationswerts – eher isoliert da. Der religionsphilosophische und theologische An­schluss an die in diesem Band vorgelegten aufschlussreichen und überzeugenden Analysen und Argumente wird also noch zu leisten sein.