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Ausgabe:

Mai/2007

Spalte:

503–505

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Danz, Christian

Titel/Untertitel:

Einführung in die Theologie der Religionen.

Verlag:

Münster-Wien: LIT 2005. 270 S. gr.8° = Lehr- und Studienbücher zur Theologie, 1. Kart. EUR 29,90. ISBN 3-8258-7058-8.

Rezensent:

Reinhard Leuze

Die Theologie der Religionen ist eine noch relativ junge theolo­gische Disziplin, wenn man bedenkt, dass sich dieser Terminus erst in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts etabliert hat (13, auch 52). Gleichwohl gehört das hiermit bezeichnete Ar­beitsfeld zu den vordringlichen Aufgaben des theologischen Denkens. So ist es nur zu begrüßen, dass mit der Arbeit von C. Danz eine Einführung vorliegt, die sich das Ziel setzt, »einen Überblick über grundlegende Modelle und Probleme« zu bieten (16). Man muss D. bescheinigen, dass dieses Ziel in vollem Umfang erreicht worden ist. Obwohl die Literatur zu diesem Thema inzwischen unüberschaubar geworden ist, wie D. zu Recht bemerkt (9, wortgleich im Vorwort, 5), gelingt es ihm, die einschlägigen Konzeptionen klar darzustellen und mit einer argumentativ stringenten Würdigung zu versehen. So kristallisieren sich die wichtigen Probleme heraus, die eine Theologie der Religionen bedenken muss, wenn sie als Beitrag zur intellektuellen Diskussion ernst genommen werden will.
D. beginnt seine Darlegungen mit einer Charakterisierung der unterschiedlichen Arbeitsweisen von Theologie und Religionswissenschaft, die sich beide mit dem Phänomen der verschiedenen Religionen befassen (21 ff.). Dabei wird deutlich, dass beide Wissenschaften nur auf Grund einer Distanzierung von der gelebten Religion möglich werden, also auch die Religionswissenschaft nicht für sich beanspruchen darf, einen »ungetrübt objektiven Blick auf die Religion« (28) zu werfen.
Wenige Bemerkungen zum Religionsbegriff als solchem führen D. dann zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Re­ligionsverständnis der pluralistischen Religionstheologie (41 ff.). Die­ser in der Gegenwart wohl einflussreichsten Richtung des theologischen Denkens, wie sie vor allem durch J. Hick, aber auch durch P. Schmidt-Leukel repräsentiert wird, gilt die besondere, kritische Aufmerksamkeit D.s, denn er kommt immer wieder auf das unbestreitbare Dilemma zurück, in dem sich das pluralistische Denken verfängt (44, vor allem 160–165 u. a.). Die Kritik an der pluralistischen Position dient D. als negative Vorbereitung für seine eigene interreligiöse Differenzhermeneutik, auf die wir noch zu sprechen kommen.
Die Ausführungen über Religion als lebensweltliche Sinndeutung, mit denen der erste Abschnitt abgeschlossen wird (45 ff.), dürfen als Hinführung zu dieser eigenen Sichtweise verstanden werden. Hier bringt D. eine eigene Definition des Religionsbegriffes, indem er Religion als eine »lebensweltliche Deutung der Faktizität menschlicher Selbstbestimmung« (45 f.) versteht. Diese Definition ist aber zu allgemein ausgefallen, als dass sie des spezifischen Gegenstandes religiöser Erfahrung noch gewahr werden könnte. Die pluralistische Religionstheologie, welche die transzendente Wirklichkeit als gemeinsamen Bezugspunkt aller Religionen benennt, ist hier trotz der mit ihr verbundenen Schwierigkeiten dem Modell von D. überlegen, der konsequenterweise das Kriterium zur Bewertung der Religionen in einem Bereich suchen muss, der der Religion nicht ursprünglich zugehört, sondern mit ihr sekundär verbunden wird, dem Bereich der Ethik (vgl. 49).
In den beiden folgenden Abschnitten wendet sich D. den klassischen Positionen der Religionstheologie zu, dem Exklusivismus, Inklusivismus bzw. Superiorismus und dem Pluralismus (51 ff.). Dabei geht er auch auf Versuche ein, dieses Dreierschema zu differenzieren bzw. zu erweitern; ebenso werden Versuche erörtert, eine Kombination verschiedener Klassifikationen vorzunehmen. Insgesamt wird man D. zustimmen müssen, dass die »Begegnung von Religionen und religiösen Traditionen … komplexer und differenzierter« ist, »als sie durch das religionstheologische Dreierschema abgebildet werden kann« (95, vgl. auch 135, Anm. 61).
Der vierte Abschnitt bleibt der Darstellung hervorgehobener religionstheologischer Positionen vorbehalten (119 ff.). D. befasst sich mit den Konzeptionen von E. Troeltsch, P. Tillich, W. Pannenberg, J. Hick und P. F. Knitter, um dann in einem fünften Abschnitt Problemfelder der Religionstheologie zu erörtern (175 ff.). Hier muss man sich mit dem fragmentarischen Charakter der Ausführungen, über den sich D. im Klaren ist (175), abfinden, was vor allem bei den Überlegungen zum Gottesbegriff nicht leicht fällt (192 ff.). Gleichwohl sind diese Darlegungen für den Fortgang der Argumentation unerlässlich, weil D. hier den Übergang von einem korrespondenztheoretischen zu einem pragmatischen Wahrheitsverständnis vollzieht, das für seine eigene interreligiöse Differenzhermeneutik grundlegend werden soll.
Dieser Übergang zieht m. E. eine falsche Sichtweise der religionstheologischen Problematik nach sich. So wird beispielsweise das Wesen des religiösen Symbols missverstanden, wenn behauptet wird, Symbole verwiesen auf andere Symbole, aber nicht auf eine transzendente Wirklichkeit (191). Diese Bedenken kann auch die Entfaltung von D.s eigener Position nicht ausräumen. D. bringt sie in einen Zusammenhang mit den Entwürfen von T. Sundermeier und A. Grünschloß, wobei er zu Recht darauf hinweist, dass der Überlegenheitsgestus, mit dem Sundermeier die traditionelle Hermeneutik zu verabschieden gedenkt, durch nichts gerechtfertigt ist (227 f.), während Grünschloß eine begrifflich sehr viel differenziertere Konzeption bietet (228 ff.).
Ob die von D. selbst vorgelegte differenzhermeneutische Konzeption der Religionstheologie (233 ff.) eine weiterführende konstruktive Alternative zur gegenwärtigen Religionstheologie darstellt (vgl. 5), mag man bezweifeln. Es ist zwar richtig, dass die Wahrnehmung fremder Religionen nur »aus der Perspektive des Eigenen geschehen kann« (233). Wieso soll es aber dann unmöglich sein, die Perspektive einer anderen Religion einzunehmen, um da­durch die eigene Religion besser verstehen zu können (233 f.)? Ist nicht gerade eine solche Perspektivenübernahme die unerlässliche Bedingung wahrhaften Verstehens? Zwar lässt sich mit der im Protestantismus zur Geltung gekommenen subjektiven Glaubensfreiheit plausibel die Toleranz gegenüber nichtchristlichen Religionen begründen, aber sind sie wirklich für uns noch von Interesse, wenn sie nicht dieselbe transzendente Wirklichkeit im Blick haben, von der auch wir bestimmt sind? D. regt uns dazu an, über diese Fragen weiter nachzudenken; und das ist nicht das Schlechteste, was man über seine Einführung sagen kann.