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Ausgabe:

April/2007

Spalte:

432

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schewe, Susanne

Titel/Untertitel:

Die Galater zurückgewinnen. Paulinische Strategien in Galater 5 und 6.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005. 215 S. gr.8° = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 208. Lw. EUR 62,00. ISBN 3-525-53072-2.

Rezensent:

Dieter Lührmann

Die beiden letzten Kapitel des Galaterbriefs haben immer im Schatten der ersten vier gestanden und werden auch weiterhin dort stehen. Ihnen widmet sich Susanne Schewe mit ihrer Dissertation (Münster 2003) bei dem inzwischen verstorbenen Jens-W. Taeger. Die Arbeit besticht durch eine exakte grammatische und syntak­tische Analyse der Texte. Das sei bereits anfangs betont, denn wer wie ge­wohnt das Buch von vorne her zu lesen beginnt, sieht sich zunächst enttäuscht von dem forschungsgeschichtlichen Einstieg (I, 12–59), trotz dessen klarer Strukturierung. Die Trennung nach einem rhetorischen, einem historischen und einem dogmatischen Modell wirkt künstlich, da diese drei Begriffe nicht wirklich auf einer logischen Ebene liegen. In Wirklichkeit zieht sich durch alle drei Unterabschnitte die Auseinandersetzung mit der einflussreichen Interpretation von Hans Dieter Betz. Er hatte die beiden letzten Kapitel innerhalb seiner rhetorischen Analyse veranlasst gesehen durch die Probleme, die den Galatern aus ihrer neu erfahrenen Freiheit entstanden, aus ihrem sog. »Libertinismus« (übersehen hat S. offenbar das ältere Werk von W. Lütgert, Gesetz und Freiheit, 1918, der bereits in ähnlicher Weise argumentiert hatte). Betz konnte die beiden Kapitel rhetorisch nicht verorten und griff deshalb zurück auf eine historisch (oder auch dogmatisch: Luthers doppelte Front gegenüber Nomisten und Schwärmern) geprägte Tradition.
Schon die genaue Abgrenzung ist schwierig, fehlt doch wie am Beginn der Dank (1,6) nun wie sonst in den Paulusbriefen eine mit παρακαλῶ angezeigte Überleitung. Vor allem in Abgrenzung zu Betz zieht sich bei S. durch die Exegese im eigentlichen Hauptteil (60–182) die Feststellung, dass es auch in den beiden letzten Kapiteln wie in den vorherigen um nichts anderes geht als um das Problem von Gesetzesgehorsam und Beschneidung für eine aus dem Glauben entstandene egalitäre Gemeinschaft in Christus – mit Recht, wie mir scheint. Zum Tragen kommen die eingangs bereits genannten Vorzüge des Buches u. a. in dem längeren Exkurs zu σάρξ in den ersten drei Kapiteln (86–101), wo S. die Verschiebung zu Gunsten des πνεῦμα herausarbeitet. Die Deutung von νόμος τοῦ χριστοῦ (6,2) als »Redefinition« (153) des Gesetzes lässt freilich Fragen offen, nicht nur in der Diskussion mit der heutigen angelsächsischen Paulusforschung, sondern vor allem innerhalb des Galaterbriefs selbst; hier geht das Gesetz ja nicht wie in jüdischer Tradition auf den Anfang der Welt zurück, sondern ist erst 430 Jahre nach Abraham gekommen (3,17). Die Erfüllung der Zeit in Christus markiert dann auch sein Ende (4,4). Unbestritten bleibt hingegen der Rück­bezug auf 5,14, die Liebe als Erfüllung des Gesetzes.
Im dritten Hauptteil (183–202) sammelt S., aber wiederholt weithin auch nur die Ergebnisse des zweiten (183–195). Am Schluss steht ein Ausblick auf 6,11–17 (195–202) als Weiterführung und Zusam­menfassung des vorausgehenden Briefes. Hier begegnen mit Ge­setz, Beschneidung und Aufhebung der Unterschiede in Christus noch einmal die großen Streitpunkte des Galaterbriefs. Wie sich aber die Stichwörter »neue Schöpfung«, »Israel Gottes« und » στίγ­ματα Jesu«, die Paulus hier pointiert einführt, dazu verhalten, wird nicht einmal diskutiert.
So sind die genannten Vorzüge auf die formale Ebene beschränkt; über den Strategien gehen die »Ziele« offenbar verloren. Ein umfangreiches Verzeichnis wirklich verarbeiteter Literatur (13 Seiten) schließt das Buch ab. Es fehlen Re­gis­ter, was angesichts des kommentarartigen Aufbaus gerechtfertigt sein mag.