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Ausgabe:

Juni/2007

Spalte:

690–692

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Bloemendaal, Peter Frederik

Titel/Untertitel:

Grammars of Faith. A Critical Evaluation of D. Z. Phillips’s Philosophy of Religion.

Verlag:

Leuven-Paris-Dudley: Peeters 2006. XIV, 444 S. gr.8° = Studies in Philo­sophical Theology, 31. Kart. EUR 43,00. ISBN 978-90-429-1744-6.

Rezensent:

Hartmut von Sass

P. F. Bloemendaal hält, was er verspricht. Der Untertitel seines Buches stellt eine »critical evaluation« der Religionsphilosophie Dewi Z. Phillips’ in Aussicht, und B. ist es tatsächlich gelungen, eine wohlwollende Darstellung mit profunder Kritik zu verbinden. Dies ist nicht selbstverständlich, blieb doch den als »Wittgensteinian Fideists« etikettierten Philosophen eine konstruktive Rezeption meist verwehrt. Als deren Hauptvertreter wurde daher Phillips eher als Unruhestifter, denn als bereichernder Gesprächspartner wahrgenommen. Dass das eine das andere nicht ausschließen muss, versucht B.s differenzierte Studie einsichtig darzulegen.
In dem ersten der drei in Umfang und Gewichtung sehr unterschiedlichen Teile arbeitet sich B. chronologisch durch Wittgensteins Werk vor (1–99). Mit Blick auf Phillips legt er den Schwerpunkt zunächst auf den Begriff des Sprachspiels. Hier wird zu bedenken gegeben, dass bei aller Varianz dieses Begriffes Wittgenstein das Missverständnis nicht vermieden habe, es handle sich um »distinct units« (61), die voneinander isolierbare linguistische Größen konstituierten. Ferner unterstreicht B. das vor allem in den Philosophischen Untersuchungen ausgeführte Philosophieverständnis, welches am Verstehen unterschiedlicher Sprachhandlungen orientiert sei und eine »Übersicht« dieser zum Ziel habe (vgl. PU, 122).
Bedenkt man, dass dieser Teil seine Berechtigung allein aus der Einordnung Phillips’ verzweigter Gedankengänge bezieht und dass etwa der Tractatus nahezu keine Rolle für Phillips spielt, hätte es sich angeboten, Wittgenstein jeweils dort einzubauen, wo er wirklich von Relevanz für Phillips ist. Doch so ausführlich nun B.s Bericht zu Wittgenstein ausfällt, so verwunderlich ist es, dass die letzte Schrift des Österreichers – Über Gewißheit – gänzlich ausgeblendet bleibt – ein blinder Fleck, den B. auch im dritten Teil nicht erhellt. Die sich daran anschließende Auseinandersetzung um die Begründung des religiösen Glaubens, die Phillips schließlich mit Alvin Plantinga und der Reformed Epistemology ausfochten hat, bleibt daher leider weitgehend unberücksichtigt.
Im kurzen zweiten Teil werden mit Rush Rhees, Peter Winch und Norman Malcolm die führenden Wittgensteinianer der ersten Stunde vorgestellt (101–150). Mit der Betonung der »distinctiveness of religious language« legten sie die Rede von Sprachspielen in einer Weise aus, die nicht ohne weiteres von Wittgenstein gedeckt sei (108.113). – Nun ordnet B. interessanterweise Phillips’ erste große Veröffentlichung, The Concept of Prayer, diesem zweiten Teil zu. Ohne Frage drängt sich die inhaltliche Nähe etwa zu Winchs The Idea of a Social Science auf. Dies macht B. u. a. daran fest, dass Phillips für die Sprache des Glaubens eigene Regeln reklamiere: Was als »rational« oder »wahr« gelten könne, werde nur innerhalb eines Kontextes, nicht in einem vorgeordneten Supersprachspiel be­stimmt (125). Der Verdacht, hier werde die religiöse Sprache zu apologetischen Zwecken abgeschottet, wurde dann auch bald in Form von Kai Nielsens Fideismusvorwurf laut. B. sieht darin zumindest eine »half-truth« (147) und diese Einschätzung scheint der Grund zu sein, Phillips’ Erstling dem zweiten Teil der Untersuchung zu­zu­ordnen. Richtig ist zwar, dass Phillips später die »unity of language« zunehmend unterstrich, doch sind trotz aller Akzentverschiebungen die Kontinuitäten in Phillips’ Werk zu ausgeprägt, um gerade hier einen berechtigten Einschnitt vornehmen zu können.
Mit The Concept of Prayer hatte Phillips bereits die entscheidenden Themen gefunden, welche er in immer neuen Anläufen fundieren konnte. Der wichtige dritte Teil von B.s Studie wendet sich diesem Prozess der Vertiefung zu (151–428).
B. setzt mit einer ausführlichen Darlegung von Phillips’ Verständnis von Philosophie ein, das dieser ab 1995 als »contemplative Philosophy« zusammenfasse und in den platonischen Dialogen sowie den Schriften Kierkegaards und Wittgensteins paradigmatisch ausgeführt sehe (159 f.). Deren Charakteristika seien der Verzicht auf das Erreichen von Antworten zu Gunsten eines Verstehens verschiedener Diskurse. Dies sei als eine »desinterested inquiry« durchzuführen, in welcher nicht die Entscheidung für eine Position, sondern deren konzeptuelle Klärung erstrebt werde. So komme es nicht darauf an, Gottes Existenz zu bejahen, sondern zu ermitteln, was in diesem Zusammenhang Zustimmung bedeuten könne. Phillips’ Bewegung von einer pure description als frühem philosophischen Motto hin zur reiferen Fassung einer contemplation wird anschaulich nachgezeichnet. Stets habe hier Wittgensteins Diktum, demzufolge Philosophie alles so lassen solle, wie es ist, nachgewirkt (vgl. PU, 24).
In dem darauffolgenden Kapitel wird Phillips’ Lesart der Religionskritik David Humes vorgestellt. Der Schotte stehe für einen ausgeprägten Monismus, welcher nur eine Auffassung der Religion in Erwägung ziehe und diese dann (erfolgreich) kritisiere. Die Blindheit dafür, dass daneben auch andere Lesarten möglich seien, erkenne Phillips u. a. bei Sigmund Freud (239). Eben diesem Mangel an Imagination könne eine kontemplative Philosophie entge­gen­gestellt werden, die B. exemplarisch an Phillips’ Ausführungen zu Wundern und zur Unsterblichkeit der Seele skizziert (Kapitel 6 und 7).
Hieran schließt B. den Abschnitt an, der sich am eingehendsten mit Phillips’ Gottesbegriff auseinandersetzt (Kapitel 8). In der Systematisierung Phillips’ facettenreicher Kritik an zeitgenössischen Autoren wie Richard Swinburne liegt B.s eigentliche Leis­tung. Phillips sehe demnach die gegenwärtige Religionsphilosophie von einem kruden Realismus dominiert, welcher Gott als quasi-physikalisches Objekt behandle und den Glauben an ihn als der eigentlichen Glaubenspraxis logisch vorgeordnet ansehe (329). Phillips’ ersten Angriff gibt B. mit der These wieder, »theological realism is methodologically incoherent« (334). Dies gelte insofern, als der Realist wegen der Trennung von »belief« und »fruits of belief« nicht angeben könne, worauf Glauben eigentlich hinauslaufe. Zudem sei der »theological realism descriptively inadequate« (352). Die Rede von Gottes Existenz sei eben nicht gleichzusetzen mit der über Gegenstände; es handle sich nicht um indikativische Rede oder gar um eine Hypothese, sondern um eine »expression of faith«. Es ist zu bedauern, dass B. sich stark auf Phillips’ kritische Auslassungen konzentriert und dabei in der Gefahr steht, dessen konstruktive Beiträge zu einer Position jenseits von Realismus und Reduktionismus nur unzureichend zur Geltung zu bringen. Zu kurz kommen Phillips’ Anmerkungen zu Gottes »spiritual reality« und seinen »grammatischen« Beobachtungen zur Rede von Gott. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass B. die letzten, teilweise überaus klärenden Veröffentlichungen Phillips’ nicht mehr berücksichtigen konnte.
Abschließend spannt B. den Bogen zum zuvor charakterisierten Philosophieverständnis: Hat Phillips tatsächlich »alles so gelassen, wie es ist«, und eine »desinterested inquiry« durchgeführt? Berechtigterweise verneint B. diese Frage. Phillips gebrauche durchaus stark normative Begriffe wie »mistake«, »confusion« oder »superstition«, die nicht klar voneinander abgegrenzt seien und auch dem Revisionismusvorwurf kaum entgingen (384.400). Zugespitzt: Entweder beließe man es bei eine »pure description« religiöser An­schauungen, sei dann aber nicht berechtigt, von Konfusionen zu sprechen; oder man kritisiere religiöse Praktiken, womit man die reine Beschreibung gegen den näher zu bestimmenden Begriff einer »true religion« eintausche (410). Der Titel Grammars of Faith deutet an, dass B. die erste Alternative vorzieht. Daher kann er am Ende den Ausführungen Phillips’ lediglich einen »regionalen« Wert zuschreiben, insofern als sie das Selbstverständnis nur einer christlichen Minderheit wiederzugeben vermögen (426).
Einmal vorausgesetzt, das skizzierte Dilemma sei zutreffend umrissen, ist diese harsche Schlussfolgerung keineswegs unumgänglich. Das Problem könnte sich auch dem vorausgesetzten Philosophieverständnis verdanken, das in einer abgeschwächten Version die Sicht auf ein in der Tat revisionäres Programm freigeben könnte. Dieses in einer ausgewogenen Arbeit vorgestellt zu haben, weist B. selbst als einen kontemplativen Philosophen im Sinne Dewi Z. Phillips aus.