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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

343-345

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Rudbeckius, Johannes:

Titel/Untertitel:

Loci Theologici. Föreläsningar vid Uppsala universitet 1611­1613.

Verlag:

Utgivna med inledning och kommentarer av B. Hägglund. Mit einer deutschen Einleitung: Wittenberg-Orthodoxie in Uppsala am Anfang des 17. Jahrhunderts. Stockholm: Almquist & Wiksell International 2001. 366 S. gr.8° = Acta Regiae Societatis Humaniorum Litterarum Lundensis, 83. Kart. SEK 302,00. ISBN 91-22-01926-X.

Rezensent:

Hans-Olof Kvist

In den nordischen Ländern befasst man sich seit den 20er Jahren des 20. Jh.s mit systematisch-theologischen Untersuchungen zu Fragen der lutherischen Orthodoxie. Vor allem seien folgende Forschernamen genannt: Einar Billing, Arvid Sjöstrand, Sven Silén, Bengt Hägglund, Helge Brattgård, Fredric Cleve, Rune Söderlund, Lauri Haikola, Juha Pihkala, Kjell Olav Sannes, Simo Kiviranta, Martti Vaahtoranta. Johann Gerhard ist dabei ­ was nicht überrascht ­ derjenige Theologe, den man am meisten beachtet hat. Von nordischem Ge sichtspunkt aus ist die Tatsache hervorzuheben, dass seine Meditationes sacrae schon im Jahre 1617 und die Exercitium pietatis im Jahr 1697 als schwedische Übersetzungen gedruckt wurden. In finnischer Sprache kamen die beiden Schriften zehn oder acht Jahre vor dem Jahr 1688 heraus, aber die erste Auflage verbrannte (Osmo Tiililä). In Finnland sind die Meditationes sacrae innerhalb der im südwestlichen Teil des Landes wirkenden Beterbewegung immer noch benutzte Andachtsliteratur. Innerhalb der evangelischen Erwe ckungsbewegung Finnlands hat Heikki Kos kenniemi die erweiterte Version des ersten Teils der Loci theologici Gerhards ins Finnische übersetzt. Die im Jahre 2002 gedruckte Übersetzung wurde mit der Erfahrung begründet, dass die klare Lehre vom Wort Gottes verschüttet sei.

Der von Bengt Hägglund ein Jahr später publizierte lateinische Text der Loci theologici, der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Werk des schwedischen Gelehrten, Theologen und späteren Bi schofs Johannes Rudbeckius ist, kommt entsprechenden Bedürfnissen entgegen, ist aber als kritische Textausgabe in erster Linie ein wichtiger Beitrag zum wissenschaftlichen Studium der lutherischen Orthodoxie. Der Herausgeber, ein hervorragender Kenner der Theologie Luthers und der lutherischen Orthodoxie, ist für das Projekt am besten qualifiziert gewesen.

Die Ausgabe enthält ein Vorwort und zwei Einleitungen, wovon die eine (schon im Jahre 1992 separat in Svensk Teologisk Kvartal skrift, 1­9, gedruckt) schwedischsprachig und die andere deutschsprachig ist. Die Letztere trägt den Titel »Wittenberg-Orthodoxie in Uppsala am Anfang des 17. Jahrhunderts«. Hägglund schildert hier die Person und den wissenschaftlichen Einsatz von Rudbeckius und den allgemeinen Hintergrund der Textausgabe. Urban Forell, der Sohn des schwedischen Pfarrers in Berlin und Doktors der Theologie Birger Forell (1893­1958), hatte die Handschrift in den 60er Jahren Hägglund überantwortet, der aber erst nach seiner Emeritierung am Ende der 80er Jahre mit der Arbeit an der Herausgabe des Textes anfangen konnte. Es wird angenommen, dass die Handschrift nach den Anfangsphasen im 17. Jh. unbekannten Schicksalen entgegengegangen sei, sich in verschiedenen norrländischen privaten Bibiliotheken befunden habe und auf diese Weise dem norrländischen Pfarrgeschlecht der Frau von Birger Forell zugekommen sei.

Rudbeckius kam erstmals als 20-Jähriger nach Wittenberg, wo er Mathematik, Logik und biblische Sprachen studierte. Schon zu dieser Zeit und später in Jena waren Rudbeckius und Gerhard Kommilitonen. Nach seiner Rückkehr nach Uppsala wurde er Professor für Mathematik an der Universität, gab aber auch Unterricht in Logik, Dialektik, Latein und Griechisch. Im Jahre 1607 reiste er das zweite Mal nach Wittenberg, wo er bis 1609 verblieb. Diesmal beabsichtigte er, vor allem Theologie zu studieren, war aber gleichzeitig mit aris totelischer Logik beschäftigt. Nach seinem Aufenthalt in Wittenberg erhielt er im Jahre 1609 den Lehrstuhl für Hebräisch an der Universität Uppsala, wo er zwei Jahre später Professor für Theologie wurde. Der nächste Schritt seiner Karriere war die Hofpredigerschaft bei König Gustaf II. Adolf, die er bis zum Jahre 1615 ausübte.

Hinsichtlich der Entstehung der Handschrift bemerkt Hägg lund, manches sei in Dunkel gehüllt. Bei ihrer Herstellung seien viele geschickte Abschreiber tätig gewesen, die wie ein Team sich zur Aufgabe gemacht hätten, ein abgeschlossenes Ganzes zu Stande zu bringen. Die Vorlage könnte die Nachschrift eines mündlichen Vortrags gewesen sein. Wahrscheinlich sei der Vorgang der Folgende gewesen: Im Zusammenhang mit den Vorlesungen 1611­1613 sei eine Handschrift als sorgfältige Nachschrift, als mehrere Nachschriften oder als Vorlage zu den Vorlesungen vorhanden gewesen, die vielleicht später durch Nachschriften ergänzt worden sei. Während Rudbeckius¹ Amtsperiode als Bischof (1619­1646) seien dann die Notizen von einigen Schreibern zu einem Buch zusammengestellt worden, wahrscheinlich in den 30er Jahren des 17. Jh.s.

Hägglund stellt fest, dass die Disposition des vorliegenden Textes genau Matthias Hafenreffers Loci theologici (1600) folgt. Daraus sei jedoch nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Handschrift auch inhaltlich mehr oder weniger sklavisch von Hafenreffer abhängig wäre. In Wirklichkeit werde auf Hafenreffer nur ne benbei hingewiesen als auf einen Autor, dessen Darstellung schon bekannt sei und deshalb keiner Wiederholung bedürfe. Vermutlich gründe sich die vorliegende Darstellung mehr auf den mündlichen Unterricht, den Rudbeckius von deutschen Lehrern erhalten habe als auf schriftliche Quellen.

Im Blick auf das Verhältnis von Rudbeckius zu Gerhard bemerkt Hägglund, dass jener am Anfang des Buches aus dem Text Gerhards entlehnt hat, z. B. in dem Locus de Deo und in dem Locus de animae humanae propagatione. Dies sei nicht überraschend, wenn man bedenke, dass die zwei ersten Bände von Gerhards Loci in den Jahren 1610­11 erschienen seien. In Anbetracht dessen aber, dass Rud be ckius und Gerhard Studienfreunde waren, sei es sogar verwunderlich, wie spärlich Gerhard verwendet worden sei.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Behandlung des Theologiebegriffs des Buches. Hägglund weist nach, dass Gerhards Proömium erst in der zweiten Auflage (1625) der ersten Loci hinzugefügt wurde. Rudbeckius¹ Prolegomena de constitutione theologiae gehe zeitlich vorraus und sei auch inhaltlich völlig unabhängig von Gerhards Proömium, d. h. stelle einen selbständigen Beitrag zur Ge schichte der lutherischen Orthodoxie dar (vgl. Johannes Wallmann). Der Terminus »Prolegomena« könnte von Hafenreffer stammen, aber die entsprechenden Textabschnitte der beiden wichen inhaltlich völlig voneinander ab. Im Unterschied zu Gerhard erkläre Rudbeckius die Theologie nicht als »die Lehre von Gott und den göttlichen Dingen«, sondern etymologisch ­ und unhaltbar ­ als das »logion« Gottes, »eloquium Dei«, als die Lehre von Gottes Aussagen.

Nach Hägglund ist die Handschrift in bestimmter Hinsicht vermutlich einzigartig, nämlich was den Inhalt der Endsummierung betrifft, die der Verfasser und vermutlich der Vorleser der Handschrift hinzugefügt habe. In dieser wird zum Ausdruck gebracht, dass der Zweck des ganzen Theologiestudiums die Selbstprüfung sei. Jedermann sollte sich selbst prüfen, ob er im Glauben ist, eine Haltung, die ein Verständnis des Zwecks der Theologie nach folgenden Richtlinien voraussetzt: universae theologiae finis est, ut credamus Jesum esse Christum, et ut credentes vitam habeamus in nomine eius.

Mit der kritischen Ausgabe dieser wertvollen Handschrift hat Hägglund der internationalen und der schwedischen Theologie einen großen Dienst erwiesen. Er und der Verlag sind für diese theo logische Kulturtat zu beglückwünschen.