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Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

578 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Klein, Christoph

Titel/Untertitel:

Das grenzüberschreitende Gebet. Zugänge zum Beten in unserer Zeit.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004. 222 S. gr.8° = Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, 105. Geb. EUR 54,90. ISBN 978-3-525-56334-2.

Rezensent:

Ulrich Kühn

Christoph Klein, der Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien (Hermannstadt), legt hier kein im Sinne unseres landläufigen akademischen Standards wissenschaftliches Buch vor. Insofern kann die (dankenswerte) Aufnahme in die »Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie« möglicherweise falsche Erwartungen wecken. Es handelt sich um eine Veröffentlichung, die eher der Gattung einer Literatur zur Spiritualität zuzurechnen ist – eine Gattung, die außerhalb des Protestantismus eine größere Tradition und Verbreitung als im evangelischen Raum hat.
Es ist dies eine Einführung in die Welt des Gebets, in grundsätzliche und dann zunehmend auch sehr praktisch-anleitende Aspekte, die spirituelle Horizonte abschreitet oder erst eröffnet, wie sie für »normales« protestantisches Empfinden weithin ungewohnt, aber gerade deshalb in hohem Maße bereichernd sein dürften. Dabei ist auf Schritt und Tritt deutlich, wie der Vf. mit der theologischen Literatur zum Thema »Gebet« vertraut ist, freilich nicht nur mit gegenwärtigen evangelischen Äußerungen dazu (Heiler, Barth, Ebeling, Sölle, Bernet, Sauter, Mildenberger etc.), sondern ebenso mit katholischen und orthodoxen Arbeiten und vor allem mit der Tradition des Nachdenkens über das Gebet, zumal wichtigen Darlegungen Luthers.
»Grenzüberschreitendes Gebet« überschreibt der Vf. seine Un­tersuchungen und meint damit sowohl die zu überschreitenden Grenzen der (christlichen) Konfessionen und Traditionen, zumal zwischen Ost und West, als auch die Grenzen unterschiedlicher Weisen und Akzentuierungen sowie unterschiedlicher Praxis des Gebets.
Das Buch besteht aus zehn Kapiteln. Im ersten Teil handelt der Vf. zunächst von eher grundsätzlichen anthropologischen und theologischen Fragen (I. Die Problematik des Gebets; II. Der Mensch des Gebets; III. Die Quelle des Gebets – Altes Testament und Neues Testament, IV; Der Gott des Gebets – personales, a-personales, trinitarisches Gottesverständnis; V. Die Welt des Gebets), um im zweiten Teil des Buches Informationen und Anleitungen zu den verschiedenen Arten des Gebets und den Wegen zu ihnen aufzuzeigen (VI. Die Weisen des Gebets; VII. Die Typen des Gebets; VIII. Die Wege des Gebets; IX. Die Praxis des Gebets – mit Betonung der Meditation sowie von Stille und Konzentration, von Raum und Zeit des Gebets; X. Die Dimensionen des Gebets). In zunehmendem Maße gewinnt das Buch den Charakter einer Hinführung und Anleitung zum Beten – z. B. auch zum betrachtenden und zum Herzensgebet, zum mystischen Gebetstypus, zum persönlichen und gottesdienstlichen Gebet sowie zur Bewährung des Beters im Alltag. Es zeigt sich, wie sehr der Vf. gerade auch die orthodoxe Gebetspraxis in seine Hinführungen aufnimmt.
Theologisch zentral ist das Plädoyer des Vf.s für »das trinitarisch-koinonische Gebetsverständnis« (74 ff.), das den Ausweg aus den Aporien eines rein »dialogischen« oder eines rein »a-personalen« Gebets weist. »Es geht darum, das Gebet in einem umfassenden Sinn als Geschehen, nicht nur als ›Dialog‹ und nicht nur als ›Vereinigung‹ mit Gott zu verstehen. Dieses ›koinonische‹ Gebetsverständnis« – nach Paul Philippi als Beten zum Vater durch Chris­tus im Geist – »überwindet beide Alternativen und versteht sich als Anrede Gottes als Gegenüber und gleichzeitig als Gemeinschaft mit Gott, ohne in ihm aufzugehen« (76). Die »Einheit zwischen dem Gebet Christi und unserem Gebet« wird durch ein schönes Luther-Zitat aus den Predigten über Joh 16 (1537) erläutert (77 f.).
Dieses Buch über das Gebet erinnert an die reichen Formen des Gebets, die der christliche Glaube entwickelt hat und die kennenzulernen keine Reise nach Fernost erforderlich macht. Es tut damit auch einen (indirekten) Dienst im interreligiösen Dialog.
Eine kleine Anmerkung zu S. 172: Luthers Morgen- und Abendsegen beginnt im Original: »Des Morgens, so du aus dem Bette fährst/des Abends, wenn du zu Bette gehst, sollst (nicht: ›kannst‹ oder ›magst‹) du dich segnen mit dem heiligen Kreuz …«.