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Ausgabe:

Februar/2007

Spalte:

123-136

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Heinig, Hans Michael

Titel/Untertitel:

Das deutsche Staatskirchen- und Religionsrecht im europäischen Rechtsverbund

I. Einführung

Nachdem das Verfahren zur Ratifizierung des Europäischen Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden einstweilen gescheitert ist, befindet sich die Europäische Union in einer selbstverordneten Reflexionsphase. Dies müsste eigentlich die Stunde der Europawissenschaften1 sein, ist die Reflexion über Europa doch das tägliche Brot entsprechender Teildisziplinen in den Rechts-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften. Doch die (gerne auch in die Akteursrolle wechselnden) Beobachter des europäischen Aufbauwerkes winken angesichts des jähen Endes des Verfassungsprojektes eher routiniert als geschockt ab. Sie haben schon viele Höhen und Tiefen im Integrationsprozess miterlebt. Von Anfang an war der europäischen Einigung eine eigentümliche Spannung zwischen der Bewahrung nationalstaatlicher Eigenheiten und der vereinheitlichenden Dynamik europäischer Rechtsetzung eigen. In diese Spannung ist seit jeher auch der lange vor der Einrichtung eines Verfassungskonventes einsetzende Verfassungsdiskurs eingebunden gewesen.2 Phasen der Be- und Entschleunigung gehören zur europäischen Integration eben dazu.3 Waren die letzten Jahre der Europapolitik und -wissenschaften geradezu von einem »Verfassungshype« geprägt, sind die Großversuche europäischer Sinnstiftung und Sinndeutung nun in eine Phase der Konsolidierung einge treten. Die wunderbar »hochgejazzten« Theoriediskurse4 wenden sich vom Europarecht ab und dem Globalverwaltungs- und verfassungsrecht5 zu. Zugleich schöpft die europäische Rechtspolitik ein wenig Atem. Allzu spektakuläre Rechtsetzungsakte stehen momentan nicht auf der Brüsseler Tagesordnung; stattdessen sucht man den acquis communautaire im Rahmen des Bekannten (mehr oder weniger) behutsam fortzuentwickeln.

Von dieser »neuen Ruhe« in Europa ist auch die Gretchenfrage betroffen, die lange Zeit ein europäisches Schattendasein führte, in den letzten 15 Jahren aber beträchtliche Aufmerksamkeit fand. »Wie hältst Du, Europäische Union, es mit der Religion?«, fragten in den vergangenen Jahren gleich dutzende Monographien, Sammel- und Tagungsbände, Zeitschriftenaufsätze, Festschriftenbeiträge und Lehrbuchkapitel.6

Die Debatte um die Einbindung des deutschen Staatskirchen- und Religionsrechts7 in den Prozess der europäischen Integration steht dabei pars pro toto; auch sie ist von der Spannung zwischen Homo- und Heterogenität in der EU geprägt, und auch für sie ist gegenwärtig eine gewisse Konsolidierung kennzeichnend. Grundstürzend neue Erkenntnisse sind einstweilen nicht zu erwarten. Dies gibt Anlass, im Geiste des europäischen Reflexionsprozesses einen Schritt zurückzutreten und sich den gegenwärtigen Erkenntnisstand noch einmal vor Augen zu führen.

II. Religion und Kirchen in der Dynamik europäischer Rechtsentwicklung

1. Keine religionspolitischen Aufgaben und religionsrechtlichen Kompetenzen der Europäischen Union

Der Europäischen Union sind durch die sie konstituierenden Verträge, sieht man einmal von der 1998 eingeführten Bestimmung zur Bekämpfung von Diskriminierungen u. a. aus Gründen der Religion in Art. 13 EGV ab,8 keine religionspolitischen Aufgaben übertragen und keine staatskirchen- und religionsrechtlichen Kompetenzen eingeräumt.9 Die Aufgaben- und Tätigkeitskataloge in Art. 2 und 3 EGV erwähnen Religion und Kirche nicht. Da die Gemeinschaft aber nur im Rahmen der ihnen übertragenen Kompetenzen tätig werden (Art. 5 Abs. 1 EGV ­ Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung) und sich aus eigenem Recht keine weiteren Kompetenzen aneignen darf (sog. Kompetenz-Kompetenz), ist sie insoweit auch gehindert, rechtsetzende, beratende und koordinierende Aktivitäten im Bereich des mitgliedstaatlichen Staatskirchen- und Religionsrechts zu entfalten.

2. Religionsklauseln in europäischen Verordnunge und Richtlinien (Sekundärrecht)

Vor diesem Hintergrund verwundert es auf den ersten Blick, dass man im Sekundärrecht zahlreiche Klauseln mit religiösen Bezügen findet, die Ausnahmen von gewissen europarechtlichen Bestimmungen einheitlich festlegen oder eine Anpassung an staatskirchenrechtliche Besonderheiten durch die Mitgliedstaaten ermöglichen. Solche Klauseln finden sich etwa in Richtlinien zum Arbeitsrecht, wenn eine besondere Gestaltung der Arbeitszeit oder der Loyalitätsbindung in der Kirche zugelassen wird, in Tierschutzbestimmungen, wenn das Schächten von Tieren aus religiösen Gründen erlaubt wird, in Datenschutzbestimmungen, wenn religiös ausgerichtete Organisationen von einzelnen Verboten ausgenommen werden, oder im europäischen Medienrecht, wenn dort geregelt ist, dass Gottesdienstübertragungen nicht durch Werbung un terbrochen werden dürfen. Aber auch Vorschriften zur Gleichbehandlung, zum öffentlichen Wirken und zur Förderung von religiösen Organisationen finden sich im europäischen Sekundärrecht.10

3. Mittelbare Wirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften)

Die Religionsklauseln im europäischen Sekundärrecht reflektieren den Umstand, dass der Rechtskreis der Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften, wiewohl die Union keine staatskirchenrechtlichen Kompetenzen hat, vom Europarecht nicht unberührt bleibt. Die Kirche ist eben auch von dieser Welt und agiert in dieser Welt. Religionsgemeinschaften sind notwendig verstrickt in das Netz des Rechts, das allen Lebenserscheinungen übergeworfen ist. Kirchen beschäftigen Arbeitnehmer, vergeben Bauaufträge, treten als Unternehmer auf, etwa wenn sie einen eigenen Rundfunksender oder eine Bank betreiben. Soweit die EU nun für solche ­ zumeist wirtschaftlich geprägten Bereiche ­ auf Grund durch die Verträge eingeräumter Kompetenzen rechtliche Regelungen trifft, berührt dies stets mittelbar auch den Rechtskreis der Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften.11

Bei solchen mittelbaren Folgewirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung der Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften handelt es sich grundsätzlich um einen auch aus der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung bekannten Vorgang. In Deutschland leben die Kirchen »unter« der durch das Grundgesetz angeleiteten, ihnen Freiheitsräume garantierenden Rechtsordnung, sind also insbesondere den »für alle geltenden Gesetzen« (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV) subordiniert. Wenn Klöster Bier brauen, haben sie sich an das geltende Lebensmittelrecht zu halten, und wenn Kirchen Heizöl kaufen, gilt für sie das Bürgerliche Gesetzbuch.

Freilich kann die Anwendung des für alle geltenden Gesetzes die Kirchen in ihren Spezifika, in ihrem Proprium besonders treffen; die korporative Freiheitsgarantie für Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 3 WRV wird deshalb zutreffend überwiegend so verstanden, dass ein staatliches Gesetz nur dann »für alle« gilt, wenn es auf die vom Selbstverständnis der einzelnen Religionsgesellschaft her zu bestimmenden besonderen Belange hinreichend Rücksicht nimmt (sog. Abwägungslehre).12

Die aus staatskirchenrechtlicher Sicht interessante Frage ist nun, ob sich de lege lata für die europäische Rechtsetzung gleichfalls ein Regime des Interessenabgleichs und -ausgleichs finden lässt. Berücksichtigung verlangt dabei freilich neben den grundrechtlich geschützten religiösen Interessen auch die besondere Ausgestaltung des Staatskirchenrechts in den Mitgliedstaaten. Beide Dimensionen fließen in die an anderer Stelle näher entfalteten verfassungstheoretischen und rechtsdogmatischen Konzeption des »Religionsrechts als Mehrebenenrecht« ein,13 das im Folgenden kurz skizziert werden soll.

III.Religionsrecht als Mehrebenenrecht ­ Kirchen und sonstige Religionsgemeinschaften im europäischen Rechtsverbund

1. Der Begriff des Mehrebenenrechts

Es gehört inzwischen zum Standardwissen jedes Zeitungslesers, dass die internationalen Interdependenzen und Interaktionen auch in Politikfeldern, die bis dato der nationalen Politikformulierung vorbehalten waren, seit dem Ende des Kalten Krieges deutlich zugenommen haben. Diese Prozesse der Europäisierung, Internationalisierung und Globalisierung schlagen auf das Recht voll durch.14 Wesentliche Entscheidungen und Vorentscheidungen der Gesetzgebung sind international koordiniert oder auf transnationale Ebenen hochgezont. Insbesondere das Europarecht hat sich inzwischen als eigenständige Rechtsordnung etabliert, die für sich in Anspruch nimmt, aus einer autonomen Rechtsquelle zu fließen.15 Die beiden die Europäische Union konstituierenden Verträge stellen schon heute, unabhängig von ihrer Benennung und dem weiteren Schick sal des Entwurfs eines Verfassungsvertrages, funktional betrachtet eine Art Verfassung dar (Bindung der öffentlichen Gewalt, Organisation des politischen Willensbildungsprozesses, oberste Rechtsebene, Reservoir an obersten Leitprinzipien [»Werteordnung«]).16 Das deutsche Grundgesetz und die europäischen Verträge kann man in der Gesamtschau deshalb als Teilverfassungen beschreiben, die erst in ihrem Zusammenwirken die maßgebliche Grundordnung des Gemeinwesens ergeben.17

Zur Bezeichnung dieser Verfassungspluralität hat Ingolf Pernice den Begriff des »Verfassungsverbundes« oder »Multi-Level-Constitutionalism« in den juristischen Sprachgebrauch eingeführt.18 Die Europarechtswissenschaft nimmt damit einerseits den vom Bundesverfassungsgericht gebrauchten Begriff des »Staatenverbundes«19 auf, der den sui-generis-Charakter der Union zwischen Staatenbund und Bundesstaat markiert, und überführt ihn aus der Staats- in die Verfassungslehre. Zum anderen nimmt sie mit dem Begriff des »Multi-Level-Constitutionalism« Anleihen in der Politikwissenschaft, die zur Beschreibung föderaler Systeme den Begriff des »Mehrebenensystems« ausgebildet hat.20 Das Verhältnis zwischen EU und Mitgliedstaaten wird dabei als dynamisches Mehrebenensystem typisiert, d. h. dass in einem Gesamtgefüge mehrerer Ebenen keiner per se ein hierarchischer Vorrang zukommt. Die klassische Lösung von Kollisionen zwischen mehreren Entscheidungsebenen durch Über-/Unterordnung weicht gegenseitiger Verwiesenheit, Verschränkungen und Verflechtungen. Die trennscharfe Scheidung mehrerer Entscheidungsebenen weicht gegenseitigen Kontrollen, Koordinationen und Kooperationen.

2. Elemente des religionsbezogenen Mehrebenenrechts

1. Ordnung

In dieses System der Politik- und Rechtsverflechtung ist das Staatskirchen- und Religionsrecht eingebunden:21 Zwar fehlt es der Union weitgehend an originären Kompetenzen in diesem Bereich, zugleich aber sind die beschriebenen mittelbaren Folgewirkungen zu gewärtigen, die wiederum im europäischen Sekundärrecht durch unterschiedlichste Klauseln reflektiert werden. Diese Klauseln sind aus rechtlicher Sicht nicht Produkt politischer Kontingenz, sondern durch ein Ensemble das Mehrebenensystem steuernder Rechtsnormen (Mehrebenenrecht 1. Ordnung)22 angeleitet. Hierzu gehört zuvorderst die oben skizzierte Kompetenzverteilung gemäß dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Neben Kompetenzverteilungs- bestehen aber auch Kompetenzaus übungs- und Rechtsanwendungsregeln. Diese sichern zum einen die Effektivität der Integration durch Recht ab, 23 indem sie die Durchschlagskraft des Europarechts verstärken, zum anderen aber suchen sie eine Absorption der mitgliedstaatlichen durch die europäische Rechtsebene zu verhindern.

a) Der Subsidiaritätsgrundsatz

Letzterem dient etwa der Grundsatz der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 2 EGV, näher ausgestaltet durch das Subsidiaritätsprotokoll). Nach diesem darf die Gemeinschaft außerhalb ihrer ausschließlichen Zuständigkeiten nur tätig werden, wenn Ziele durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten »nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.«

Freilich hat der Subsidiaritätsgrundsatz für die mittelbaren Rück wirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung der Kirchen nur insoweit Bedeutung, als eine gemeinschaftsrechtliche Maßnahme überhaupt zu unterbleiben hat. Eine spezifische Begrenzung unionaler Maßnahmen in ihrer Wirkung für Religionsgemeinschaften setzt Art. 5 Abs. 2 EGV nicht.24 Die Nichtberücksichtigung religiöser Interessen, etwa durch die Aufnahme von Ausnahmeklauseln für Religionsgemeinschaften in das sekundäre Europarecht, ist keine Frage der »Erforderlichkeit« im organisationsrechtlichen Sinne, sondern eine Problematik zulässiger grundrechtlicher Beeinträchtigungen, also des Grundrechtsschutzes der Kirchen.25

b) Schutz der nationalen Identität (Art. 6 Abs. 3 EUV) und die Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam

Für die Berücksichtigung der Besonderheiten des nationalen Staatskirchenrechts in der europäischen Gesetzgebung und -anwendung unmittelbar einschlägig sind hingegen Art. 6 Abs. 3 EUV sowie die sog. Kirchenerklärung von Amsterdam. Art. 6 Abs. 3 EUV lautet: »Die Union achtet die nationale Identität der Mitgliedstaaten.«

In engem Zusammenhang mit der Norm steht eine Erklärung, die an Stelle eines zunächst von einigen Regierungen befürworteten eigenen Kirchenartikels im Rahmen der Regierungskonferenz von Amsterdam verabschiedet wurde: »Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften ge nießen, und beeinträchtigt ihn nicht. Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise.«

Nun ist eine Erklärung zum Vertrag kein Artikel im Vertrag. Der Wortlaut der Erklärung verheißt deshalb mehr, als die Erklärung normtypologisch halten kann. Sie ist eine Rechtserkenntnisquelle, keine Rechtsquelle. Ihre wesentliche rechtliche Funktion ist es, als Hilfe bei der Auslegung der geltenden Verträge zu dienen. Ihre wesentliche politische Funktion geht freilich weit darüber hinaus. Denn mit der Erwähnung der Kirchen und Religionsgemeinschaften verbindet sich das religionspolitische Signal, dass diese Organisationen keine quantité negliable auf dem Brüsseler Parkett sind, sondern anerkannte Akteure im Spiel der europäischen Politikformulierung.26

Rechtlich steht die Erklärung in engem Zusammenhang mit dem durch den Vertrag von Maastricht eingefügten Art. 6 Abs. 3 EUV. Die Erklärung unterstreicht in gewisser Weise, dass die Grundstrukturen des mitgliedstaatlichen Staatskirchen- und Religionsrechts der »nationalen Identität« zugerechnet werden können.27 Art. 6 Abs. 3 EUV und die Erklärung statuieren ein Gebot der Berücksichtigung der national gegliederten staatskirchenrechtlichen Vielfältigkeit28 im Prozess der europäischen Gesetzgebung. Dabei kommt dem Schutz der mitgliedstaatlichen Ausprägungen im Staatskirchenrecht umso mehr Gewicht zu, je näher diese an das Ensemble systembegründender Fundamentalprinzipien heran rücken. Für die deutsche Rechtsordnung wäre etwa das Prinzip der offenen und kooperativen Trennung von Staat und Kirche typus prägend, der Einbezug der Kirchensteuer in das Lohnabzugsverfahren hingegen für die nationale Identität eher peripher.

Hervorzuheben ist freilich auch, dass Art. 6 Abs. 3 EUV und der Erklärung Nr. 11 keine einseitig religionsschützende Funktion eignet. Ihr strukturbewahrender Charakter ist religionspolitisch neutral gestellt ­ die Union hat deshalb die laizistische Ausrichtung Frankreichs und staatskirchliche Systeme ebenso zu achten. Art. 6 Abs. 3 EUV dient vorrangig dem Interesse auf Erhaltung nationaler Vielfalt in der Einheit; ein Religionsschutz erfolgt lediglich als Reflex aus der nationalen Sonderheit.

c) Der religionsbezogene Grundrechtsschutz im europäischen Rechtsverbund

Unmittelbar werden religiöse Interessen hingegen durch den religionsbezogenen Grundrechtsschutz im europäischen Rechtsverbund bedient. Im Bereich der Grundrechte hat sich inzwischen ein für den normalen Bürger kaum überschaubares Geflecht unterschiedlichster Grundrechtsregime ausgebildet. Nationale Grundrechte stehen neben der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Verpflichtung der EU durch Art. 6 Abs. 2 EUV, einen Grundrechtsschutz in Anlehnung an die EMRK und die gemeinsamen Überlieferungen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, steht neben einer Charta der Grundrechte der EU, die bisher nur proklamiert, aber nicht in Geltung gesetzt wurde. So chaotisch dieses Nebeneinander auf den ersten Blick anmutet: Bei verständiger Auslegung bilden diese Kataloge und Bestimmungen Elemente eines sorgfältig austarierten Geflechts zwischen nationalem und transnationalem Grundrechtsschutz.29

Dabei wird der Grundrechtsschutz im Mehrebenensystem nicht von einer höchsten Ebene angeleitet, sondern durch Verflechtung organisiert. So verpflichtet Art. 6 Abs. 1 EUV etwa die Mitgliedstaaten auf einen grundrechtlichen Mindestschutz; zugleich schreibt Art. 23 Abs. 1 GG vor, dass die Union einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleisten muss.

Das Grundrecht auf Religionsfreiheit sowie das Verbot religiöser Diskriminierung sind als Kernbestand jeder freiheitlichen und rechtsstaatlichen säkularen öffentlichen Ordnung selbstverständlich als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkannt.30 Dies gilt auch für die korporative Dimension der Religionsfreiheit, deren konkrete Reichweite gemäß der EMRK und der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen zu bestimmen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Staat-Kirchen-Regime allerdings gewisse Schwierigkeiten aufwirft.31

Zu Religionsfreiheit und Diskriminierungsverbot gesellen sich in der EU-Grundrechtecharta weitere Rechte mit Religionsbezug wie etwa das Recht der Eltern, den Schulunterricht entsprechend ih rer eigenen religiösen Überzeugungen sicherzustellen (Art. 14 Abs. 3), oder die Achtung der religiösen Vielfalt durch die EU (Art. 22).32

d) Schutz der kulturellen Vielfalt

Ohne größere Bedeutung für die Einbindung des deutschen Staatskirchen- und Religionsrechts in den europäischen Rechtsverbund ist hingegen der Schutz der kulturellen Vielfalt, den die Gemeinschaft nach Art. 151 Abs. 4 EGV zu beachten hat. Denn der Kulturbegriff wird hier rechtstechnisch, nicht kulturtheoretisch verwendet; er ist deshalb restriktiv auszulegen.33

IV. Exemplarisch: Art. 13 EGV und die RL 78/2000/EG

Wie dieses religionsrechtlich relevante europäische Mehrebenenrecht 1. Ordnung grundrechtsgeschützte religiöse Interessen und legitime nationale Besonderheiten verarbeitet, ohne zugleich ein bestimmtes europäisches Regelungsinteresse aus dem Blick zu verlieren, lässt sich besonders eindrücklich am Beispiel des Art. 13 EGV und des darauf beruhenden Antidiskriminierungsrechts zeigen.

Der Europäischen Union wurde durch den Amsterdamer Vertrag 1998 mit Art. 13 EGV die Kompetenz eingeräumt, Vorkehrungen gegen Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu treffen.34

Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zur Verabschiedung von Regelungen zur Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf sah sich die Union nun mit dem Umstand konfrontiert, dass nach dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten Kirchen und andere Religionsgemeinschaften ihren Arbeitsrechtsverhältnissen in unterschiedlichem Umfang eine religiöse Prägung geben dürfen. Nach deutschem Recht etwa sind die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften berechtigt, ihren Arbeitnehmern besondere Loyalitätsobliegenheiten aufzuerlegen und ihnen die Mitgliedschaft in der Kirche abzuverlangen. Diese Praxis stellt eine Ungleichbehandlung aus religiösen Gründen dar, findet ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung aber in der Freiheit der Kirchen, ihre Organisation und ihre Verwaltung nach den Erfordernissen der eigenen religiösen Lehre auszurichten.35

Die unterschiedliche Rechtspraxis in den Mitgliedstaaten führte nun unvermeidlich zu einem Zielkonflikt zwischen dem Schutz nationaler staatskirchenrechtlicher Besonderheiten, grundrechtlich geschützter kirchlicher Freiheit und dem europäischen Anliegen der Bekämpfung von Diskriminierungen.36 Am Ende wurde dieser Konflikt auf intelligente Weise durch die Aufnahme einer eigenen Ausnahmeklausel für religiöse Organisationen gelöst (Art. 4 Abs. 2 der RL 2000/78/EG), die einerseits einen bestimmten Mindeststandard des Diskriminierungsschutzes auch innerhalb religiöser Organisationen festlegt, zugleich aber Abweichungen vom Verbot einer Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion nach Maßgabe des zur Zeit des Erlasses der Richtlinie geltenden mitgliedstaatlichen Rechts erlaubt.37 Deutschland hat von dieser Möglichkeit nun in § 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) entsprechend seiner grundgesetzlichen Verpflichtung Gebrauch gemacht. Die involvierten Rechtsgüter wurden so möglichst schonend zum Ausgleich gebracht, ohne dass eines per se zurückzutreten hätte.

Die so bewirkte »Herstellung praktischer Konkordanz«38 ist durchaus typisch für die Regulierungswirkungen, die das Mehrebenenrecht 1. Ordnung im Bereich des Staatskirchen- und Religionsrechts entfaltet. Ob man sich die Bindung und Berechtigung der Kirchen durch die EU-Grundfreiheiten, ihre Verpflichtung durch das europäische Vergaberecht, die Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts auf kirchliche Organisationen oder etwa die Umsetzung von Richtlinien durch öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften anschaut,39 stets lassen sich unter Rückgriff auf das Instrumentarium des Mehrebenenrechts 1. Ordnung verständige Lösungen finden, in denen das Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit und die Besonderheiten des mitgliedstaatlichen Staatskirchenrechts angemessen im europäischen Rechtsverbund berücksichtigt werden, ohne freilich per se den »höchsten Trumpf« zu bilden. Entsprechend sind gravierende Konflikte zwischen der europäischen und der mitgliedstaatlichen Rechtsebene in rebus religionis bisher ausgeblieben, und es ist vor dem Hintergrund der genannten Normenensembles unter der gemeineuropäischen rule of law mit solchen absehbar auch nicht zu rechnen.40

V. Der Verfassungsvertrag oder: Religionsrecht als symbolisches Recht

Dem skizzierten Mehrebenencharakter des Religionsrechts in Europa würde auch der einstweilen gescheiterte europäische Verfassungsvertrag in der Sache keine grundsätzlich neue Gestalt oder Ausrichtung geben.41 Die Kirchenerklärung würde zu einem Artikel promoviert, ohne dass damit Änderungen hinsichtlich ihres Regelungsgehaltes beabsichtigt sind.42 Einzelne Grundrechte mit Religions- und Kirchenbezug würden ausdrücklich verankert, ohne dass damit eine Extension des Schutzes einhergehen würde. Und schließlich würde ein Dialog zwischen der Europäischen Kommission und Vertretern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften festgeschrieben, der sich in der Praxis schon lange bewährt hat und bisher keiner besonderen rechtlichen Grundlage bedurfte.43

Aus religionsrechtlicher Sicht ist der Verfassungsvertrag deshalb weniger von Interesse, weil er etwa bestimmte offene Fragen rechtstechnisch lösen würde, sondern weil er die symbolische Bedeutung des Rechtsgebiets besonders anschaulich macht. Im Verfassungsrecht im Allgemeinen und im Religionsverfassungsrecht im Besonderen verdichten sich bestimmte Selbstverständigungen einer Gesellschaft, die die Technizität der staatlichen Ordnung transzendieren. Das Staatskirchen- und Religionsrecht ist insoweit stets auch symbolisches Recht44 nach dem Motto: »Sage mir was für ein Religionsrecht Du hast, und ich sage Dir, was für ein Staat Du bist.«45 In diesem Sinne hätte der Verfassungsvertrag durch die Dialogpflicht und die Beschwörung des religiösen Erbes in der Präambel des Vertrages den schon in der Kirchenerklärung von Amsterdam angelegten gleichermaßen symbolträchtigen wie paradoxen Effekt verstärkt, dass im Gebot der Achtung mitgliedstaatlicher Diversifizität zugleich eine Absage an eine streng laizistische Ausrichtung der Europäischen Union selbst eingeschrieben ist, weil nur so nichtlaizistische Traditionen im Europarecht hinreichend berücksichtigt werden können.46

Wie ambivalent freilich der symbolische Gehalt des Rechts ist, hat die Haltung der deutschen Kirchen in der Frage gezeigt, wie ein religiöser Bezug in der Präambel der Verfassung auszusehen habe. Sie forderten vehement eine dem Grundgesetz vergleichbare nominatio dei und empfanden das Scheitern eines entsprechenden politischen Vorstoßes als Affront. Die zentrale Bedeutung des Christentums für Werden und Sein Europas werde ignoriert. Dabei geriet ein wenig aus dem Blick, dass bereits die von allen Beteiligten im Konvent und im Europäischen Rat getragene Beschwörung des religiösen Erbes einen gegenüber dem Status quo deutlichen symbolischen »Geländegewinn« darstellt und gerade bei der Formulierung der symbolbeladenen Präambel auf Empfindlichkeiten der einzelnen Mitgliedstaaten mit sehr unterschiedlichen zivilreligiösen und staatskirchenrechtlichen Traditionen Rücksicht genom men werden muss.47

VI. Die deutsche Staatskirchenrechtswissenschaft und die Europäisierung ihres Gegenstandes

Die die Rechtsordnung insgesamt prägenden Prozesse der Internationalisierung und Europäisierung gehen somit, das haben die Ausführungen gezeigt, auch am deutschen Staatskirchen- und Religionsrecht nicht völlig spurlos vorbei.48 Zugleich haben sich lange Zeit in der deutschen Staatskirchenrechtswissenschaft vorherrschende Befürchtungen, der Gegenstand der Disziplin werde von Brüssel aus auf den Kopf gestellt, nicht bewahrheitet. Die auf die nationale Ebene durchschlagenden Transformationseffekte halten sich im Rahmen. Mehrebenenspezifische Instrumente kontrollieren den durch die Internationalisierung des Rechts bedingten Wandel und sichern die Adäquatheit des Religionsrechts im Rechtsverbund absehbar ab.49

Das Religions- und Staatskirchenrecht als innerhalb der Rechtswissenschaft ausdifferenzierte akademische Disziplin tut sich freilich zu Teilen schwer, diese Entwicklung in ihrer theoretischen Tiefendimension zu reflektieren. Es setzt sich im Hinblick auf die Internationalisierung des Rechts gleichsam fort, was auch für die wissenschaftliche Betrachtung des nationalen Staatskirchen- und Religionsrechts gilt: Das Fach ist in der Breite eher theorieavers und innovationsresistent eingestellt.50 Sozial- und religionswissen-schaftliche Erkenntnisse werden kaum rezipiert und noch seltener in fachübergreifend angelegten Forschungsprogrammen verarbeitet. Gleiches gilt überraschenderweise auch für die theologische Forschung in ihrer Fülle. Diese Introvertiertheit wird sich das Fach vor dem Hintergrund der durch die Internationalisierung verursachten rasanten Dynamik der Rechtsordnung und ihrer wissenschaftlichen Betrachtung, aber auch angesichts der »Wiederkehr der Götter«51 auf die Bühne politischer Auseinandersetzungen kaum auf Dauer leisten können, ohne sich nicht fortschreitend selbst zu marginalisieren.

Summary

The Europeanisation of national legal systems does not stop at the Law on Churches and Religion. For a long time, one was afraid that the European Law could put into question the traditional assets of German Law. Such scenarios proved to be unrealistic. The effects of the European Law on the German religious law are manageable; drastic steps or disruptions did not occur. This »protection« of the Law on Churches and Religion was not accidental but is also due to central legal instruments of the European network of legislation. This article presents them and integrates their effects and perspectives into the general discussion about the future of the project of European integration.1)Vorgetragen am 10. Mai 2006 im Berliner Dom als Beitrag der UEK-Vortragsreihe »Berliner Protestantische Profile«.

Fussnoten:

1) Zur Ausbildung einer solchen Disziplin siehe G. F. Schuppert/I. Pernice/U. Haltern [Hrsg.], Europawissenschaft, 2005.

2)Siehe zu der politischen vorgängigen rechtswissenschaftlichen Verfassungsdebatte in Europa etwa C. Möllers, Verfassungsgebende Gewalt ­ Verfassung ­ Konstitutionalisierung, in: A. v. Bogdandy [Hrsg.], Europäisches Verfassungsrecht, 2003, 1 (36 ff.) mit weiteren Nachweisen (=m. w. N.).

3) Vgl. U. Haltern, Europarecht, 2005, 39 ff.

4)Vgl. z. B. J. Bast u. a., Die Europäische Verfassung ­ Verfassungen in Europa, 2005; U. Haltern, Das Europarecht und das Politische 2005 m. w. N.

5) Etwa A. Fischer-Lescano/G. Teubner, Regime-Kollisionen, 2006 m. w. N.

6) Zuletzt und im Folgenden besonders bedacht etwa Walter, Christian: Religionsverfassungsrecht in vergleichender und internationaler Perspektive. Tübingen: Mohr Siebeck 2006. XXXI, 664 S. gr.8° = Jus Publicum, 150. Lw. EUR 129,00. ISBN 978-3-16-148990-7, insb. 332 ff.; Mückl, Stefan: Europäisierung des Staatskirchenrechts. Baden-Baden: Nomos 2005. 631 S. gr.8° = Neue Schriften zum Staatsrecht, 1. Geb. EUR 119,00. ISBN 3-8329-1294-0, insb. 409ff.; Reichegg/er, Heidi: Die Auswirkungen der Richtlinie 2000/78/ EG auf das kirchliche Arbeitsrecht unter Berücksichtigung von Ge meinschaftsgrundrechten als Auslegungsmaxime. Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2005. XX, 275 S. 8° = Schriften zum Staatskirchenrecht, 24. Kart. EUR 3-631-53613-5; Triebel, Matthias: Das europäische Religionsrecht am Beispiel der arbeitsrechtlichen Anti-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG. Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2005. XVII, 345 S. 8° = Schriften zum Staatskirchenrecht, 25. Kart. EUR 56,50. ISBN 3-631-53504-X; Kehlen, Detlef: Europäische Antidiskriminierung und kirchliches Selbstbestimmungsrecht. Zur Auslegung von Art. 13 EG und Art. 4 der Richtlinie 2000/ 78/EG. Frankfurt a. M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2003. XXIII, 274 S. 8° = Schriften zum Staatskirchenrecht, 15. Kart. EUR 51,50. ISBN 3-631-51595-2; G. Robbers, Staat und Kirche in der Europäischen Union, in: Robbers, Gerhard [Hrsg.]: Staat und Kirche in der Europäischen Union. 2.Aufl. In Zusammenarbeit m. d. European Consortium for State and Church Research. Baden-Baden: Nomos 2005. 641 S. m. Tab. gr.8°. Kart. EUR 59,00. ISBN 3-8329-1524-9, 629 ff.; Lehmann, Hartmut [Hrsg.]: Multireligiosität im vereinten Europa. Historische und juristische Aspekte. Göttingen: Wallstein 2003. 240 S. 8° = Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter der Säkularisierung, 1. Kart. EUR 24,00. ISBN 3-89244-666-0; Lehmann, Hartmut [Hrsg.]: Koexistenz und Konflikt von Religionen im vereinten Europa. Göttingen: Wallstein 2004. 176 S. 8° = Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter der Säkularisierung, 4. Kart. EUR 21,00. ISBN 3-89244-746-2; Lehmann, Hartmut [Hrsg.]: Religiöser Pluralismus im vereinten Europa. Freikirchen und Sekten. Göttingen: Wallstein 2005. 204 S. 8° = Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter der Säkularisierung, 6. Kart. EUR 22,00. ISBN 3-89244-882-5; Schilberg, Arno: Evangelisches Kirchenrecht in Rheinland, Westfalen und Lippe. Grundriss für die Aus- und Fortbildung. Stuttgart: Kohlhammer/Deutscher Gemeindeverlag 2003. XIV, 234 S. m. 1 Kt. 8°. Kart. EUR 23,00. ISBN 3-555-30431-1, 190 ff.; sowie die Neuauflage des gar nicht so kurzen Juristischen Kurz-Lehrbuchs (so der Reihentitel) von Campenhausen, Axel Freiherr von, u. Heinrich de Wall: Staatskirchenrecht. Eine systematische Darstellung des Religionsverfassungsrechts in Deutschland und Europa. Ein Studienbuch. 4., überarb. u. ergänzte Aufl. München: Beck 2006. XIV, 436 S. gr.8° = Juristische Kurz-Lehrbücher. Kart. EUR 36,00. ISBN 3-406-51734-X, 357 ff. jeweils m. w. N.

7) Zur Auseinandersetzung um die Bezeichnung des Rechtsgebietes Walter (s. o. Anm. 6), 200; M. Morlok/J. Krüper, Art. Religionsrecht, in: Ev. Staatslexikon, Neuausgabe 2006, Sp. 2019 ff.; Triebel (s. o. Anm. 6), 3 f., einerseits und Mückl (s. o. Anm. 6), 53 ff., andererseits jeweils m. w. N.; vermittelnd v. Campenhausen/de Wall (s. o. Anm. 6), V.39 f.; ebenso pragmatisch und beide Begriffe synonym verwendend BVerfGE 102, 370 (388); H. M. Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003, 25; eine Zusammenschau der Positionen und ihrer Konsequenzen für einzelne Streitfragen in H. M. Heinig/C. Walter [Hrsg.], Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht? Ein begriffspolitischer Grundsatzstreit, 2007.

8) Zu diesem etwa Kehlen (s. o. Anm. 6), 9 ff.; Triebel (s. o. Anm. 6), 55 ff.; Reich egger (s. o. Anm. 6), 29 ff.; H. M. Heinig , Art. 13 EGV und die korporative Religionsfreiheit nach dem Grundgesetz, in: A. Haratsch u. a. [Hrsg.], Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, 215 ff.

9) Unstreitig, siehe Mückl (s. o. Anm. 6), 410 ff.; ders ., Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2002, 22; Walter (s. o. Anm. 6), 403 ff.; H. de Wall, Neue Entwicklungen im Europäischen Staatskirchenrecht, in: ZevKR 47 [2002], 205 ff. m. w. N.

10) Siehe m. w. N. im Einzelnen M. Vachek , Das Religionsrecht der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK, 2000, 77 ff.; H. Weber , Geltungsbereiche des primären und sekundären Europarechts für die Kirchen, in: ZevKR 47 [2002], 221 (226 ff.); Heinig (s. o. Anm. 7), 396 ff.; Mückl (s. o. Anm. 6), 459 ff.; Walter (s. o. Anm. 6), 425 ff., M. Söbbeche-Krajewski, Der religionsrechtliche Acquis Communautaire der EU, 2006, 41 ff.

11) Walter (s. o. Anm. 6), 404; Schilberg (o. Fußn. 6), 191; Heinig (s. o. Anm. 7), 390 ff. m. w. N.

12) Heinig (s. o. Anm. 7), 158 ff.; Walter (s. o. Anm. 6), 540 ff.; M. Morlok , in: H. Dreier [Hrsg.], Grundgesetz ­ Kommentar, Bd. 3, Art. 137 WRV Rdnr. 53 ff.; kritisch Mückl (s. o. Anm. 6), 259, mit Verweis auf B. Grzeszick, Staatlicher Rechtsschutz und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, in: AöR 129 [2004], 168 ff.

13) Heinig (s. o. Anm. 7), 405 ff.; ders. (s. o. Anm. 8), 243 f.; ders., Die Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in der europäischen Rechtsordnung, 2003, 125 (137 ff.) m. w. N. Zur Klarstellung: Das Modell des »Mehrebenenrechts« ist eine wissenschaftliche Rekonstruktion des Normmaterials und dessen An wendung in einer rechtsdogmatisch angeleiteten Praxis. Solche theoretischen Modelle führen in der Rechtswissenschaft freilich schnell ein normatives Eigenleben, bilden also eine Art Dogmatik zweiter Ordnung, die auf die »klassische«, an wendungsorientierte Dogmatik durchschlägt.

14) Siehe etwa aus der Fülle der Literatur zum Thema einführend R. Wahl, Internationalisierung des Staates, in: ders., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003, 17 ff.; ders., Der einzelne in der Welt jenseits des Staates, ebda., 53 ff.; U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; A. v. Bogdandy, Demokratie, Globalisierung, Zukunft des Völkerrechts, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 63 [2003], 853 ff.; im Überblick zur Debattenlage auch H. M. Heinig, Offene Staatlichkeit oder Abschied vom Staat, in: Philosophische Rundschau 52 [2005], 191 ff.

15) So anerkannt in BVerfGE 37, 271 (277 f.); anders BVerfGE 89, 155 (183.190), wo die Bedeutung des mitgliedstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls durch das Zustimmungsgesetz zu den Verträgen betont wird. Zu Problem und Fehlstellung der Autonomie/Heteronomie-Dichotomie C. Möllers (s. o. Anm. 2), 26 ff.

16) Aus der Fülle der Literatur C. Walter, DVBl. 2000, 1 (4 ff.); M. Morlok, Grundfragen einer Verfassung auf europäischer Ebene, in: P. Häberle u. a., Staat und Verfassung in Europa, 2000, 73 ff.; A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, 76 ff.

17) Kritisch gegenüber einer Relativierung des Verfassungsbegriff durch die Betrachtung von Verfassungsfunktionen Möllers (s. o. Anm. 2), 18 ff.; U. Haltern, Gestalt und Finalität, ebd., 803 ff., die insbesondere darauf verweisen, dass sich in Verfassungen auch historisch gesättigter Sinn abspeichert, der einer rein funktionalen Betrachtung nicht zugänglich ist.

18) I. Pernice, Multilevel Constitutionalism and the Treaty of Amsterdam, in: Common Market Review 36 [1999], 703 ff.; ders., Europäisches Verfassungsrecht im Werden, in: H. Bauer u. a. [Hrsg.], Ius Publicum im Umbruch, 2000, 25 ff.; ders., Europäisches und nationales Verfassungsrecht, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 60 [2001], 148 ff.; pointierte Kritik bei M. Jestaedt, Der Europäische Verfassungsverbund ­ Verfassungstheoretischer Charme und rechtstheoretische Insuffizienz einer Unschärferelation, in: Gedächtnisschrift W. Blomeyer, 2004, 637 (657 ff.), mit Verweis auf geltungstheoretische Probleme einer Duplizierung der höchsten Normebene.

19) BVerfGE 89, 155 (195).

20) Siehe etwa M. Jachtenfuchs/B. Koch-Kohler, Regieren im dynamischen Mehrebenensystem, in: dies., Europäische Integration, 1996, 15 ff.; inzwischen ist der Mehrebenenbegriff zu einer lexikalisch kanonisierten Zentralkategorie der (Post-)Staatslehre aufgestiegen, siehe S. Oeter, Art. Globalisierung, in: Ev. Staatslexikon, 2006, Sp. 869 (874 ff.); m. w. N. auch U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004, 474 ff.

21) In diesem Sinne auch Walter (s. o. Anm. 6), 403 ff.; D. Kraus, Schweize risches und europäisches Religionsrecht im Dialog, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, 2002, 11 ff.; unverständlich hingegen die Skepsis bei Mückl (s.o. Anm. 6), 563 f., der die »Europäisierung des Staatskirchenrecht« in Frage stellt und doch seine Arbeit so betitelt (!).

22) Zu Begriff und Konzeption näher Heinig (s. o. Anm. 7), 414.

23) Siehe m. w. N. Haltern (s. o. Anm. 3), 259 ff.; zu den Problemen einer Konzeption der »Integration Through Law« ders. (s. o. Anm. 4), 279 ff.

24) Siehe näher Mückl (s. o. Anm. 6), 422 ff.

25) Heinig (s. o. Anm. 7), 421; die Wirkungen des Subsidiaritätsprinzips können im Übrigen auch gerade den kirchlichen Interessen entgegenlaufen, so etwa, wenn Bestimmungen zum Sonntagsschutz in der Arbeitszeitrichtlinie (zu Recht) wegen des Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip vom EuGH kassiert werden (EuGH, Slg. 1996-I, 5755 [5805 f.]; hierzu Heinig, ebd. 487; Walter [s. o. Anm. 6], 423 ff.).

26) Zur Erklärung näher B. Grezeszick, Die Kirchenerklärung zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam, in: ZevKR 48 [2003], 284 ff.; Heinig (s. o. Anm. 7), 415 ff.; Walter (s. o. Anm. 6), 410 f.; Mückl, (s. o. Anm. 6), 453 ff.; Triebel (s. o. Anm. 6), 277 ff. m. w. N.

27) Vgl. mit z. T. sehr unterschiedlichen Akzenten, aber ähnlichem Ergebnis Walter (s. o. Anm. 6), 411 ff.; Heinig (s. o. Anm. 7), 421 ff.; Mückl (s. o. Anm. 6), 413 ff.; Triebel (s. o. Anm. 6), 255 ff.; Uhle, Arnd: Staat ­ Kirche ­ Kultur. Berlin: Duncker & Humblot 2004. 203 S. 8° = Staatskirchenrechtliche Abhandlungen, 43. Kart. EUR 59,80. ISBN3-428-11467-1, 150 ff., skeptisch gegenüber der Subsumtion des Staatskirchen- und Religionsrechts unter die »nationale Identität« Vachek (s.o. Anm. 10), 271 ff. Der auf kollektive Entitäten bezogene Terminus »Identität« wird in Art. 6 Abs. 2 EUV wohlweislich als Rechtsbegriff in politisch-pragmatischer Hinsicht in die Verträge eingeführt. Politik- und kulturtheoretisch ist natürlich ein erhebliches Problempotenzial im Spannungsfeld von kollektiver Identität und (religiöser) Pluralität im demokratischen Verfassungsstaat zu diagnostizieren, wie etwa die von H. Lehmann hrsg. Bände zu Rechtsfragen religiöser Vielheit im vereinten Europa (s. o. Anm. 6) zeigen; ohne hinreichendes Problembewusstsein für die Verwerfungen innerhalb der christlichen Kulturgeschichte insoweit Uhle, a. a. O.; Uhle, Arnd: Freiheitlicher Verfassungsstaat und kulturelle Identität. Tübingen: Mohr Siebeck 2004. XXI, 590 S. gr.8° = Jus Publicum, 121. Lw. EUR 134,00. ISBN 3-16-148478-9, insb. 473 ff.; der gleiche Vorwurf trifft J. H. H. Weiler, Ein christliches Europa, 2004, dessen Fokus auf römisch-katholische Lehrtexte überaus befremdet ­ als ob es keine christliche Binnenpluralität gäbe, die für das Europa der Neuzeit doch gerade konstitutiv ist.

28) Im Überblick hierzu die informative Übersicht über das Religionsrecht in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU bei G. Robbers [Hrsg.], Staat und Kirche in der Europäischen Union (s. o. Anm. 6). Dem Band mangelt es freilich, so informationsgesättigt er auch ist, an der eigentlichen Rechtsvergleichung. An ausgewählten Beispielen findet sich diese bei Mückl (s. o. Anm. 6) ­ Großbritannien, Frankreich, Spanien, Deutschland ­ und Walter (s. o. Anm. 6) ­ Frankreich, Deutschland, USA.

29) Siehe T. Kingreen, Art. Grundrechtsschutz, europäischer, in: Ev. Staatslexikon, Neuausgabe 2006, Sp. 922 ff.; näher D. Ehlers [Hrsg.], Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005.

30) M. w. N. H. D. Jarass, EU-Grundrechte, 2005, 117 ff.; v. Campenhausen/de Wall (s. o. Anm. 6), 364 ff.; Reichegger (s. o. Anm. 6), 87 ff.; W. Rüfner, Religion und Kirchen vor der Europäischen Verfassung, in: FS G. Ress, 2005, 757 (760 ff.); H. Weber, Die individuelle und kollektive Religionsfreiheit im europäischen Recht einschließlich ihres Rechtsschutzes, in: ZevKR 47 [2002], 265 ff. m. w. N.

31) Ausführlich zur Problematik Walter (s. o. Anm. 6), 369 ff.419 ff.; Mückl, (s.o. Anm. 6), 427 ff.; C. Grabenwarter, Die korporative Religionsfreiheit nach der Menschenrechtskonvention, in: FS W. Rüfner, 2003, 147 ff.; H. de Wall, Von der individuellen zur korporativen Religionsfreiheit, in: J. Renzikowski [Hrsg.], Die EMRK im Privat-, Straf- und Öffentlichen Recht, 2004, 237 ff. m. w. N.

32) Siehe H. M. Heinig, Die Religion, die Kirchen und die europäische Grundrechtscharta, in: ZevKR 46 [2001], 440 ff.; G. Robbers, Religionsrechtliche Gehalte der Europäischen Grundrechtecharta, in: Festschrift für H. Maurer, 2001, 425 ff.; S. Hölscheid/E. Mund, Religionen und Kirchen im europäischen Verfassungsverbund, in: Europarecht 2003, 1083 (1087 ff.).

33) Heinig (s. o. Anm. 7), 381 ff.; Mückl (s. o. Anm. 6), 447 ff.; anders Triebel (s.o. Anm. 6), 263.

34) Hierzu nähere Nachweise s. o. Anm. 8.



35) Im Überblick v. Campenhausen/de Wall (s. o. Anm. 6), 177 ff.; näher Reich egger (o. Fußn. 6), 5 ff.; Heinig (s. o. Anm. 7), 162 ff.; C. D. Classen, Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht in der Grundrechtsordnung, 2003, 154 ff., mit unterschiedlichen Akzenten zur Reichweite.

36) Siehe auch C. Waldhoff, Kirchliche Selbstbestimmung und Europarecht, in: JZ 2003, 978 ff.; M. Germann/H. de Wall, Kirchliche Dienstgemeinschaft und Europarecht, in: Gedächtnisschrift für W. Blomeyer, 2004, 549 ff.; C. Link, Antidiskriminierung und kirchliches Arbeitsrecht, in: ZevKR 50 [2005], 403 ff.

37) Im Detail s. Nachweise s. o. Anm. 8; ferner Heinig (o. Fußn. 7), 472 ff.; Mückl (o. Fußn. 6), 505 ff.; Walter (s. o. Anm. 6), 427 ff.; ders. Religion und Recht der Europäischen Union, in: A. Zimmermann [Hrsg.], Religion und Internationales Recht, 2006, 207 (212 ff.) m. w. N.

38) K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, 142 und öfter.

39) Walter (s. o. Anm. 6), 433 ff.439 ff.; Mückl (o. Fußn. 6), 462 ff.481 ff.485 ff. 519 ff.; Heinig (s. o. Anm. 7), 442 ff.451 ff.458 ff. m. w. N.

40) Die zentrale religionspolitische Herausforderung für das deutsche Staatskirchen- und Religionsverfassungsrecht ist deshalb nicht auf europäischer Ebene, sondern im nationalen Rahmen verortet. Hier stellt sich die drängende Frage, ob das bestehende Recht seine bewährte Integrations- und Friedenskraft auch unter Bedingungen forcierter Individualisierung und Pluralisierung zu entfalten vermag. Die im Grundgesetz ausgesprochenen Garantien der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit der Religionen bieten zurzeit noch ein hinreichend flexibles Gerüst, die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen; hierzu ausführlich Walter (s. o. Anm. 6), 607 ff. und passim; Heinig (s. o. Anm. 7), 496 ff. und passim. Wer hingegen ­ offen oder subkutan ­ der christlichen Religion und ihren Institutionen gegen die Intention der Väter und Mütter der deutschen Verfassung einen exklusiven privilegierten Status verschaffen will, wird vor dem Hintergrund der bestehenden gesellschaftspolitischen Überzeugungen in Deutschland die Akzeptanz des heutigen Religionsverfassungsrechts auf Dauer eher schwächen als stärken und so ungewollt den laizistisch gesonnenen Kritikern des Status quo in die Hände arbeiten, die schon heute ­ und bislang zu Unrecht ­ desintegrative und nonpazifizierende Wirkungen des Staatskirchenrechts diagnostizieren.

41) Insgesamt zum Verfassungsvertrag aus staatskirchen- und religionsrechtlicher Sicht S. Muckel, Die Rechtsstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: DÖV 2005, 191 ff.; P. R. Schnabel, Die Stellung der Kirchen im Verfassungsvertrag der EU, in: Kirche und Recht (Loseblattsammlung) 140, 87 ff.; H. M. Heinig, Das Religionsverfassungsrecht im Konventsentwurf für einen »Vertrag über eine Verfassung für Europa«, in: H. Kreß [Hrsg.], Religionsfreiheit als Leitbild, 2004, 169 ff.; eine überzeugende Systematisierung und Einordnung in den Gesamtbestand des europäischen Religionsrechts nimmt H. de Wall, Das Religionsrecht der EU, in: ZevKR 50 [2005], 383 ff. vor; zum »Kirchenartikel« (sehr kritisch) M. Triebel, Der Kirchenartikel im Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, in: ZevKR 49 [2004], 644 ff.

42) Walter (s. o. Anm. 6), 415 ff.

43) Getragen wird dieser Dialog insbesondere durch kirchliche Verbindungsbüros in Brüssel, siehe Schilberg (s. o. Anm. 6), 199 ff.; de Wall (s. o. Anm. 41), 387 m. w. N.

44) So insbesondere G. Robbers, Staat und Religion, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 59 [2000], 231 (232.259); hierzu kritisch M. Morlok, Diskussionsbeitrag, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 59 [2000], 341 f.; instruktiv zum Thema insgesamt S. Magen, Staatskirchenrecht als symbolisches Recht, in: H. Lehmann [Hrsg.], Koexistenz und Konflikt von Religionen (s. o. Anm. 6), 30 ff.

45) G. Robbers, Diskussionsbeitrag, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 59 [2000], 361.

46) Die lange in Kirchen- und Wissenschaftlerkreisen befürchtete »Laizi sierung« des deutschen Staatskirchenrechts wird deshalb jedenfalls nicht von Brüssel aus bewirkt. Eher drohen solche Entwicklungen vor dem Hintergrund der in Anm. 40 beschriebenen Herausforderung.

47) Zur Problematik auch Hölscheidt/Mund (o. Fußn. 32), 1083 f.1092 f.; P. Bahr/H. M. Heinig, Apologetik oder Analyse, in: ZEE 2003, 223 (229); Heinig (s.o. Anm. 41), 180 f.

48) Unmittelbaren wie mittelbaren Folgewirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften steht auch nicht der Grundsatz des nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet entgegen, wie Mückl (s. o. Anm. 6), 416 ff.424 ff. meint: Der genuin geistlich-religiöse Bereich sei dem säkularen Staat entzogen, deshalb könne er insoweit auch keine Kompetenzen auf die EU übertragen. Die Freiheit der Kirche in der Perspektive des staatlichen Rechts bemisst sich aber ausschließlich nach staatlichem Recht, nicht anhand allgemeiner rechtstheologischer Erwägungen zum Verhältnis von Staat und Kirchen. Mückls Vorstellungen sind insgesamt von Restbeständen der zu Recht verabschiedeten Koordinationslehre geprägt, nach der sich Staat und Kirche als zwei gleichrangige Mächte auf Augenhöhe be gegnen (etwa [s. o. Anm. 6], 569); hierzu Heinig (s. o. Anm. 7), 144 ff.; direkt zu Mückl, ebd. 392 ff.; Walter (s. o. Anm. 6), 407 ff.

49) Aufschlussreich auch C. Waldhoff, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht ­ Einwirkungen des Völker- und Europarechts, in: Heinig/Walter (s. o. Anm. 7) 251 ff., der die Bedeutung der Religionsfreiheit hierbei insgesamt aber wohl unterschätzt.

50) Wie es auch anders geht, zeigen etwa S. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, der die liberale politische Philosophie fruchtbar macht, S. Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2003, mit der hilfreichen Rezeption religions- und organisationssoziologischer Arbeiten, M. Droege, Staatsleis tungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kultur- und Sozialstaat, 2004, und K. Groh, Selbstschutz der Verfassung gegen Religionsgemeinschaften, 2004, mit einer durchgehenden Offenheit für sozial- und kulturphilosophische Überlegungen, oder Walter (s. o. Anm. 6) mit aufschlussreichen historischen und ideengeschichtlichen Rekonstruktionen zur Entwicklung des Staat-Kirchen-Verhältnisses. Gründlich, aber rein rechtsdogmatisch und ohne rechten Sinn für die Notwendigkeit verfassungstheoretischer Grundlegungen (insbesondere zur Bearbeitung des eigenen römisch-katholischen Vorverständnisses) hingegen Mückl (s. o. Anm. 6).

51) F. W. Graf, Die Wiederkehr der Götter, 2004; zu den durch den religiösen Pluralismus bedingten Herausforderungen für das säkulare Verfassungsrecht ders., Moses Vermächtnis, 2006, 65 ff.