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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

310-311

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ziemer, Benjamin:

Titel/Untertitel:

Abram ­ Abraham. Kompositionsgeschichtliche Untersuchungen zu Genesis 14, 15 und 17.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2005. XIV, 449 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 350. Lw. EUR 118,00. ISBN 3-11-018294-7.

Rezensent:

Beate Ego

Diese Dissertation, entstanden in Halle bei Ernst-Joachim Waschke, hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand der Kapitel Gen 14, 15 und 17 die Entwicklung der Abrahamsgestalt zur wichtigsten Vaterfigur der Bibel nachzuzeichnen. Damit hat sie sich ­ so der Vf. in seiner Einleitung ­ »unweigerlich mit der Frage nach der Entstehungsgeschichte des Buches Genesis und des Pentateuch in der exilisch-nachexilischen Zeit« auseinanderzusetzen (3). Um sich auf ein Minimum an entstehungsgeschichtlicher Hypothetik zu beschränken, setzt der Vf. mit seinen Überlegungen bei der Endkomposition, dem kanonisierten Pentateuch, ein sowie mit der Annahme, dass die pries terliche Schicht ­ als Redaktionsschicht und nicht als ur sprünglich selbständige Quelle ­ eine deutlich unterscheidbare Stimme in der Endkomposition des Pentateuch spielt. Wenn sowohl Gen 14 als auch Gen 15 bzw. Gen 17 der jüngsten Schicht der Genesis zugesprochen wurden, so stellt sich die Frage nach der relativen Chronologie der Schlussphasen der Pentateuchentstehung.

Nach einer knappen Einleitung (3­7) orientiert sich der Aufbau des Werkes kursorisch am biblischen Text selbst, wenn Gen 14 (»Abram und die Könige«, 11­162), Gen 15 (»Abra[ha]m, der Vertraute Gottes«, 165­274) und Gen 17 (»Abraham, der Vater eines Gewimmels von Völkern«, 275­369) jeweils im Hinblick auf das in diesen Kapiteln enthaltene Bild Abrahams sowie auf die entsprechenden kompositions- und redaktionskritischen Implikationen dargestellt werden. Ein Ausblick mit Überlegungen zur Endkomposition und zur nachendkompositionsgeschichtlichen Redaktionsgeschichte (370­384) sowie eine Zusammenfassung der wichtigsten Thesen (388­390) beschließen die Arbeit. Durch den Vergleich dieser Texte miteinander sowie durch die Einbeziehung außerbiblischer Abrahamsüberlieferungen wie dem Genesisapokryphon zeichnet der Vf. folgende Skizze der Textentstehung und ­ damit korrelierend ­ des Abrahamsbildes: Gen 15 ­ nach den Analysen des Vf.s eine strukturelle Einheit ­ kann als früheste dieser Überlieferungen bezeichnet werden. In diesem Text, der wohl bereits in exilischer Zeit mit der älteren Abrahamsüberlieferung Gen 12 f.*; 16*;18 ff.* verbunden wurde, erscheint Abraham als ein Prophet, der mit »Vision, Audition, Stern- und Sonnenbeobachtung, Eingeweideschau, Vogelschau und Inkubation über ein er staunliches Repertoire divinatorischer Techniken verfügt« (389) und der alle geschichtlichen Unheilsperioden überdauernde Treue erfahren darf. Der Vf. möchte die in diesem Kapitel genannten Tiere und ihr »Schicksal« mit den in Gen 15,13­16 genannten Epochen der Geschichte Israels in Bezug setzen (Fremdlingsschaft in Ägypten­ zerteilte Kuh; Auszug und Wüstenwanderung ­ zerteilte Ziege; Zeit der Väter ­ zerteilter Widder; Rückkehr in das Land ­ nicht zerteilte Vögel).

Gen 14 ist ­ so der Vf. ­ von Beginn an für die Einfügung vor Gen 15 in frühnachexilischer Zeit geschrieben worden. Hier erfolgt der Versuch, Abraham mit der Weltgeschichte zu verbinden. Der König von Sodom sowie auch Lot erscheinen als ohnmächtige Figuren, wo hingegen Abraham geradezu heldenhaft gezeichnet wird. Er erweist sich den altorientalischen Großkönigen gegenüber als überlegen, wirkt als selbstloser Retter und steht zudem in einer ganz besonderen Beziehung zum Priester Melchisedek. Durch die Einführung dieses Kapitels in die ältere Abrahamkomposition werden die Land- und Nachkommensverheißungen des älteren Kapitels Gen 15 in Jerusalem lokalisiert; zudem erscheinen sie als Belohnung für Abrahams integeres Verhalten gegenüber Lot und den Leuten von Sodom.

Als jüngstes Kapitel und als »Schluss-Stein in der Makrostruktur der kanonischen Genesis« ist Gen 17 anzusehen. Auf Grund des systematisierenden Charakters von P kann diese nicht als ursprünglich eigenständige Grundschrift verstanden werden, sondern vielmehr als redaktionelle Endkompositionsschicht. Durch den Begriff des tyrb findet hier eine Verklammerung mit der Schöpfungserzählung, der Flutgeschichte, mit Gen 15 sowie mit der im Pentateuch enthaltenen Gesetzgebung statt. Zudem wurden die unterschiedlichen Namensformen Abram/Abraham sowie Sara/Sarai im gesamten Pentateuch systematisiert.

Es besteht in diesem begrenzten Rahmen nicht die Möglichkeit, die einzelnen Argumentationsschritte des Vf.s en detail nachzuvollziehen und zu diskutieren. So muss ich mich hier auf einige Hinweise beschränken: Dem Vf. gelingt es, mit seinen detailreichen und breiten Darlegungen zu Gen 14, 15 und 17, die Vielfältigkeit des biblischen Abrahamsbildes in seiner späteren biblischen Entwicklung plastisch darzustellen und mit der biblischen Überlieferung zu vernetzen. Damit werden die zahlreichen Arbeiten zum älteren Abrahamsbild ergänzt und konstruktiv fortgeführt. Besonders hervorzuheben sind die umsichtigen Darlegungen zur kompositionellen Gestalt der Abrahamsüberlieferung sowie die behutsamen Überlegungen zur Rekonstruktion von Gen 14*, die durch einen ausführlichen Vergleich mit dem Genesisapokryphon gewonnen werden.

Im Hinblick auf den Gesamtentwurf sei zunächst einige grundsätzliche Bemerkung erlaubt: So stellt sich ganz basal die prinzipielle methodische Anfrage, inwieweit auf Grund der Analyse von drei einzelnen Kapiteln der Abrahamsüberlieferung Rückschlüsse auf das Entstehen des gesamten Überlieferungskomplexes (bzw. gar des Pentateuch) gezogen werden können. So mag die Ablehnung einer deuteronomistischen Redaktion des Pentateuch dem Vf. vielleicht auf der Basis eines einzigen Kapitels plausibel erscheinen (so 169 zu Gen 15), angesichts der gesamten Abrahamsüberlieferung ist eine solche These freilich nicht zu halten (vgl. z. B. Gen 22,15­18; Gen 26,2­5). Von daher wäre ­ um hier nur auf ein Beispiel Bezug zu nehmen ­ Gen 15 noch einmal erneut auf seine Relation zu P zu untersuchen und zu prüfen, ob es sich hier nicht doch um eine nachpries terliche Überlieferung handelt (s. hierzu jetzt M. Köckert, Die Geschichte der Abrahamsüberlieferung, in: Congress Volume Leiden 2004, ed. by A. Lemaire, VT.S 109, Leiden 2006, 103­128).

Im Kontext der breiten Darlegungen des Vf.s überraschen zudem auch immer wieder knappe, geradezu apodiktisch wirkende Aussagen, die beim Leser den Wunsch nach einer breiteren Untermauerung und Entfaltung erwecken (vgl. z. B. die kompliziert formulierte Einleitung [insbesondere 4 f.]; die Ausführungen zu Gen 15 als Vermittlungstext zwischen der Väter- und der Exodusüberlieferung [172]). Auch die Relation zwischen den Tieren und den verschiedenen Geschichtsepochen wird letztendlich inhaltlich nicht einsichtig gemacht. Allein das Strukturprinzip von 3 + 1 Elementen besagt ja noch nicht, dass die einzelnen Elemente wie bei einer Allegorie auch einander zuzuordnen sind (vgl. hierzu 199.211 f.).

Als Fazit bleibt so festzuhalten: Der Vf. hat eine interessante, eigenständige Studie vorgelegt, die Wichtiges zum alttestamentlichen Abrahamsbild beiträgt und darüber hinaus auch zu weiteren Untersuchungen und Diskussionen anregt.