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Ausgabe:

März/2007

Spalte:

294-295

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Novak, David:

Titel/Untertitel:

Talking with Christians. Musings of a Jewish Theologian.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2005. XIV, 269 S. gr.8° = Radical Traditions. Kart. US$ 25,00. ISBN 0-8028-2842-6.

Rezensent:

Klaus Wengst

David Novak, jetzt Professor an der Universität Toronto, ist einer der vier, die »Dabru Emet« verfasst haben. Der Geist dieser gewichtigen jüdischen Stellungnahme zu einem veränderten Christentum bestimmt durchgehend die in dem hier vorzustellenden Buch gesammelten Vorträge und Aufsätze. Am Beginn stehen grundsätzliche Arbeiten zum jüdisch-christlichen Gespräch. Dessen entscheidende Voraussetzung ist, dass Christen das jüdische Volk als von Gott bleibend erwähltes Israel anerkennen, also die Überwindung des christlichen Ersetzungswahns (supersessionism; vgl. besonders 8­11). Christen müssen »für sich selbst eine christliche Theologie des Judentums formulieren. Wenn sie dabei lebendige Juden mitreden lassen, wird das eine solche christliche Theologie des Judentums davor bewahren, solipsistisch zu werden, d. h. eine bloße Projektion dessen, was Christen möchten, dass Juden es seien ­ anstatt was wir tatsächlich sind« (13).

Der einführende Aufsatz klärt, »was im jüdisch-christlichen Ge spräch zu suchen und was zu vermeiden ist« (1­7). Was gewonnen werden kann, ist »nicht nur ein neues christliches Verstehen von Juden und Judentum und ein neues jüdisches Verstehen von Chris ten und Christentum, sondern vielleicht sogar ein neues christliches Verstehen von Christentum und ein neues jüdisches Verstehen von Judentum« (1 f.). Zu vermeiden sind Disputation, Proselytenmacherei, Synkretismus, Relativismus und Triumphalismus. Auf den As pekt der Konversionen sei etwas näher eingegangen. Als Verneinung des Relativismus kann ihnen N. sogar etwas Positives abgewinnen (5 f.). Als ein besonderes Problem bespricht er, »wenn Juden Christen sind« (218­228) ­ einen neuen Typ jüdischer Konvertiten zum Chris tentum: »jüdische Christen«. »Als jemand, der lange und hart für den Fortschritt dieses neuen und verbesserten Verhältnisses Š gearbeitet hat, bitte ich die Christen, diese jüdischen Christen, die beanspruchen, Judentum zu praktizieren, eher als eine Ausnahme denn als die Regel anzusehen. In ihnen eine einzigartige Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und der Kirche zu erblicken und zu erwarten, dass ehrliche (faithful) Juden diesem Urteil zustimmen, verlangt zu viel von uns« (227). In diesen Zusammenhang gehört auch der Vortrag über Edith Stein: »Wir Juden können nur nachempfinden, dass Sie Katholiken noch eine weitere Heilige gefunden haben, ein weiteres exemplarisches heiliges Leben ­ selbst wenn dieses Leben eins ist, das wir verloren haben. Wir können für Sie empfinden, aber wir können nicht mit Ihnen empfinden. Š Auf dieser tiefsten Ebene sind wir immer noch Fremde zueinander« (165 f.).

Historisch teilt N. die mehr und mehr überzeugende Sicht, dass Christentum und rabbinisches Judentum parallele Entwicklungen sind, die beide auf der hebräischen Bibel und dem Judentum der Spätzeit des Zweiten Tempels gründen (XIII.203 u. ö.). Von daher bestimmt er das Verhältnis vom Neuen zum Alten Testament in Analogie zum Verhältnis der mündlichen Tora zur schriftlichen. Für das Christentum liegt »der primäre Ort autoritativer Offen barung im Neuen Testament. Wenn das ganz sichergestellt ist, müssen Christen auf das Alte Testament zurückblicken ­ nicht als auf die Quelle oder den Grund der christologischen Offenbarung, sondern vielmehr als auf gegebene Bedingungen, die die Annahme als christologische Offenbarung möglich machten«. Das Neue Tes tament ist so »ein notwendig mit dem Alten Testament verbundener Midrasch« (22). Entsprechend ist im Judentum »die schriftliche Tora das, was die Akzeptanz der mündlichen Tora für Juden möglich gemacht hat. Š Auf diese Weise ist also die hebräische Bibel ebenso Ihre schriftliche Tora, wie sie unser Altes Testament ist« (23).

Auf Weiteres kann hier nur eben hingewiesen werden. Wichtiges wird zu »Gesetz und Eschatologie« ausgeführt (46­66). Dabei stellt N. nicht nur hier die Verbindung von Theologie und Politik heraus. Besonders anregend ist, wie er Paulus und die Rabbinen mit dem jungen Barth über die Frage nach einer Voraussetzung der Offenbarung ins Gespräch bringt (108­126). Aus tiefer Kenntnis der eigenen Tradition hat sich N. nicht nur auf das Gespräch mit vielen lebenden Christen eingelassen, sondern auch große Gestalten der christlichen Tradition intensiv wahrgenommen. Das hat sich hier außer in einer weiteren Auseinandersetzung mit Barth über das »göttliche Gebot« (127­145) in einer Gegenüberstellung von Mai monides mit Thomas und von Buber mit Tillich (67­107) nieder geschlagen. Be sonders bemerkenswert ist, dass immer wieder auf Parität geachtet wird; die Gesprächspartner begegnen sich auf Augenhöhe. Das Ganze ist von einer tiefen humanitas getragen. Angemerkt sei jedoch auch, dass N. eine konservative Sexualmoral vertritt. Der Versuch, Homosexualität als Ausfluss von Götzendienst zu erweisen, scheint mir nicht gelungen (118­120; vgl. 44).