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Ausgabe:

Januar/2007

Spalte:

93-94

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Rothgangel, Martin, u. Edgar Thaidigsmann [Hrsg.]:

Titel/Untertitel:

Religionspädagogik als Mitte der Theologie? Theologische Disziplinen im Diskurs.

Verlag:

Religionspädagogik als Mitte der Theologie? Theologische Disziplinen im Diskurs.

Rezensent:

Günter R. Schmidt

Der Reiz des Buches besteht in seiner dialogischen Anlage: Die Herausgeber schicken zehn »Thesen zum Verhältnis von Religionspädagogik und Theologie« voraus, mit denen sich dann 19 Religionspädagogen, Systematiker, Exegeten und Kirchenhistoriker auseinander setzen. Abschließend kommentieren sie die »Rezeption der Thesen« (Rothgangel) und markieren »Knotenpunkte der Diskussion« (Thaidigsmann).

In den zehn Thesen wird behauptet, Religionspädagogik sei mehr als eine bloße »Anwendungswissenschaft«; »aus der Not des Religionslehrers, mit Kindern und Jugendlichen in einen Dialog über Gott und sein Eintreten für die Menschen zu kommen«, könne sich »ein neuer Zugang zur Sache der Theologie« ergeben (3), »als eigenständige theologische Disziplin« habe Religionspädagogik einerseits »von der Wahrnehmung und vom Verstehen der Einzelnen auszugehen«, andererseits deren »Werden« von Gottes »Eintreten für die Menschen« her wahrzunehmen (4), ihre Eigenart bestehe in der besonderen »Aufmerksamkeit« für die »Vermittlungsaufgabe«, die »Aneignungsprozesse« (5), »die Menschen im Werden ihres Verstehens und ihrer Bildung« (7). Gegenüber der Geschichtslastigkeit sonstiger Theologie komme es der Religionspädagogik zu, das »ðHeuteÐ des Evangeliums angesichts der Menschen in ihren vielfältigen Lebensbedingungen, Lebens- und Orientierungsversuchen« einzuschärfen und »ein gleichursprüngliches Fragen nach Glauben und bildendem Lernen im Kontext der gegenwärtigen Lebenszusammenhänge« zu fordern.

P. Biehl versteht Religionspädagogik als »Integrations-«, M. Bröking-Bortfeld als »Verbundwissenschaft«, J. Kunstmann als »Theologie des religiösen Lernens«. Die »Mitte der Theologie« besteht für F. Schweitzer nicht in einer einzelnen Disziplin, sondern »in der theologischen Gesamtaufgabe«. Auf der »Vermittlung des Spezifischen der christlichen Religion« insistiert Chr. Axt-Piscalar. Nach R. Feldmeier ist der »Exeget als Anwalt des unverfügbaren Anderen« »notwendiges Gegengewicht« des Religionspädagogen als »Anwalt[s] des Einzelnen«. U. Schorn sieht das Alte Testament als »grundlegend für eine Sprachlehre des Glaubens« an.

In seiner Würdigung der Beiträge kann Rothgangel eher Zustimmung bei teilweise anderer Akzentuierung feststellen als Widerspruch. Als »Knotenpunkte der Diskussion« identifiziert Thaidigsmann »Mitte der Theologie«, »religionspädagogische Aufgabe«, »Vermittlung« und »Bildung«. Mitte der Theologie ist nicht eine ihrer Disziplinen, sondern »das Evangelium von Gottes Zuwendung zu den Menschen«. In die Aufmerksamkeit der Theologie für das »Bestehen und Gelingen« des Lebens bringt die Religionspädagogik eine »Hermeneutik der Empirie« ein. Ihre Aufgabe der »Vermittlung« muss pneumatologisch gesehen werden. Im Bildungsgeschehen weckt Religionspädagogik »den Sinn für die Gabe des Lebens« und dafür, dass der Einzelne mehr ist als die Bilder, die er selbst und andere sich von ihm machen.

Der Band macht deutlich, wie das interdisziplinäre Gespräch nicht nur die wissenschaftstheoretische Selbstbesinnung innerhalb jedes Einzelfaches, sondern auch die Besinnung auf Wesen und Aufgaben von Theologie als Ganzer fördert und zu (über den fachdisziplinären Rahmen hinaus) verständlichen Äußerungen anregt. Für die besondere Aufgabe, Perspektive und Arbeitsweise der Religionspädagogik tragen ihre Vertreter teilweise Überlegungen vor, die für die gesamte Praktische Theologie gelten. Die Art, wie manche Religionspädagogen den Status ihres Faches zur Geltung bringen wollen, wirkt auf den Rezensenten eher etwas peinlich, der Tonfall der Vertreter anderer Fächer entsprechend höflich, vorsichtig und betulich. Spräche man von den einzelnen Disziplinen weniger personifizierend und achtete man mehr auf die Einheit der Theologie, dann würden sich auch Statusfragen erledigen. Ist es nicht einfach selbstverständlich, dass jeder Theologe auch seine Adressaten in ihrer allgemeinen condition humaine und ihrer speziellen gesellschaftlichen und kulturellen Situation ins Auge fasst und dass ein Religionspädagoge, will er sachgemäß arbeiten, ­ im Gespräch mit den Vertretern anderer Disziplinen ­ auch exegetisch, historisch, dogmatisch und ethisch denkt? Abschließend sei die Betrachtung von Lk 14,7­11 empfohlen!