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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

100-102

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Donnelly, Doris, Denaux, Adelbert, and Joseph Famerée [Eds.]:

Titel/Untertitel:

The Holy Spirit, the Church, and Christian Unity. Proceedings of the Consultation Held at the Monastery of Bose, Italy (14­20 October 2002).

Verlag:

Leuven: University Press; Leuven-Paris-Dudley: Peeters 2005. XII, 417 S. gr.8° = Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium, 181. Kart. EUR 70,00. ISBN 90-5867-441-X (Leuven University Press); 90-429-1560-9 (Peeters).

Rezensent:

Martin Hailer

Der Band dokumentiert eine internationale und ökumenische Konferenz zu Fragen der Pneumatologie, die als Folge einer in Leuven 1999 stattgefundenen Konsultation anberaumt wurde, die u. a. mit Edward Cassidy und John Zizioulas hochkarätig besetzt war. Die Zahl der Eingeladenen und der dadurch beteiligten Konfessionen war bei der Tagung, die der anzuzeigende Band dokumentiert, erheblich größer, reformierte, lutherische, anglikanische und täuferische (hier: mennonitische) Stimmen wurden mit aufgenommen.

In der Eröffnungsansprache formuliert Gottfried Kardinal Danneels in Anspielung auf 1Kor 2,10 und die Enzyklika Dominum et vivificantem (1986): »we have to penetrate the inner mysteries of God, those ðdepths of GodЫ (5 f.). Es gehört zu den Eigenarten des Bandes, dass dem weitgehend nicht Folge geleistet wird. Wir haben es vielmehr mit einem Überblick über pneumatologische Fragen aus jeweiliger konfessioneller Perspektive (Teil I) und in der ökumenischen Bewegung (II) zu tun. Ferner werden einige klassische (III) und einige gegenwartsorientierte (IV) Fragen bearbeitet. Was die unterschiedlichen Beiträge zusammenhält, ist, dass im Gegensatz zum zitierten Statement die Fragen aus der immanenten Trinitätslehre und z. B. die Filioque-Problematik fast keine Rolle spielen. Das Augenmerk liegt vielmehr auf der Realität Gottes im Heiligen Geist bei der Kirche/den Kirchen und den sich daran anknüpfenden Fragen nach realistischer Redeweise von Gott und nach ökumenischen Aspekten.

Hierin könnte sich ein Trend fortsetzen, der in der Pneumatologie vor allem durch den communio-Gedanken immer wieder zum Vorschein kam und bearbeitet wurde, aber durch die Wiedergewinnung des trinitarischen Denkens in der Gotteslehre des Westens und die Filioque-Frage als ökumenischem Kontroversthema überlagert wurde. Bei allem Recht dieser Großthemen ist das Anliegen einer konkreten Pneumatologie zu begrüßen, wozu der vorliegende Band beiträgt.

Zur Filioque-Frage, um die Einzelhinweise doch hier zu beginnen, werden betont moderate Positionen bezogen, so etwa von Walter Kasper, der für eine Interpretation des Filioque im Licht der ursprünglichen Formulierung von 381 und damit der Sicherung der Monarchie des Vaters streitet. In diesem Sinne soll es nicht abgeschafft, sondern als nichthäretisch interpretierbar bleiben (27). Elizabeth Hastings geht für die anglikanische Seite so weit, die Abschaffung des Filioque als wünschenswert zu bezeichnen, was aber nicht erfordere, den doppelten Ausgang des Geistes zu verneinen (70 f.). Ob einer dieser beiden Vorschläge für die orthodoxe Seite akzeptabel ist, mag man kritisch sehen, man bekommt im vorliegenden Band aber keine Antwort darauf. Vielmehr inauguriert der orthodoxe Beitrag (John Zizioulas) das angesprochene Desiderat einer konkreten Pneumatologie. In einer bemerkenswerten Thesenreihe zur »essence of pneumatology« (36­39) schreibt er u. a.: »The spirit brings the eschata into history« und »The spirit brings holiness into history« (beide 38). Das ist für ihn anders als im konkreten Vollzug nicht denkbar, weshalb die Kirche jeweils eine lokale Größe sein muss und anders als in synodaler Verfasstheit nicht denkbar ist (42).

Dieses Argument taucht in Variationen auch in Beiträgen aus anderen konfessionellen Traditionen wieder auf. Scharf formuliert wird es von Alan P. F. Sell, der das Bestehen auf dem gültigen Episkopat als Garant/Zeichen wahrer Kirchlichkeit in Dominus Iesus als »among the more recent examples of that sectarian spirit« bezeichnet, »which denies, or seeks to modify the work of God¹s free Spirit« (87). Der Mennonit Helmut Harder betont, viel moderater im Ton, Ähnliches durch Hinweise auf die pneumatologische Begründung recht verschiedener Themen in seiner Tradition, etwa der Taufe oder der Wehrlosigkeit (103.106 f.). ­ Wenn man dieses Argument systematisch vertieft, könnte es darauf hinauslaufen, dass konkrete Pneumatologie die Anerkennung der Kirchlichkeit anderer Konfessionen auch dort erlaubt, wenn nicht fordert, wo die amtstheologische Perspektive allein dies nicht möglich machen würde. Vgl. dazu auch die Bemerkungen aus katholischer Perspektive von Ralph de Colle, 259.263 u. ö. Vielleicht hat Harding Meyer durchaus Recht, wenn er in einer Liste von fünf systematisch wichtigen Themen der Pneumatologie in der Ökumene die Amtsfrage an die letzte Stelle setzt und deutlich macht, dass er den Punkt 4 ðHeiliger Geist und kirchliche KoinoniaÐ für weit wichtiger hält (186, die anderen drei sind: Heiliger Geist und [1] das Werk Christi, [2] die Erneuerung des Lebens und [3] die Sakramente).

Deutlich ist das Bemühen, pfingstlerische, neupfingstlerische und unabhängige Strömungen, die sich im weiteren Sinne als Kirchen des Geistes bezeichnen lassen, ins Raisonnement einzubeziehen. Deren Größe innerhalb (E. Hastings, 62) wie außerhalb der verfassten Kirchen (Cecil M. Robeck, Jr., 356 u. ö.) wird auf etwa ein Viertel der weltweiten Christenheit geschätzt und verdient über die z. B. bereits existierenden Dialoge hinaus (etwa die reformiert-charismatischen Gespräche) Aufmerksamkeit ­ das umso mehr als (neu-) pfingstlerisches Denken und das der Independent Churches sich das Argument der konkreten Pneumatologie auf ihre Weise direkt zu Eigen machen würde. Den Anspruch von Geisttaufe, ðEmpowermentÐ, Heilung und anderem formuliert Robeck so: »Is the Church truly apostolic when a large portion of the Church claims that much of apostolic life about which the New Testament speaks must be relegated to ages past or that it must be completely demythologized?« (360) Was also Handeln und Gegenwart des Geistes heißt, gilt es auszubuchstabieren und das ohne falsche Direktableitungen aus Bibelstellen, aber auch ohne falsche Scheu vor der Wirklichkeit des Geistes. Eine Koinonia-Ekklesiologie dürfte dafür hilfreiche Kategorien zur Verfügung stellen, da viele der pentekostalen Argumente doch direkt von der Be-Geisterung des Einzelnen her denken und so neuzeitlich-subjektivistische Denkfiguren in die Schriftlektüre eintragen (so Robeck 368 f. und Hastings 63; zu vergleichen mit Zizioulas 42.46). Das schon von Hendrikus Berkhof in seiner verdienstvollen Pneumatologie vorgebrachte Argument, dass Gott sich im Heiligen Geist bestimmter Institutionen und Strukturen bedient, sollte in diesem Sinne sorgfältig ausgebaut werden.

Das den Band beschließende Bose Statement (407­409) ist naturgemäß vage, weist mit einer Liste der konkreten Werke des Geistes (408) aber in Richtung einer hierfür nötigen konkreten Pneumatologie.