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Ausgabe:

April/2007

Spalte:

437-438

Kategorie:

Autor/Hrsg.:

Harris, Jonathan [Ed.]

Titel/Untertitel:

Palgrave Advances in Byzantine History.

Verlag:

Basingstoke-New York: Palgrave Macmillan 2005. XIII, 252 S. 8°. Kart. £ 16,99. ISBN 978-1-4039-1503-0.

Rezensent:

Ralph-Johannes Lilie

In einer Zeit, die auf der einen Seite von einer immer kleinteiligeren Forschung und auf der anderen von einem Rückgang der historischen Grundkenntnisse geprägt wird, sind Einführungen zweifelsohne notwendig. Das gilt auch und gerade für die Byzantinistik, die den Anfänger auf Grund des byzantinischen Griechisch und der nach wie vor international verzweigten Byzantinistik auch sprachlich vor nicht unbeträchtliche Probleme stellt. Für solche Einführungen gibt es mehrere Wege: z. B. die Herausarbeitung von Grundtendenzen unter Verzicht auf zu viele Einzelheiten (so J. Haldon, Byzantium. A History, Gloucestershire 2000) oder etwa den Versuch, möglichst alles anzusprechen und mit möglichst viel Literatur zu belegen, auch wenn das der Lesbarkeit nicht zuträglich ist (so z. B. O. Mazal, Handbuch der Byzantinistik, Graz 1989). J. Harris und seine Autoren gehen einen dritten Weg: In einer starken Strukturierung werden zu Beginn eines Kapitels jeweils die wichtigsten Quellen analysiert (primary sources). Im zweiten Teil folgt dann eine kurze inhaltliche Skizze der verschiedenen Entwicklungen, die mit zahlreichen Hinweisen auf relevante Sekundärliteratur garniert wird (secondary literature). Auf diese Weise wird, nach einer Einführung von J. Harris, zunächst in vier chronologischen Kapiteln die politische Geschichte abgehandelt (R. W. Mathisen, S. Tougher, P. Stephenson, J. Harris). Es folgen »army and defence« (W. Treadgold), »economy« (A. Harvey), »church« (J. Baun), »monasticism« (A.-M. Talbot), »literature« (A. Littlewood), »art history« (C. Barber), »gender« (D. Smythe) sowie »archeology« (K. Dark). Abgeschlossen wird der Band von einer knapp 60 Seiten starken Bibliographie und einem Index. Hinzu kommen eine Kaiserliste und ein kurzes Glossar; auf eine Karte hat man unverständlicherweise verzichtet, ebenso auf Anmerkungen.
Einen Anfänger dürfte diese Vorgehensweise überfordern: Die kurze Aufzählung der Quellen, ohne überhaupt die Grundproblematik byzantinischer Quellen zu erklären, dürfte eher verwirrend sein. Gleiches gilt für die Sekundärliteratur, die meist relativ kommentarlos angeführt wird, ohne dass man erfährt, was nun konkret der betreffende Autor gesagt hat und weshalb er gerade diese und nicht eine andere Meinung vertritt. Die eigentlichen Fakten werden hingegen so kurz angerissen und aneinandergereiht, dass oft ein Eindruck von Pseudokausalität entsteht, der der komplexen Ge­schichte des byzantinischen Reiches mit Sicherheit nicht gerecht wird.
J. Harris stellt in seiner Einleitung die internationale Verflochtenheit der Byzantinistik heraus und sieht in ihr einen der Vorteile des Faches. Im Buch selbst ist davon so gut wie nichts zu finden. Mit wenigen Ausnahmen werden nur Titel in englischer Sprache genannt, auch dann, wenn sie im Vergleich zu Arbeiten in anderen Sprachen zweitrangig, unvollständig oder veraltet sind. Das Buch mag damit dem sprachlichen Kenntnisstand an englischen und amerikanischen Universitäten seinen Tribut zollen, aber es fördert selbst diese Entwicklung, die von dem Herausgeber im Vorwort noch beklagt wird, denn bei der Lektüre wird dem nicht informierten Leser, für den diese Einführung ja bestimmt ist, der Eindruck vermittelt, dass wesentliche Forschung nur in englischsprachigen Werken stattfindet. Dies gilt auch für das von Harris selbst ge­schriebene Kapitel.
Insgesamt gesehen ist dies eine Einführung, die auf den fortgeschrittenen Studenten im angloamerikanischen Kurssystem zielt, der im Lauf seiner Veranstaltungen eine Reihe von Essays schreiben muss, in denen er die für das jeweilige Thema relevante (englischsprachige) Literatur abzuarbeiten hat. Diese Literatur wird ihm – mit den genannten Einschränkungen – geboten. Darüber hinaus bietet diese »Annäherung« nichts Neues: keine tiefergehende Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Forschungsmeinungen und für den Anfänger auch keine Einführung, die ihn mit der by­zantinischen Welt vertraut machen könnte.