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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

110-112

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Klein, Thoralf, u. Reinhard Zöllner [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Karl Gützlaff (1803­1851) und das Christentum in Ostasien. Ein Missionar zwischen den Kulturen.

Verlag:

M. e. Vorwort v. W. Scharlau (Ý). Sankt Augustin: Institut Monumenta Serica; Nettetal: Steyler Verlag 2005. VIII, 376 S. m. 1 Abb. gr.8° = Collectanea Serica. Kart. EUR 49,00. ISBN 3-8050-0520-2.

Rezensent:

Georg Evers

Der Sammelband ist aus einer im Juni 2001 an der Universität Erfurt abgehaltenen Tagung hervorgegangen. Neben einem Vorwort von Wilfried Scharlau (Ý 2004) und einer Einleitung der Herausgeber Th. Klein und R. Zöllner besteht der erste Teil von 255 Seiten aus 11 Beiträgen, welche verschiedene Aspekte des reichhaltigen Wirkens von Karl Gützlaff behandeln. Die Herausgeber verfolgen mit dem Sammelband die Zielsetzung, einen Anstoß zu geben, Gützlaffs Person und Werk der Vergessenheit zu entreißen, die in der Vergangenheit an ihm geübte Kritik zurechtzurücken und auf neue noch offene Fragestellungen aufmerksam zu machen. Mit der Einbeziehung von Gützlaffs Kontakten mit Korea und Japan wird ein bisher in der Forschung vernachlässigter Bereich erstmals dokumentiert und ferner durch den interdisziplinären Ansatz eine differenzierte Perspektive auf Gützlaffs Leben und Werk ermöglicht. R. Zöllner (31­39) untersucht die Bedeutung der von Gützlaff 1837 unternommenen Japanreise für die 20 Jahre später erfolgte Öffnung Japans für den Handel mit den USA und Europa. Die Verwicklung Gützlaffs in den Opiumkrieg (1840­42) wird immer wieder als ein Beleg für die Verknüpfung der christlichen Chinamission mit den negativen Auswüchsen des europäischen Kolonialismus und Imperialismus herausgestellt. Für Gützlaff selber stand unzweifelhaft fest, dass die Verbreitung der christlichen Botschaft ein göttliches Gebot darstellte, das von keiner weltlichen Macht, auch nicht von den Adressaten der Botschaft selber in Frage gestellt werden könne und bei dessen Umsetzung auch sittlich fragwürdige Praktiken wie der Opiumhandel in Kauf genommen werden müssten.

Die damit angesprochene Problematik der Verknüpfung von Mission, Handel und Imperialismus wird von P. Merker (41­60) ausführlich untersucht und gewertet. S. Bäsel (61­75) zeigt in ihrem Beitrag auf, dass der kurze, nur einen Monat umfassende Besuch Gützlaffs in Korea, das er 1832 als erster Deutscher erreichte, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Mission und Linguistik gehabt habe. Der Bericht von H. Walravens (77­103) über die zahlreichen Publikationen Gützlaffs zu historischen, geographischen und literarischen Themen macht deutlich, dass dessen ungeheure literarische Produktivität auf Kosten der Genauigkeit und Wissenschaftlichkeit gingen. J. G. und R. Lutz (105­139) geben einen Überblick über die vielseitigen Aktivitäten Gützlaffs in Europa und den USA, die das Ziel hatten, Interesse an der Mission in China zu wecken und finanzielle Unterstützung für die China-Mission zu gewinnen. Andererseits war sein Wirken auch immer umstritten und oft heftiger Kritik ausgesetzt. Die Schwierigkeiten, eine gemeinsame deutsche protestantische Mission für China zu organisieren und die Rolle, die bei dem letztlich gescheiterten Unternehmen Gützlaff spielte, werden von P. Dreher (141­153) dargestellt. Bei den vielfältigen Bemühungen um eine Bibelübersetzung ins Chinesische seitens protestantischer Missionare im 19. Jh. hat auch Gützlaff eine nicht unwesentliche Rolle gespielt, wobei sein Einfluss auf die chinesische Version der Taiping-Bibel von besonderem Interesse ist, wie J. Zetsche in seinem Beitrag (155­171) darlegt. Die akribische Untersuchung von Gützlaffs japanischer Übersetzung des Johannesevangeliums durch Y. Nishina (173­192) zeigt auf, was für eine Pionierarbeit Gützlaff hier geleistet hat, weist aber zugleich darauf hin, dass die Bedeutung dieser Übersetzung bisher weitgehend verkannt oder unterschätzt worden sei. Der umfassende Beitrag von G. Tiedemann (193­231) über die Missionsmethoden Gützlaffs stellt sich der Frage, inwieweit Gützlaff ein »missionarischer Einzelgänger« oder ein »Visionär« gewesen sei. Die Kritik an seiner Person und seinem missionarischen Wirken richtet sich darauf, dass Gützlaff als freier, keiner Missionsgesellschaft oder Kirche verpflichteter Missionar seine Traktate und Bibelübersetzungen zwar an vielen Stellen in China verteilt habe, dass die meisten der Adressaten aber Analphabeten gewesen seien, die daher von der Botschaft nicht hätten erreicht werden können. Kritisiert wurde seine Missionsmethode einer überkonfessionellen Mission, die stark auf kulturelle Anpassung an chinesische Traditionen setzte und sich chinesischer Hilfskräfte bediente, weil Gützlaff fest davon überzeugt war, dass China nur durch Chinesen zu bekehren sei. Die Einwände richteten sich vor allem dagegen, dass Gützlaffs Wirken oberflächlich blieb, weil er mit seiner Missionsmethode in erster Linie die Bekehrung von Einzelpersonen zum Ziel hatte, ohne aber der Gründung von Gemeinden und dem Aufbau einer Kirche genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Bei der Frage, inwieweit das Wirken Gützlaffs bleibende Bedeutung für die Chinamission gehabt habe, verweist Tiedemann auf das missionarische Wirken von Hudson Taylor, dem Gründer der »China-Inland-Mission«, der in weiten Teilen die Missionsmethode Gützlaffs, auf chinesische Missionskräfte zu setzen, übernommen habe. Der abschließende Beitrag von Th. Klein (233­255) untersucht die Frage, inwieweit Gützlaff als Vorläufer einer indigenen chinesischen Kirche angesehen werden könne. Sein Fazit lautet, dass man dies eingeschränkt für jenen Teil der heutigen chinesischen Christen behaupten kann, die vor allem auf dem Land eine Form des chinesischen Christseins entwickelt hätten, bei denen Elemente der chinesischen Volksfrömmigkeit mit christlichen Vorstellungen verschmolzen seien.

Die 100 Seiten umfassende Dokumentation des 2. Teils enthält in acht Abteilungen gegliedert biographisches Material, Reiseberichte, Bewertung der Rolle Gützlaffs im und nach dem Opiumkrieg, eine Bewertung seiner Rollen als Missionar, Linguist und Übersetzer sowie Angaben über seine Gönner und Unterstützer sowie eine Bewertung seines Wirkens im Urteil der Nachwelt. Ein Glossar von chinesischen und japanischen Ausdrücken und Personen, ein Namens- und Ortsregister und ein Autorenverzeichnis finden sich am Ende des Bandes.

Es ist den Herausgebern zuzustimmen, dass der Band viele neue Einblicke auf das Leben und Wirken von Gützlaff eröffnet. Eine umfassende Würdigung des Wirkens dieses so umstrittenen Pioniers der China-Mission wollten die Erfurter Tagung und der daraus resultierende Sammelband ausdrücklich nicht geben. Das Ziel, Vorgaben für die weitere Forschung zu geben und Hinweise auf noch bestehende Defizite in der Forschung aufzuzeigen, wurde sicher erfüllt. Was die Anordnung der Beiträge angeht, so wäre es wahrscheinlich besser gewesen, den Beitrag von G. Tiedemann »Missionarischer Einzelgänger oder Visionär« an den Anfang zu stellen, weil hier viele Angaben zur Biographie Gützlaffs gegeben werden, die für das Verständnis der übrigen Beiträge hilfreich sind. Die Erfurter Tagung war ganz auf die Würdigung und Bewertung des Lebens und Wirkens Gützlaffs abgestellt und dementsprechend ist auch der Sammelband nicht über diesen Rahmen hinausgegangen. Aber anders als eine Fachtagung richtet sich die Publikation auch an Nichtfachleute. Für die Publikation wäre es daher sicher hilfreich gewesen, eine allgemeine Einführung in die Situation Chinas zur Zeit von Gützlaff zu geben und die missionarischen Bemühungen anderer protestantischer Gruppen und wohl auch der katholischen Mission zu schildern, um das Wirken von Gützlaff in diesen Kontext zu verankern, um auf diesem Hintergrund die Einzigartigkeit seines missionarischen Einsatzes herauszustellen.