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Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

592 f

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Körner, Beatrice

Titel/Untertitel:

Schöpfung und Evolution. Religionspädagogische Untersuchungen zum Biologieunterricht an kirchlichen Gymnasien in Ostdeutschland.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. 189 S. m. Abb. u. Tab. gr.8°. Kart. EUR 32,00. ISBN 3-374-02382-7.

Rezensent:

Roland Biewald

Der Titel markiert ein theologisches und religionspädagogisches Problem, das seit der Entwicklung von Evolutionstheorien exemplarisch für die Auseinandersetzung zwischen Theologie und Na­turwissenschaften um die Erkenntnis von Mensch und Natur steht. Bereits der Untertitel und noch deutlicher die Einleitung weisen darauf hin, dass es hier um den Biologieunterricht geht, also um den Beitrag eines naturwissenschaftlichen Faches zur profilierten Bearbeitung dieses Themas an Gymnasien und gleichzeitig um eine Profilbildung kirchlicher Gymnasien. Das ist ein sehr begrüßens- und lobenswertes Unternehmen, da bislang die meisten – jedenfalls fachdidaktischen – Beiträge aus der Religionspädagogik kamen. So versteht die Vfn. ihre Untersuchung auch als religionspädago­gischen, aber nicht religionsdidaktischen Beitrag (16). Das rechtfertigt wohl auch die Rezension durch einen Religionspädagogen, wiewohl dieser sich seiner Grenzen hinsichtlich der Biologiedidaktik (be­sonders Kapitel 5) bewusst ist.
Die als Dissertation angenommene Arbeit folgt einem gut nachvollziehbaren Forschungsanliegen, das in vier Kapiteln entfaltet und in einem weiteren zusammengefasst wird. Die Intentionen der einzelnen Schritte sind auf S. 19–20 kurz beschrieben.
Das erste Anliegen ist eine Bestandsaufnahme schöpfungstheologischer Themen in Biologielehrplänen ostdeutscher Bundesländer und in entsprechenden Lehrbüchern. Diese bildet die Grundlage sowohl für weiterführende didaktische Überlegungen zum Thema als auch für Anknüpfungspunkte hinsichtlich einer Profilierung kirchlicher Gymnasien. Das Ergebnis der Lehrplansichtung wird tabellarisch, und zunächst unkommentiert, zusammengestellt (33–36). Entsprechend werden die Lehrbücher untersucht und das Vorkommen evolutionsbiologischer Themen sowie deren Akzentuierung erfasst (Sekundarstufe I: 40, und Sekundarstufe II: 46 f.).
Eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse erfolgt am Anfang des nächsten Kapitels (48 f.) und dient der Einleitung in die neue Fragestellung, nämlich empirisch zu erheben, inwieweit diese Lehrplanvorgaben und Lehrbuchanregungen an kirchlichen Gymnasien Ostdeutschlands aufgenommen und akzentuiert werden. Wichtigste Ergebnisse bis hierher sind: Lehrplanhinweise auf das Thema Schöpfung/Evolution erscheinen eher stichwortartig und bezeichnen meist nicht verbindliche Inhalte. Im Zusammenhang mit erkenntnistheoretischen Fragen kommt das Thema selten vor. Fachübergreifender Unterricht legt sich nahe. Lehrbücher sind in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich – hier helfen die er­wähnten tabellarischen Übersichten weiter, die für Lehrerinnen und Lehrer eine hilfreiche »Fundgrube« sind.
Die sich nun anschließende empirische Erhebung an sechs evangelischen und vier katholischen Gymnasien fragt nach der kon­kreten Umsetzung (Gewichtung und Zielsetzung) von diesbezüglichen Lehrplaninhalten sowie nach dem Schulprofil bzw. -programm (49 f.). Letzterer Aspekt bereitet die nächste Forschungsfrage vor, nämlich ob nicht gerade dieses Thema zur Profilierung kirchlicher Gymnasien wesentlich beitragen könnte, weil sich hier exemplarisch Naturwissenschaft und Theologie begegnen. Demgemäß folgt im Kapitel 4 nach grundlegenden Erwägungen zur Schulprogrammdiskussion eine Sichtung der Schulprogramme und -profile von zwei ausgewählten Gymnasien, die ein solches fixiert haben (Dessau, Hoyerswerda). Sehr aufschlussreich ist die Feststellung der Vfn., dass die inhaltlichen Profilbestimmungen weitgehend geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern zuge­ordnet werden können. Hier sieht sie eine Chance, über das Thema Schöpfung/Evolution auch Naturwissenschaften einzubeziehen. Die auf S. 90–94 hierzu formulierten kritischen Beobachtungen und weiterführenden Überlegungen sind sehr aufschlussreich für alle, die an Schulen für Profilentwicklung verantwortlich sind. Daher ist das Buch eine empfehlenswerte Analyse und Denkhilfe nicht nur für kirchliche Gymnasien, aber besonders für diese, weil eine wissenschaftlich fundierte, von ideologischen Vorurteilen be­freite und erkenntnistheoretisch implementierte Bearbeitung des Themas Schöpfung/Evolution tatsächlich ein »eigentümliches« Profil einer kirchlichen Schule bilden kann. Die Defizite, die hier weithin bestehen, sollten Schulprogrammentwickler in die Pflicht nehmen.
Das bereits erwähnte letzte Kapitel beschäftigt sich mit didak­tischen Überlegungen dazu, wie das Thema sinnvoll und effektiv im Biologieunterricht aufgenommen werden kann. Während die Be­standsaufnahme zum Biologieunterricht (95–127) eher für Biologielehrer und -didaktiker interessant ist, können auch Religionspädagogen von den sich anschließenden didaktischen Überlegungen (128–144) profitieren. Exemplarisch sei ein Gedanke herausgegriffen: Wenn der Biologieunterricht – eventuell fachübergreifend – dieses Thema behandelt, könnte das gerade für nicht christlich sozialisierte Schüler eine Hilfe zur Sinnsuche und Lebensorientierung sein (144).
Das Buch zeichnet sich durch eine straffe – sicher naturwissenschaftlich geprägte – Gedankenführung aus, die es ermöglicht, auf 150 Seiten (ohne Anhänge) genaue Analysen mit hilfreichen Perspektiven zu verbinden. Es ist zu wünschen, dass die bereits ge­nannten Personengruppen dieses Werk entdecken und benutzen. Die Einschränkung der Analyse auf ostdeutsche kirchliche Gymnasien bedeutet keineswegs, dass sich nur hier eine Zielgruppe finden kann. Im Gegenteil: Die von der Vfn. entwickelten Gedanken sind fundamental und exemplarisch für erkenntnistheoretische Bildung an Gymnasien schlechthin.